Welchen Nutzen haben Kundenmagazine? Interview mit Dr. Florian Haumer

Dr. Florian Haumer hat in seiner Doktorarbeit untersucht, ob Kundenmagazine betriebswirtschaftlich relevante Effekte erzielen. Im Interview beantwortet der Kommunikationswissenschaftler die Frage, was Corporate Publishing bringen kann und wie solche Magazine wahrgenommen werden.

Titel der Doktorarbeit: "Der Wertschöpfungsbeitrag von Corporate Publishing. Effekte formaler und inhaltlicher Gestaltungsmerkmale von Kundenmagazinen", erschienen 2013 im Springer-Verlag (hier zum Kauf und Online-Lesen).

Flurfunk Dresden: Hand auf's Herz: Bringt es Unternehmen und Institutionen wirklich etwas, ein eigenes Kundenmagazin zu produzieren? 

Dr. Florian Haumer

Dr. Florian Haumer, Foto: Thomas Schlorke

Florian Haumer: Ja, Kundenmagazine sind ein nützliches Instrument innerhalb der Kundenkommunikation, mit dem man viele verschiedene Unternehmens- und Marketingziele ansteuern kann. Zum Beispiel den Aufbau von Wissen über bestimmte Produkteigenschaften, die Verbesserung des Unternehmensimage oder die direkte Absatzförderung. Das ist alles aber kein Geheimnis mehr. Bereits seit einigen Jahren verlagern Unternehmen ihre Media Budgets immer mehr in Richtung "Direkt Marketing" und "Corporate Publishing", weil klassische Werbung an Wirkung verloren hat. Die Menschen sind von der ganzen Werbung auf allen Kanälen zunehmend genervt.

Flurfunk Dresden: Kann man den "Erfolg" von Kundenmagazinen messen? "Erfolg" wäre in dem Falle von Unternehmen doch, dass der Umsatz steigt – aber kann man da eine direkte Verbindung herstellen? Wie? 

Haumer: Natürlich kann man das messen. Die Wirkungsforschung beschäftigt sich bereits seit über 100 Jahren mit entsprechenden Fragen. Im Jahr 1906 hat Kellog's die erste ganzseitige Anzeige in einer Tageszeitung geschaltet und daraufhin die Tagesproduktion von 33 Packungen auf 2900 Packungen gesteigert. Da man sonst keine Maßnahmen zur Absatzförderung ergriffen hatte, konnte man diesen Effekt ziemlich eindeutig auf die veröffentlichte Anzeige zurückführen. So ähnlich macht man das heute auch noch: Man setzt verschiedene Maßnahmen um, versuchst alle anderen Einflussfaktoren zu kontrollieren und beobachtet, was passiert. Umsatz- bzw. Absatzsteigerung würde ich aber nicht immer mit Erfolg gleichsetzen. Wenn die Kosten Ihrer Werbemaßnahmen genauso hoch sind wie die Umsatzsteigerung, dann haben Sie keine nachhaltige Wertschöpfung erwirtschaftet. Heute geht es eher darum, den Unternehmenswert zu steigern und zu stabilisieren.

Flurfunk Dresden: Was ist bei Kundenmagazinen wichtiger: Gute Fotos oder ein gutes Layout? Und welche Rolle spielen die Texte? 

Haumer: Gut oder schlecht sind eigentlich keine sinnvollen Kategorien in der Unternehmenskommunikation. Ich vergleiche das Thema gerne mit der Filmproduktion. Zu jedem Werk gibt es sehr unterschiedliche Urteile im Sinne von gut oder schlecht. Je nachdem, wen Sie fragen. Ein professioneller Kritiker hat eine andere Sicht auf die Dinge als ein Zuschauer, der Popcorn-Kino mag, oder der Produzent, der sich in erster Linie für die Höhe der Einnahmen interessiert. Dann haben wir noch den Regisseur und den Drehbuchautor. Die sind nicht selten unzufrieden, obwohl der Film ein Kassenschlager ist oder bei den Kritikern gut ankommt. Bei Kulturprodukten finde ich diese verschiedenen Sichtweisen auch völlig legitim, bei Unternehmenskommunikation aber nicht.

In seiner Doktorarbeit untersuchte Haumer den "Wertschöpfungsbeitrag von Corporate Publishing". Das Buch ist beim Springer-Verlag erschienen und kostet 26,99 Euro.

In seiner Doktorarbeit untersuchte Haumer den "Wertschöpfungsbeitrag von Corporate Publishing". Das Buch ist beim Springer-Verlag erschienen und kostet 26,99 Euro.

Flurfunk Dresden: Wieso nicht?

Haumer: Weil das alles Geschmacksfragen sind und über Geschmack kann man lange streiten. Unternehmenskommunikation hat aber eine eindeutige Aufgabe zu erfüllen: Sie muss betriebswirtschaftliche Ziele unterstützen. Wenn Sie das tut, dann muss es egal sein, ob dem Fotograf die verwendeten Fotos gefallen, ob der Layouter und der Texter ihre ästhetischen und rhetorischen Ansprüche erfüllt sehen, oder ob dem Chef die Farbe vom neuen Logo gefällt. Gut ist einfach das, was wirkt.

Flurfunk Dresden: Aber sind die Experten nicht genau dazu da, um zu beraten und darauf zu achten, dass ein Kundenmagazin möglichst wirkungsvoll ist?

Haumer: Ja, das sind sie. Das Problem ist nur, dass die wenigsten Experten das Thema nüchtern betrachten und sich Gedanken über betriebswirtschaftliche Zielsetzungen machen. Jeder beantwortet Fragen zur Gestaltung von Unternehmenskommunikation eher aus seiner persönlichen Perspektive und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was Wirkung überhaupt ist. Das führt dann oft zu langen Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Mit meiner Dorktorarbeit habe ich versucht, zur Rationalisierung dieser Diskussion beizutragen.

Flurfunk Dresden: Und ist Ihnen das gelungen?

Haumer: Das weiß ich noch nicht. Zumindest ist es mir gelungen, konkrete Effekte verschiedener Gestaltungsvarianten von Kundenmagazinen auf den Wert von Unternehmen nachzuweisen. Der Clou dabei ist, dass eine sehr visuelle Mediengestaltung, also der Einsatz von ganzseitigen Fotos, Grafiken und Infokästen, zwar dazu führt, dass die Magazine auf der Wahrnehmungsebene ("Gefällt mir") besser beurteilt werden, auf der betriebswirtschaftlich relevanten Einstellungsebene ("Unternehmensimage") finden sich solche Vorteile aber nicht. Ganz im Gegenteil zeigt meine Studie, dass sehr textlastige und faktenreiche Kommunikation, ohne Fotos und ohne besondere Layoutelemente, aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter Umständen wirkungsvoller ist.

Flurfunk Dresden: Waren Sie davon überrascht?

Haumer: Ja, denn visuelle Gestaltungselemente gelten als sehr wirkungsvoll. Deshalb hat der Einsatz solcher Elemente überall auch deutlich zugenommen. Sowohl in Zeitungen und Magazinen als auch auf Corporate Websites und in Geschäftsberichten finden sich immer mehr Fotos, Infografiken und interaktive Elemente. Die ganze Medienwelt ist einfach immer visueller geworden und reine Texte gelten als schwer verdaulich und nicht mehr zeitgemäß.

Flurfunk Dresden: Und wie erklären Sie sich dann dieses Ergebnis?

Haumer: Wir wissen aus der empirischen Kommunikationsforschung und aus der Wahrnehmungspsychologie, dass Menschen Informationen sehr unterschiedlich aufnehmen und verarbeiten, je nachdem wie sehr sie persönlich in ein Thema involviert sind. Wenn Ihnen etwas sehr wichtig ist, oder wenn Sie sich für etwas besonders interessieren, dann lesen sie auch einen Text. Und wenn Sie das tun, dann bleibt mehr im Gehirn hängen, als wenn sie sich nur oberflächlich mit ein paar Grafiken beschäftigen. Denken Sie an das Erlebnis beim Lesen eines Romans. Da entstehen oft sehr lebendige und nachhaltige Bilder im Kopf.

Flurfunk Dresden: Was heißt das jetzt für die Erstellung von Unternehmensmedien wie Kundenmagazinen oder Websites?

Sie sollten bei Fragen zur inhaltlichen und formalen Gestaltung von Unternehmensmedien nicht mit Behauptungen daher kommen, die nie empirisch überprüft worden sind. Wichtig ist vielmehr, dass Sie zielgruppenspezifisch arbeiten. Sind Ihre Leser Fachleute? Dann brauchen Sie nüchterne, fachliche Inhalte. Sind es lose gebundene Neukunden? Dann brauchen Sie eher auffällige Designelemente um Aufmerksamkeit und Wirkung zu generieren.

Flurfunk Dresden: Aber wandern solche Magazine bei den meisten Menschen nicht sowieso gleich ins Altpapier?

Nein, nicht unbedingt. In unserer Studie haben durchschnittlich 85 % der angeschrieben Kunden die zugeschickten Magazine wenigstens einmal durchgeblättert. Aber nicht immer sind Kundenmagazine das beste Mittel der Wahl. So hohe Rezeptionsquoten wie in unserem Experiment erreichen Sie nur dann, wenn Sie in einem Geschäft tätig sind, in dem eine enge Beziehung zu Ihren Kunden besteht. Unsere Daten wurden im Umfeld der unternehmensnahen Dienstleistungen erhoben. Da ist es üblich, dass man sich die Post, die man bekommt, auch anschaut. In anderen Branchen können andere Maßnahmen sinnvoller sein.

Flurfunk Dresden: Sind Kundenmagazine im Internet-Zeitalter denn überhaupt noch zeitgemäß? 

Haumer: Anscheinend schon. Wenn man sich anschaut, wofür Unternehmen im Marketingbereich Ihr Geld ausgeben, dann sieht man, dass die Ausgaben für Anzeigen in Zeitungen und Magazinen schrumpfen und die Ausgaben für Direkt Marketing und Online-Werbung steigen. Andere Kommunikationsformen stagnieren zur Zeit. Ich denke, viele Unternehmen haben gemerkt, dass Sie mit Kundenmagazinen und anderen Maßnahmen der direkten Kundenkommunikation Ihre Kommunikationsziele besser erreichen, als mit klassischer Werbung. Davon profitieren übrigens auch Firmen, die sich in diesem Bereich als Dienstleister positioniert haben, wie z.B. SDV-die Medien AG in Dresden. Solche Anbieter verfügen über modernes technologisches Know-how, mit dem zielgruppenspezifische oder komplett personalisierte Inhalte über Print und Online zur Verfügung gestellt werden können.

Flurfunk Dresden: Es gibt viele Unternehmen, die haben unterirdisch hässliche Webseiten, aber trotzdem Erfolg am Markt. Wie wichtig ist es, einen ansehnliche Internetauftritt zu haben? 

Haumer: Die Ergebnisse meiner Studie zeigen ja, dass das kein Widerspruch ist. Viele erfolgreiche KMU, z.B. in der Automobilzulieferindustrie, haben nur eine handvoll große Kunden, mit denen sie auf persönlicher Ebene intensiv kommunizieren und teilweise eng in Entwicklungsprozesse eingebunden sind. Diesen Kunden ist es egal, wie gut die Corporate Website aussieht, wenn Sie ein vertrauensvolles Verhältnis zum Chef oder zum Vertriebsteam aufgebaut haben. In solchen Geschäftsbeziehungen ist es unter Umständen sogar kontraproduktiv, mit einer "zu bunten" Unternehmenskommunikation daher zu kommen. Das wirkt manchmal aufgeblasen und kann die Reputation eines Unternehmens sogar beschädigen. Sie dürfen im Corporate Design nicht die berufsständischen Codes verletzen. Wenn Sie aber einen Webshop für Surfsachen haben, dann brauchen Sie nicht nur ein cooles Design im Woody-Look, oder so, sondern auch ein hervorragendes Online-Marketing.

Flurfunk Dresden: Kann man den Erfolg einer "schicken" Webseite messen – und was ist überhaupt "schick"? Wie misst man den Erfolg?

Haumer: Eine Website muss nicht schick sein, sondern erfolgreich. Aber was ist erfolgreich? Aus Sicht einer Werbeagentur ist eine Website vielleicht dann erfolgreich, wenn der Kunde sagt: "Danke für die schicke Website. Hier haben Sie Ihr Geld." Das kann aber nicht der Maßstab in der Unternehmenskommunikation sein. Wie gesagt müssen alle umgesetzten Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen einen Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Aufgabendefinition eines Unternehmens leisten. Also müssen sinnvolle Ziele und Kennzahlen genannt werden, die zur Wertschöpfung in Unternehmen beitragen. Solche Kennzahlen nennt man Key Performance Indikatoren (KPI). Dann muss kontrolliert werden, ob die umgesetzten Maßnahmen diese Kennzahlen beeinflussen. Dafür gibt es konkrete Methoden. Wenn die Gestaltung eines Webshops die Conversion-Rate verbessert, oder der Relaunch einer Corporate Site die Generierung von Leads erhöht, dann ist das erfolgreiche Arbeit.

Flurfunk Dresden: Gibt es da allgemein gültige Regeln, etwa wie bestimmte Farben oder Schriftarten in der Gestaltung von Webseiten und Kundenmagazinen wirken?

Haumer: Nein. Es gibt nur ziemlich viele Leute, die das behaupten. Angeblich wirkt rot stimulierend, gelb erzeugt Sympathie und Frauen fühlen sich von Lila angezogen. Wenn Sie also ein Produkt für Frauen haben, sollten Sie Ihr Logo und Ihr Produktdesign auf jeden Fall in lila anlegen. Außerdem sollten Sie Ihre Werbetexte in einer Serifenschriftart produzieren, weil die angeblich besser lesbar sind. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das aber Unsinn, weil es nirgends valide belegt ist. Ich weiß auch nicht, wie die Leute auf so was kommen und warum sie sich auch noch trauen, das in Lehrbücher über Mediengestaltung zu schreiben. Was man aber in den Ergebnissen experimenteller Studien sieht, ist eine hohe Wirksamkeit von schlichter und übersichtlicher Kommunikation in Kundenmagazinen. Ähnliche Wirkungszusammenhänge kennen wir auch aus der Online-Kommunikation. Klare und einfache Designs sind sehr erfolgreich. Die Webshops von Esprit oder ITEM m6 sind gute Beispiele dafür.

Flurfunk Dresden: Sind emotionale Imagefilme, schön unterlegt mit heimeliger Musik, aber nicht das bessere Instrument, um das Firmen-Image zu steigern? 

Haumer: Das kann man pauschal so nicht sagen. Sie können ein Firmen-Image auch nicht einfach steigern, sondern sich nur unterschiedlich positionieren. Wollen Sie eher kompetent und seriös wahrgenommen werden oder eher sympathisch und nahbar? Die Zielsetzungen, die sie hier ausgeben, sollten einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl der Kommunikationsmittel und auf die inhaltliche Gestaltung haben. Imagefilme haben sicher Ihre Berechtigung und können auch sehr wirkungsvoll sein. Ich würde so etwas aber eher bei der ersten Kontaktaufnahme, z.B. auf einer Messe, einsetzen. Was nachweislich sehr effektiv auf Webseiten ist und wovon ich persönlich auch sehr viel halte, sind so genannte Erklärvideos. Das sind kurze Videos, die ein komplexes Thema, z.B. ein Geschäftsmodell oder komplizierte Produkteigenschaften, auf das wesentliche reduzieren und in einfachen Grafiken und Animationen darstellen. Dabei geht es aber weniger um Image-Effekte sondern eher um Wissenstransfer.

Flurfunk Dresden: Angenommen, ein Leser überlegt sich, tatsächlich jetzt einmal den Wert seiner Kommunikationsmaßnahmen ermitteln zu lassen – wer macht das? 

Haumer: Ich bin Geschäftsführer einer Agentur, die sich auf solche Leistungen spezialisiert hat. Das Ganze ist derzeit ein Trendthema, weil immer mehr Inhaber und Manager von Unternehmen wissen wollen, was ihre Marketing-Maßnahmen wirklich bringen und ob der betriebswirtschaftliche Nutzen größer ist, als die Kosten. Wer sich dafür interessiert, kann gerne mit uns Kontakt aufnehmen oder erst einmal unserer Kolumne zum Thema Marketingcontrolling folgen.

Flurfunk Dresden: Vielen Dank für das Interview.

Dr. Florian Haumer studierte Kommunikationswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften und Musikwissenschaft an der LMU München und der TU Dresden. 2012 wurde er mit einer experimentellen Studie zur Bestimmung des betriebswirtschaftlichen Wertschöpfungsbeitrags von Corporate Publishing an der TU Dresden promoviert. Von 2005 bis 2011 war er Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schneider+Partner in Dresden, wo er für den Aufbau der Marketingabteilung verantwortlich war. Seit Juli 2011 ist er Geschäftsführer der haumer&konsorten GmbH. Zu seinen Beratungsthemen zählen Strategisches Marketing, Kommunikationscontrolling, E-Commerce und Corporate Publishing.

Interview: Peter Stawowy

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