Onlinemagazin Encourage: “Hilfe zur Selbsthilfe”

In neun verschiedenen Kategorien klärt Encourage über Alltagsprobleme auf

Seit ungefähr einem Jahr gibt es das Encourage-Onlinemagazin. Es richtet sich vor allem an Familien mit chronisch kranken und behinderten Kindern. Im FLURFUNK-Interview stehen die Gründerinnen aus Dresden, Dr. med. Maja Linné und Maria von Gagern, Rede und Antwort zur Intention ihres Projekts und resümieren das erste Jahr.

FLURFUNK: Zum Einstieg eine kurze Projektvorstellung: Was ist Encourage eigentlich?

Maria von Gagern: Encourage-Onlinemagazin ist eine Internetplattform, auf der Behinderte und chronisch kranke Menschen, unabhängig von ihrer Diagnose, Hilfe zur Selbsthilfe bekommen. Wir wenden uns dabei vor allem an Eltern und Familien.

Maja Linné: Die Hauptbelastungen dieser Familien betreffen besonders die wirtschaftliche und die soziale Situation und weniger die Bewältigung von Krankheit und Behinderung. Die Kindernetzwerkstudie zur Situation von Familien mit chronisch kranken Kindern hat aufgezeigt, dass viele Eltern nicht wissen, welche Leistungen ihren Kindern zustehen und dass die bürokratischen Hürden hoch sind. Auch die täglichen sozialen Einschränkungen wie Isolation von Freunden und Nachbarn, weniger Zeit für die Familie oder auch ganz allgemein weniger Zeit für gemeinsame Aktivitäten, erleben die Eltern als sehr belastend. Die Ergebnisse der bundesweiten Eltern-Umfrage zeigen ein deutliches Informations- und Beratungsdefizit. Und genau da setzt Encourage an.

FLURFUNK: Was hat euch dazu bewogen, ein Online-Portal für Familien mit behinderten oder chronisch kranken Kindern ins Leben zu rufen?

Maria von Gagern: Wir sind ja beide persönlich mit dem Thema Behinderung konfrontiert. Maja berät als Fachärztin für Genetik in ihrer Praxis Familien mit behinderten und chronisch kranken Kindern und ich bin Mutter behinderter Kinder. Wir beide kennen uns schon sehr lange und nehmen aktiv und interessiert am Leben der Anderen teil. So haben wir uns auch immer wieder darüber ausgetauscht, wie kompliziert es ist, die richtigen Informationen zum Thema Behinderung zu finden, die auch weiterhelfen. Maja hat die Informationen für ihre Patienten zusammen gesucht und ich für meine Kinder. Als wir damals Kind & Kegel aus der Taufe hoben (Anm. d. Red.: von Gagern ist Mitbegründerin des Dresdner Familienmagazins), hatten wir den Ansatz: Wir haben ein Anliegen, es gibt dazu noch nichts Passendes, also machen wir es selbst. Und so ist es bei Encourage auch. Wir fassen Fakten zusammen und schreiben einfach auf, wie man den Anfang findet und sich so durch den Informationsdschungel hangelt.

Vernetzung zwischen verschiedenen Online-Angeboten fehlt

Dr. med. Maja Linné und Maria von Gagern sind die Gründerinnen von Encourage.

Maja Linné: Behinderungen und Erkrankungen sind schon sehr speziell, aber in vielerlei Hinsicht lassen sich die damit verbundenen Probleme auf einen gemeinsamen Nenner herunter kürzen. So gibt es viele Informationen für Behinderte und chronisch kranke Menschen. Doch jeder Verein, jede Institution pflegt einen kleinen eigenen Datenpool. Selten existieren Vernetzungen. Und noch seltener sind diese Infos im Internet existent. Für Familien ist es kompliziert, den roten Faden zu finden, um Antworten und Lösungen für ihre Probleme zu bekommen. Encourage bietet dabei vor allem praktische Anleitungen und objektive Informationen. Wir geben den Lesern Listen und Links an die Hand, damit sie sich selbst weiterhelfen können.

FLURFUNK: Ihr betreibt euer Portal jetzt seit gut einem Jahr. Welches Resümee könnt ihr ziehen?

Maria von Gagern: Unser Weg ist richtig. Wir stoßen immer wieder auf Dinge, die noch nicht erklärt wurden. Gibt es auch für geistig Behinderte Sportmöglichkeiten? Wie bekommt man diesen Euro-Toilettenschlüssel und was kann der überhaupt?

Maja Linné: Die mangelnde Vernetzung unter den Informationsträgern für Behinderte und chronisch Kranke ist frappierend. Es existieren so viele gute Hilfsprojekte und Möglichkeiten, aber sie erreichen nur wenige der Betroffenen. Es fehlt an Vernetzungswissen, Netzwerkern und zeitlichen Kapazitäten. Uns bietet sich damit ein sehr weites Feld zum Austoben.

Engagierte Mitschreiber gesucht!

FLURFUNK: Wie viele Autoren habt ihr? Sind die Schreibenden alle selbst Eltern von behinderten bzw. chronisch kranken Kindern?

Maria von Gagern: Noch sind wir erst zu zweit. Es ist ein sehr arbeitsintensiver Prozess, so ein Onlinemagazin aufzubauen. Und da wir leider noch nicht zu den Digital Natives gehören, müssen wir für jeden Schritt auch noch eine ganze Menge lernen. Ich kann jetzt Dinge, die waren mir vor einem Jahr noch ein totales Rätsel. Zum Beispiel Websites zu optimieren, Bloggen, Facebookanzeigen zu basteln, Fundraising betreiben …
Wir suchen daher noch nach engagierten Mitschreibern. Bei Kind & Kegel waren es engagierte Mütter, die das Magazin inhaltlich getragen haben. Nun brauchen wir die informierten und vernetzten Behinderungsversteher; Menschen die sich mit dem Thema Behinderung beschäftigen. Selbstbetroffene, engagierte Eltern, Studenten, die mal praktisch arbeiten möchten, Sozialarbeiter, Ärzte und Rechtsanwälte - alle können sich in dieser Thematik wiederfinden.

FLURFUNK: Wie finanziert ihr euch? Läuft das alles ehrenamtlich oder gibt es auch die eine oder andere Einnahmequelle?

Maja Linné: Rechtlich und finanziell sind wir an den KID e.V. angebunden. Das ist der Verein des Kinderzentrums Dresden-Friedrichstadt, der neben einem Schwimmbadprojekt und einer Anaphylaxie-Schulung nun auch uns unterstützt. Wir finanzieren uns also ausschließlich über Spenden. Und darum müssen wir neben unserem Job als Journalistin beziehungsweise Ärztin uns auch ums Fundraising kümmern. Zum Glück sind wir ja als Frauen multitaskingfähig und erweitern unsere Fähigkeiten tagtäglich.

"In Sachen Sichtbarkeit haben wir noch Luft nach oben"

FLURFUNK: Wie ist das Feedback? Bekommt ihr viele Reaktionen auf eure Beiträge und seid ihr mit der Anzahl an Seitenaufrufen zufrieden?

Maria von Gagern: Wir arbeiten hart daran, gesehen zu werden. Da greifen all die Mechanismen des Internets. Wir müssen uns vernetzen und auch unsere Beiträge im Ranking hochschieben. Viele Wege testen wir gerade auf Machbarkeit. Also in Sachen Sichtbarkeit haben wir noch Luft nach oben.

FLURFUNK: Was war bisher euer Highlight? Seid ihr auf einen Beitrag besonders stolz? Oder gab es auf einen bestimmten Beitrag besonders viele Reaktionen? Wenn ja, warum?

Maja Linné: Großen Zuspruch fand unserer Artikel "Was ist Unterstützte Kommunikation?", in dem wir über Hilfen zum Reden aufklären, wenn die Sprache fehlt. Hier haben wir schon über 980 Views zu verzeichnen. Doch selbst Themen, wie "Was ist ein SPZ" oder "Eigenes Auto – der Weg zur Unabhängigkeit" werden geklickt. Zusätzlich ist Facebook für uns eine wunderbare Möglichkeit der Vernetzung. Hier werden unsere Beiträge geteilt und wir erreichen damit noch mehr Menschen, denen wir damit weiterhelfen.

FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview!

Zu den Initiatoren

Dr. med. Maja Linné ist medizinische Beraterin und Redakteurin bei Encourage. In ihrer täglichen Arbeit als Genetikerin berät sie professionell Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern nicht nur zu medizinischen Fragen, sondern versucht auch Hilfestellungen zu aktuellen Sorgen und Problemen der Familien anzubieten.

Maria von Gagern ist Journalistin. Auf Grund ihres persönlichen Kontextes ist sie zur Spezialistin für Fragen rund um chronische Erkrankungen und Behinderungen geworden. Mit der Herausgabe von Magazinen hat sie bereits Erfahrung, denn 2002 war sie Mitbegründerin des Dresdner Familienmagazins Kind & Kegel.

1 Kommentar
  • Dr. Beate Bonnaire
    April 18, 2018

    Das Magazin hilft sich zu vernetzen und Informationen für behinderte Kinder und ihre betroffenen Familien zu finden. Alle Aspekte des "normalen" Lebens sollen dabei berücksichtigt werden können. Zum Beispiel auch die Möglichkeit an sportlichen Aktivitäten mit gesunden teilzuhaben. Wer Ideen dazu hat oder Anregungen kann gerne bei uns mitmachen und einen Artikel schreiben oder auch mit einer Spende unterstützen

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