Sächsische Zeitung: Reporter bei Konsum-Bilanz-PK ausgesperrt

Ein weiterer Beitrag aus der Reihe "Der (fragwürdige) Umgang mancher Sachsen mit Medien":

Die Konsum Dresden Genossenschaft hat gestern (20.6.2017) bei der Vorstellung ihrer Bilanz für 2016 einen Journalisten der Sächsischen Zeitung ausgesperrt. Wie die Zeitung heute berichtet (vgl. Sächsische Zeitung vom 21.6.2017), wurde einem Reporter ohne Begründung der Zugang zur Veranstaltung verwehrt.

Laut FLURFUNK-Informationen wurde der Journalist direkt am Empfang von einem Konsum-Mitarbeiter daran gehindert, den Termin der Bilanzvorstellung wahrzunehmen.

SZ-Chefredakteur Uwe Vetterick äußert sich im Bericht der Sächsischen Zeitung dazu wie folgt:

"Wir achten den Konsum als regional verankertes Unternehmen, das sich in einem hart umkämpften Markt professionell behauptet. Die Entscheidung, einen kritischen Fragesteller von einer Pressekonferenz auszuschließen, ist hingegen so unprofessionell wie indiskutabel. Die Redaktion der Sächsische Zeitung wird weiter über den Konsum berichten: kritisch, differenziert, konstruktiv."

Dem schließen wir uns an. Wer es nach dem Vorgang zum Weinskandal (vgl. FLURFUNK vom 11.11.2016) und dem AfD-Parteitag (vgl. FLURFUNK vom 29.1.2017) immer noch für eine gute Idee hält, Journalisten ohne Angabe von Gründen den Zugriff zu einem Presse-Termin zu verwehren, sollte vielleicht nochmal einen Grundkurs in Unternehmenskommunikation belegen. Unser Pro-Tipp: Sowas geht eigentlich immer nach hinten los - und verschafft dem Anlass weitere Aufmerksamkeit.

Grund für den Rauswurf dürfte ein kritischer Artikel der Sächsischen Zeitung vom 16.6.2016 sein, Titel: "Konsum feiert Superjahrgang mit Geschmäckle" (s. Bildausschnitt).

Damals hatte der gleiche Autor darüber berichtet, dass Konsum seine Mitarbeiter trotz guter Bilanzen nur knapp über dem Mindestlohn bezahle, während andere Discounter teils sechs Euro mehr pro Stunde zahlen würden.

Erwähnenswert: Nach unserem Kenntnisstand gehört Konsum Dresden zu den Anzeigenkunden der Sächsischen Zeitung.

Die Konsum Dresden Genossenschaft selbst nahm die Gelegenheit, uns heute im Laufe des Tages ein Statement zuzuarbeiten, nicht wahr.

Ben Kutz

Update 1 (22.6., 0.02 Uhr): Die Landespressekonferenz LPK hat mit Unverständnis auf den Vorgang reagiert und die Missbilligung des Verhaltens der Konsum Genossenschaft zum Ausdruck gebracht.

LPK-Vorstandschefin Uta Deckow sagt auf Anfrage von FLURFUNK: "Wer eine solche Kritik nicht aushält, hat offenbar immer noch nicht begriffen, was Pressefreiheit ist."

Reporter aussperren, Inhalte in Anzeige packen

Update 2 (22.6., 9.17 Uhr): Das hat was Absurdes: Heute ist in der Sächsischen Zeitung (in der Dresden Ausgabe, Seite 17) eine halbseitige Anzeige der Konsum Dresden mit redaktioneller Aufmachung (s. Foto, klar als Anzeige gekennzeichnet) zu finden. Überschrift des Textes: "Nachhaltig erfolgreich".

Zitat aus dem Text: "Auch im Geschäftsjahr 2016 konnte die KONSUM DRESDEN eG ihren Erfolgskurs halten und weist bereits das fünfte Jahr in Folge ein positives Jahresergebnis aus."

Zum Thema Mitarbeiterbezahlung ist in dem Text nichts zu lesen, blumig heißt es:

"Neben den Verpflichtungen gegenüber Mitgliedern, Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern übernimmt KONSUM DRESDEN als Einzelhändler auch Verantwortung für den Erhalt natürlicher Ressourcen."

Daraus ergeben sich für eine ganze Reihe von Fragen: Hält die KONSUM DRESDEN eG die Konsumenten wirklich für so dumm, sie auf diesem Wege von bestimmten Informationen ausschließen zu können? Welche Ausbildung haben eigentlich die beteiligten PR-Berater genossen, so einen absurden Vorgang nicht zu verhindern?

Auf Nachfrage bei der Sächsischen Zeitung ist zu hören, dass die Redaktion erst am späten AbendNachmittag, bei Durchsicht der fertigen Seiten kurz vor Druck, Kenntnis von der Anzeige bekam. Die Tradition der strikten Trennung im Verlag zwischen Redaktion und Verlag scheint an der Stelle gegriffen zu haben.

9 Kommentare
  • Stephan Trutschler
    Juni 22, 2017

    Sorry, der Bezug auf das Vorgehen der Winzergenossemschaft vor einem reichlichen Jahr hinkt. Es wurde sehr klar, anders als jetzt in Flurfunk dargestellt, weshalb ein freier Journalist, der sowohl für die DNN, als auch für MDR online arbeitet/arbeitete, ausgeschlossen wurde. Das ist beiden Medien im Vorfeld deutlich unter Angabe der Gründe signalisiert worden.

  • Karl
    Juni 22, 2017

    Jeder hat das Hausrecht ! Pressefreiheit hin oder her ! Nur weil einer sagt er kommt von der Presse hat er noch lange kein Freifahrtsschein. Wenn sich da die SZ und der flurfunk darüber aufregen zeigt es eindeutig das Niveau dieser Medien.

  • Ulf Mehner
    Juni 22, 2017

    Egal was vorgefallen ist - einen Medienvertreter auszuschließen ist kommunikativ gesehen eine Einbahnstraße, aus der man entweder im Rückwartsgang herauskommt oder wenden muss... Unabhängig der presseethischen Diskussion kann man dem Management nur raten, auf die Kommunikatoren im eigenen Haus zu hören oder - wenn diese solch ein Vorgehen befürworten - sich besser beraten bzw. weiterbilden zu lassen.

    Dem Vorstand kann man nur viel Erfolg wünschen, auch, aber nicht nur hinsichtlich der Rendite, sondern auch bei der Kommunikation der wirtschaftlichen Zahlen.

  • Jörg K.
    Juni 22, 2017

    Was nicht gefragt wurde: erfolgte eine ordentliche, fristgemäße Akkreditierung? Oft gibt es ja im Vorfeld Anmelderegularien, die einfach so zu akzeptieren sind ... auch zu anderen Presseterminen erhält nicht jeder Journalist freien Zugang ohne eine ordentliche Anmeldung. Auch zwischenmenschliche "Vorfälle" in der Vergangenheit könnten eine Rolle gespielt haben; der Ton macht ja auch die Musik. Warum nun gerade beim Konsum das Thema Stundenlohn so bedeutsam ist, erschließt sich jedoch nicht für mich. Zumal viele andere Unternehmen in Sachsen auch weniger als Lidl und Co zahlen ... ich habe bei meinen Einkäufen im Konsum jedenfalls das Gefühl, auf motivierte und freundliche Mitarbeiter zu treffen. Anders manchmal bei den gestreßten Mitarbeitern in den Discountern. Übrigens: auch viele Presseleute verdienen gerade so den Mindestlohn, und wenn sie selbständig sind, gibt es keine Grenze nach unten ...

  • Alexander
    Juni 22, 2017

    Wie sieht denn die Bilanz nun genau aus?

  • xyz
    Juni 23, 2017

    Ich finde das Agieren von Konsum Dresden total in Ordnung.
    Der Reporter hatte, soviel ich weiss, keine Einladung und wurde bei der Akkreditierung nicht von einem Konsum-Mitarbeiter sondern von der organisierenden PR-Agentur abgewiesen. Und Hausrecht steht zum Glück noch vor Pressefreiheit.

    Sicher kränkt es Herrn R.* (so heisst der abgewiesene Journalist doch, oder ?) sehr, dass er nicht dabei sein durfte, aber leider hat er sich durch die Falschheit seiner bisherigen Artikel über Konsum, seinen stets zynischen und niemals anerkennenden Ton und seine Respektlosigkeit gegenüber der Leistung von ca. 900 Konsum-Mitarbeitern selbst disqualifiziert.

    Wenn die SZ nicht merkt, dass ihre Journalisten regionale Traditionsunternehmen, von deren Anzeigengeldern die Zeitung lebt, systematisch "totreden", dann sollte es intern vielleicht eine Schulung zu Respekt, genauer journalistischer Recherche, etc. geben.

    *Vollständiger Name entfernt, owy

  • Aki
    Juni 23, 2017

    Das hat der Konsum doch einfach mal ganz korrekt von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht, das ja immer noch vor dem Recht auf Pressefreiheit steht.

    Herr R* (so heißt der nicht eingeladene und daher auch nicht akkreditierte Journalist doch, oder?) ist sicher persönlich sehr verärgert, aber leider hat er sich mit der Falschheit seiner bisherigen Konsum-Artikel, seinem stets zynischen Unterton und seinem fehlenden Respekt für die Leistung von fast 900 Konsum-Mitarbeitern selbst disqualifiziert.

    Die SZ sollte vielleicht mal eine interne Schulung zu Respekt und der Notwendigkeit genauer journalistischer Recherche durchführen, damit sie nicht die Unternehmen mit ihrer Berichterstattung auf lange Sicht schädigt, von deren Anzeigengeldern es sich bisher ja ganz gut leben ließ.

    Übrigens wird die Konsum-Genossenschaft nächstes Jahr 135 Jahre alt und wird deshalb auch diesen Angriff aus dem Lager des Kleingeistes und der Effekthascherei überstehen. Herrn R* wäre an dieser Stelle nur zu wünschen, dass er sich vielleicht für eine Konsum-Mitgliedschaft entscheidet und damit etwas mehr von dem erlebt, was Konsum wirklich ausmacht und das Ganze nicht nur auf angeblich falsche Zahlen und ominöse Praktiken reduziert.

    *Vollständiger Name entfernt, owy

  • Karlheinz
    Juni 24, 2017

    Der SZ wurde vorher signalisiert, sie solle jemand anderen schicken. Wenn sie das nicht tut, muss sie eben mit den Konsequenzen leben.

  • owy
    Juli 9, 2017

    Hinweis: Ich habe gerade den vollständigen Nachnamen des betroffenen Journalisten entfernt.

    An die vermeintlichen "Medienprofis", die hier kommentiert haben, der Hinweis: Es mag sein, dass man kurzfristig eine kritische Berichterstattung über das Thema, dass einen stört, verhindert hat. Langfristig aber hat man dem Thema, über das man sich offenkundig so geärgert hat, eine wesentlich größere Aufmerksamkeit als vorher verpasst. Wie lautet der Spruch: Getroffene Hunde bellen.

    Die Aussperrung eines Journalisten ist immer, egal in welchem Kontext - sorry, mir fällt kein anderes Wort ein - dämmlich. Wer keinen anderen Weg findet, mit kritischer Berichterstattung umzugehen, hat wahlweise keinen Plan oder ist sehr schlecht beraten.

    Im übrigen der Hinweis: Die Erfahrung lehrt, dass anonyme Kommentare hier im Blog unter Geschichten wie diesen hier fast immer von Betroffenen stammen. Für dieses Argument in diesem Falle spricht, dass offenkundig Insiderwissen ("fehlende Akreditierung") vorhanden ist.

    Mal ganz im Ernst: Ungeschickter kann man nicht vorgehen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.