Prof. Wolfgang Donsbach: “Medien verlieren zunehmend ihren Markenkern”

Prof. Dr. Wolfgang Donsbach

Prof. Wolfgang Donsbach spricht in der Zukunftsrubrik "2020" der Zeitschrift "Wir in Sachsen", herausgegeben von der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, über die Zukunft der Medien.

Der Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden sorgt sich um den Verlust der Glaubwürdigkeit des Journalismus. Donsbach übt außerdem Kritik an den Parteien, die sich auf die Medienlogik eingelassen hätten. Die Produktion von gedruckten Zeitungen nennt er "im Vergleich zu der Nachrichtenverbreitung im Internet einen Anachronismus".

Stawowy media (Betreiber von Flurfunk Dresden) produziert die Zeitschrift "Wir in Sachsen" regelmäßig als Dienstleister. Wir freuen uns, den Text aus der aktuellen Ausgabe 1/2011 hier vollständig wiedergeben zu dürfen:

Prof. Wolfgang Donsbach: Plädoyer für Professionalität

Politikverdrossenheit
Die Art und Weise der Politikberichterstattung hat sich seit den 60er Jahren stark verändert. Der Negativismus hat zugenommen, Politik wird heute mehr in kleine Häppchen verpackt, so dass häufig der Zusammenhang verloren geht. Man ist insgesamt kritikfreudiger geworden. Letzteres ist aber kein genuines journalistisches Phänomen, vielmehr hat sich die Gesellschaft verändert. Nur bei der Politikdarstellung hat man es übertrieben. Denn auf diese Art und Weise hat der Bürger immer weniger eine Chance, relativ neutral und fair zu erfahren, was die Politik eigentlich vorhat.

Politik als Medienereignis
Als Politiker hat man es heute schwer: Man muss im Prinzip eigentlich alles so lange unter dem Deckel halten, bis das Ergebnis da und entschieden ist. Ansonsten wird es in der Tat: zerredet. Denn es geht in der Regel nicht um den Austausch von Sachargumenten, sondern um die Hoheit über die Schlüsselbegriffe und die Wertung: Wer ist der moralisch Gute und wer ist der moralisch Schlechte. Die Medien spiegeln diesen Kampf, der in der Politik passiert, wider. Insofern ist diese Entwicklung auch ein Problem der Politik selbst.

Ein gewisser Prozentsatz der Menschen wählt nach Kriterien, die nicht in den Lehrbüchern der Demokratie stehen. Die Wähler lassen sich beeinflussen von der Telegenität der Kandidaten oder Image-Kreationen. Die Parteien haben dafür ihre eigene Logik verlassen und sich auf die „Medienlogik“ eingelassen.

Soziale Medien
Genau wie die Politik verlieren auch die Medien ihren Markenkern. Weil sie sich boulevardisieren und ununterscheidbar machen von nicht-professionellen Angeboten. Ich zeige in Vorträgen oft ein Bild mit vier Webseiten, die sehen alle gleich aus. Ob das StudiVZ ist oder irgendein Blogger oder eine Unternehmensseite, die einem etwas verkaufen will: Die können ihre Inhalte heute alle so journalistisch aufbereiten, dass es für den Durchschnittsbürger keinen Unterschied macht. Es ist in meinen Augen ein Grundfehler der Medien, dass sie nun alle denken, sie brauchen Blogs und müssen bei Facebook oder sonstwas mitmachen. Denn sie tragen damit dazu bei, dass sie ähnlich wahrgenommen werden wie diese sozialen Medien – die großartig, aber kein Journalismus sind.

Wirtschaftliche Einflüsse und Zwänge
In der Mehrheit arbeiten die Medien nach den Gesichtspunkten der Professionalität. Es gibt aber zunehmend Medieninhalte in Zeitungen und Rundfunk, die nicht von Profis aus einer neutralen und sachkundigen Position heraus gesendet oder gedruckt werden, sondern weil jemand Geld dafür bezahlt hat. Vermutungen über Korrumpiertheit der Journalisten, dass sie politisch ihr eigenes Süppchen kochen oder sich unethisch verhalten, sind Wertetreiber für den Verlust an Glaubwürdigkeit. Da muss der Journalismus sich überlegen, ob er sich nicht selbst den Ast absägt, auf dem er sitzt.

Zukunft der Zeitung
Die Zeitungsherstellung und -verbreitung von heute ist im Vergleich zu der Nachrichtenverbreitung im Internet ein Anachronismus. Dieses Businessmodell wird auf Dauer keinen Bestand haben. Es wird also sicher einen technologischen Wandel geben. Aber man darf nicht den technologischen Wandel mit dem Wandel der Institution gleichsetzen. Die Zeitung als Institution kann gedruckt, gesendet oder irgendwie online daherkommen. Entscheidend ist die Professionalität des Inhalts: Denn wir brauchen weiterhin die Profis, die uns die Arbeit abnehmen, zu beurteilen, was an der vorhandenen Kommunikation richtig und wichtig ist.

Interview: Dirk Reelfs und Peter Stawowy

1 Kommentar
  • Helmar Johann
    März 14, 2011

    Toll: Das erste Interview ohne Fragen!
    Sicher die Geburt eines neuen journalistischen Genres und nur noch zu übertreffen vom Selbstgespräch.

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