Neue Medien im Einsatz – das Kunstfestival Cynetart

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Das CineChamber - laut Homepage ein großer, immersiver, gleichzeitig intimer und in sich abgeschlossener Raum, der als mobiles Environment und Inkubator für inter- und multimediale Arbeiten fungiert

Das CineChamber - laut Homepage ein großer, immersiver, gleichzeitig intimer und in sich abgeschlossener Raum, der als mobiles Environment und Inkubator für inter- und multimediale Arbeiten fungiert

Kunst trifft Wissenschaft – noch bis zum 26.11.2011 verwandelt das Festival „Cynetart“ das Festspielhaus Hellerau in ein großes Labor, wo die Besucher computergestützte Kunst nicht nur anschauen sondern auch damit experimentieren können. Thomas Dumke von der Trans Media Akademie Hellerau (TMA) organisiert und leitet das Kunstevent, das zu den wichtigsten Festivals für Medienkunst im deutschsprachigen Raum zählt. Was genau bei der Cynetart passiert, ist schwer in Worte zu fassen. Für Flurfunk Dresden hat es Thomas Dumke trotzdem versucht, begreifbar zu machen. Gar nicht so einfach - deswegen empfehlen wir, nachdem Sie das Interview gelesen haben: Einfach hingehen und selbst ausprobieren!

Flurfunk Dresden: Dresden ist in der Außenwahrnehmung bekannt als Barockstadt. Mit der Cynetart inszeniert ihr ein hochtechnisiertes Kunstevent. Wie passt das zusammen und wen trifft man auf der Cynetart?

Thomas Dumke: Ja, dann sollten wir fragen, warum Dresden als Barockstadt bekannt geworden ist und dies sich faktisch in unseren Köpfen derart eingebrannt hat. Wir wissen doch zu gut, dass in Dresden die wichtigsten Forschungsinstitute angesiedelt sind. Aber selbst die Annahme, dass wir bei denen mit unseren Absichten auf fruchtbaren Boden stoßen, ist nicht selbstverständlich.

Das Cynetart-Festival dient als Plattform für die Vermittlung von Ansätzen zwischen Wissenschaft und Kunst. Medienkunst wird dabei gleichermaßen als sinnliche Modellierung und wissenschaftsnahe Exploration der menschlichen Wahrnehmung mit Hilfe von medientechnischen Instrumenten verstanden. Die Dominanz von Soundbasierten Projekten im Rahmen des Festivals ist dabei in Relation zu einem bewegten Körper (Tänzer/Besucher) zu sehen. Im Zentrum steht dabei Musik als Mediatisierung expressiver körperlicher Interaktionsformen mit der Umwelt. Unter dieser Hypothese beschäftigt sich das Festival im Besonderen mit erregungsbasierten körperlichen Lebensformen einer mediatisierten Kultur – Musik wird dabei zwischen der Kommunikation über den unmittelbaren emotionalen Körperausdruck, technoides Musizieren, und der Gestaltung von Codes für Klänge betrachtet. In beiden Fällen ist dies paradigmatisch für Medienkunst als Exploration körperlichen Lebens in und mit Virtualitäten.

Flurfunk Dresden: Eure Projektbeschreibungen lesen und hören sich oft kryptisch und schwer vorstellbar. Was genau passiert auf der Cynetart mit mir als Besucher?
Dumke: Oh, ja. Wir initiieren oft immer wieder neue Projekte und geben diesen griffige Namen. Einerseits begründet sich dies aus der Vielzahl von beteiligten Gruppen innerhalb der Cynetart, die jeweils eine eigene Sprache sprechen und andererseits spiegelt sich dadurch ein gewisses Selbstverständnis wider. Nehmen wir zum Beispiel A.P.P.I.A. lab (audio::::presence::::performance::::immersive:::art_lab). Darin verbirgt sich die „Transkription“ des Namens „Appia“ (Adolphe Appia) und steht für Leitbegriffe wie Audio-Präsenz, um performative, durch den Körper hindurch wahrgenommene Bewegung, um ein Drinnen-Sein (Immersion), um Art-Spaces der Überschreitung bzw. Erweiterung von Grenzen der Wahrnehmung. Bezogen auf die Cynetart greifen wir das von Adolphe Appia seinerzeit revolutionäre Konzept der Verbindung von physischem Raumbild und Körperbewegung auf, um unterschiedliche aktuelle Zugänge auf der Basis moderner virtueller Klang-Bild-Licht-Umgebungen zu demonstrieren.

Die so genannte Lab-Situation (Festival as Lab) bezieht sich auf den Anspruch, das Kollektive im Rahmen des Festivals Umgebungen oder Projekträume aufbauen, um mittels Workshops (Kazoosh! oder CHET) gemeinsam an einer Idee zu arbeiten, die während des Festivals öffentlich präsentiert wird oder die mediale Umgebung selbst (A.P.P.I.A. lab) eine Art Versuchsanordnung für die Selbsterfahrung in virtuellen Umgebungen wird, quasi Erkundungen jenseits eines regulären Spielbetriebes, wie man ihn bei anderen Festivals oder im Theater kennengelernt hat.

Habt ihr schon 'mal Yoga im A.P.P.I.A. lab probiert? Der Großteil der Arbeiten auf der Cynetart bindet die Anwesenheit des Besuchers unmittelbar mit. Er ist aufgefordert auf die Modellierungen zuzugehen / hindurchzugehen (Wall of Sound/Anke Eckardt), den Erregungszustand der YouPorn-User zu spüren (Vibrator/Prokop Bartonicek), mit digitalen Projektionen zu interagieren, sich zu bewegen, Licht zu teilen, seinen Körper zu berühren und dabei sehen, wie er sich verändert (Swap Places/Kimchi and Chips | A.P.P.I.A. lab).

Flurfunk Dresden: Die „computergestützte Kunst“ ist noch eine sehr junge Kunst. Werdet ihr von Kunstwissenschaftlern und Kunstprofessoren als neue Kunstform ernst genommen?

Dumke: Von denen, die sich selbst damit beschäftigen, ja. Von den anderen weiß ich es nicht.

Flurfunk Dresden: Welche Rolle wird der Einsatz von „Neuen Medien“ zukünftig in der Kunst spielen?

Dumke: Die „Kunst“ wird immer wieder Ausschau halten nach neuen oder angemessenen Trägermaterialien bzw. Medien der Entäußerung einer beabsichtigten Darstellung und Erfahrung. Wenn sich ein Teil von Künstlern der sogenannten Digitalen Kultur zuschreibt, dann kann man annehmen, dass gerade jene sich den Eigenqualitäten des Digitalen bewusst sind und selbstverständlich technologiebasierte Medien einsetzen. Aber es geht m.E. nicht primär um das Technische, sondern um die kulturellen und sozialen Parameter der Technologie.

Flurfunk Dresden: Auf keinen Fall auf der Cynetart verpassen, sollte man…

Dumke: Die Module der CineChamber und  die Automatic Clubbing Nacht im Festspielhaus Hellerau sowie die Ausstellung „Facing Portraits“ im C. Rockefeller (http://www.crockefeller.org) 27.11. 2011 / 18– 21 Uhr

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