Unsolide und schwach – Energy Sachsen beim Bundesvision Song Contest

Hörerverarsche de luxe - was anderes fällt uns nicht mehr ein zur Beteiligung von Energy Sachsen am Bundesvision Song Contest. Der war am gestrigen Abend (28.9.2012) auf ProSieben zu sehen. Dort treten Bands und Musiker aus allen 16 Bundesländern gegeneinander an.

Für Sachsen ging die Frauenband Laing ins Rennen (Zitat von energy.de: "Laing, die süße Mädels-Truppe aus Sachsen") - und schnitt mit dem zweiten Platz ziemlich gut ab. Der Titel und die Band sollen hier gar nicht kritisiert werden, unterschieden sie sich zumindest angenehm von den übrigen Musikdarbietungen (vermutlich unfreiwiller Nebeneffekt: Die Zeile: "Morgens immer müde, abends immer schwach" könnte zum Quoten-Claim von Energy Sachsen werden).

Alles in allem war das Abschneiden der Band Laing ein ziemlicher Erfolg für den Freistaat, mag man im ersten Moment denken. Dummerweise ist es aber eher eine Blamage - vor allem für den beteiligten Radiosender Energy Sachsen.

Keineswegs ein großes Geheimnis, aber sicher nicht jedem bekannt: Die Band Laing kommt gar nicht aus Sachsen (vgl. hier und hier). Da fragt man sich: Geht's noch? Gibt es in Sachsen wirklich keine Bands, die dort für den Freitstaat im bundesweiten Vergleich hätten antreten können? Steht es so schlecht um die Nachwuchsmusiker hier?

Für den Zuschauer bleibt der Eindruck: Man hat es offenbar nicht geschafft, Musiker aus Sachsen für diese "Show" zu finden. Lediglich die Tänzerin der Band ist in Dresden geboren, lebt aber gar nicht hier.

Wer eigentlich, wenn nicht der heimatliche "Jugendsender", sollte das größte Interesse daran haben, die örtliche Musikszene zu stützen? Vor allem, wenn es um einen bundesweiten Auftritt geht!?

Nun weiß der gemeine Zuschauer wenig über das Auswahlverfahren der Bands. Dank Google-Suche verrät ein älteres Interview mit einem Teilnehmer etwas zur Methode (hier nachzulesen):

"Wie kommt man eigentlich zum Bundesvision Song Contest?

Die Labels bewerben ihre Bands. Wenn du heutzutage einen Act hast, der deutschsprachig ist, schickt man das einfach an Raabs Produktionsfirma Brainpool. Dort suchen sie sich dann jemanden raus. So unspektakulär geht das zu."

Die beteiligte Radio-Station hat also offenbar keinen Einfluss auf die Auswahl der Band - sie ist nur buckelnder Medienpartner. Vermutlich wird es einfach so sein, dass die TV-Produktionsfirma bei den Radio-Stationen anruft und mitteilt, welche Band antritt. Will der Radiosender nicht, wie das Fernsehen es vorgibt - wird eben ein anderer Partner gesucht (oder keiner genommen, wie am Beispiel von Sachsen-Anhalt zu sehen war, wo die Punktevergabe aus einer Bar kam - im Video ab Min. 2:30 zu sehen).

Dass man im Fernsehen die Wirklichkeit auch mal permanent gerade biegt, es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt - es ist hinlänglich bekannt. Stefan Raab macht keinen Hehl daraus, sagt (hier nachzulesen): "Es reicht, wenn einer aus der Band mal da war".

Dass die Band so eine Chance ergreift: Geschenkt. Aber dass eine Radio-Station da ohne nachzudenken mitgeht, bei dieser offenkundigen "Show", und so mit dem Heimat-Stolz der Hörer spielt - das zeugt davon, wie schnell und tief sich manche bücken, nur um auch mal etwas Glanz und vielleicht sogar Reichweite abzubekommen.

Aber was will man auch von einem Programm erwarten, dass Gewinnspiele wie "Single, vergeben oder schwul?" veranstaltet?

Die ganze Kiste ist gegenüber Hörern aus Sachsen, vor allem aber gegenüber sächsischen Musikern eine absolute Unverschämtheit. Und sowas will ein Sender "von hier" sein!

Wir sind ja der Meinung: Im Show-Geschäft ist einiges erlaubt. Aber an der Stelle, Energy Sachsen, hätten wir uns von euch etwas gewünscht, von dem ihr vermutlich gar nicht mehr wisst, was es ist: Haltung.

P.S.: Den oberpeinlichen Auftritt dieses Moderatoren-Duos - wir kommentieren es hier gar nicht weiter. Wir zeigen nur, was vom "sächsischen" Auftritt bei Twitter hängen geblieben ist:

7 Kommentare
  • Sebastian
    September 29, 2012

    Alle sächsischen Musiker, die über diesen Artikel stolpern, sind herzlich eingeladen, sich in der Gruppe des Projekts "Flying Music Circus" zu vernetzen - vielleicht kann man ja auf die lokalen Sender mal wieder ein wenig Druck aufbauen?!?

    https://www.facebook.com/groups/359525594068002/

  • Michael Deutschmann
    September 29, 2012

    Die Auswahl der Bands kann man sicher kritisch betrachten. Allerdings: Es ist eine SHOW von Raab und für deren Erfolg tut er alles, was er glaubt, tun zu müssen. Dass er damit nicht unbedingt das Feuilleton bedient - geschenkt, er trägt die Verantortung für das Investment von Pro7 und Brainpool und deren Kohle. Und damit können und dürfen sie am Ende machen, was sie wollen.

    Insofern, lieber Peter, widerspreche ich Dir auch entschieden, wenn Du schreibst: "...Wer eigentlich, wenn nicht der heimatliche `Jugendsender´, sollte das größte Interesse daran haben, die örtliche Musikszene zu stützen? ...".

    Energy Sachsen ist mitnichten der "heimatliche Jugendsender". Es ist ein Unternehmen, welches über den Umweg der Reichweite versucht, ein Stück vom Werbekuchen abzubeißen und damit Kohle zu verdienen. Wenn die sich morgen entschieden sollten, Stefanie Hertel und die Gandersheimer Gesichtsbaracken in Dauerrotation zu spielen, dann wäre das m.E. zwar schade, aber legitim.

    Die Entscheidung für ein CHR-Format ist also nicht aus dem Anspruch, "der Jugendsender" zu sein abgeleitet, sondern einzig und allein aus Gründen der Marktsituation im Verbreitungsgebiet. Allerdings - ärgerlich und völlig unverständlich indes ist für mich die lieblose, ja gerade zu peinliche Performance von Ernergy Sachsen. Statt den zum "sächsischen" Beitrag erhobenen Song im Vorfeld massiv zu pushen (ja, ich habe im Selbstversuch länger als 10 Minuten Energy am Stück gehört - was so schlecht jetzt nicht war), Fehlanzeige. Keine Crosspromo im normalen Programm, kein Trailer, keine Linercard, nichts. Der absolute Tiefpunkt dann die Darbietung eines offensichtlich völlig überforderten Moderators ("Marvin") und einer sichtlich um Schadensbegrenzung bemühten Moderatorin während der Punktevergabe. Eine derart desolate Nummer mitten in der MA-Befragung verbietet sich eigentlich von selbst. Statt die Chance zu nutzen, das Produkt "Energy Sachsen" außerhalb der Kernzielgruppe via Pro Sieben einer breiteren potentiellen Hörerschaft im Sendegebiet durch einen sympatischen Auftritt bekannt zu machen, ging die Präsentation völlig nach hinten los (Marvin: "Alter eh...,"). Es gilt der Grundsatz: Mit einer guten Performance kannst Du nichts verlieren, mit einer schlechten dafür alles. Energy Sachsen aus meiner Sicht Verlierer des Abends.

    Nebenbei - das Desaster gestern Abend steht dabei im Gegensatz zur durchaus positiven Entwicklung, die die Leipziger in den zurückliegenden Monaten eingeschlagen haben.

  • owy
    September 29, 2012

    Danke, Micha, für deinen Kommentar. Du beschreibst es ja sehr gut: Bei dem Sender steht das Geldverdienen im Vordergrund, nicht der Hörer. Damit lässt sich dann auch noch der größte Schwachsinn rechtfertigen. Und stimmt schon, auch die erfolgreiche Hörerverarsche ist ja durchaus auch eine Kunst für sich. Wenn sie wenigstens das beherrschen würden! Dann hätte ich mir den Blogeintrag hier sparen können.

    Jetzt stellt sich für mich gleich wieder die Henne-Ei-Frage: Wer war zuerst da, die dumme Hörerschaft oder das dumme Medium? Und nach welchen Kriterien werden eigentlich die Lizenzen für solche "Medien" vergeben - ob es bei den Linzenz sowas wie ein inhaltliches Konzept gibt? Oder wird da ausschließlich die Wirtschaftlichkeit bewertet?

  • Sebastian
    September 29, 2012

    "Energy Sachsen ist mitnichten der “heimatliche Jugendsender”. Es ist ein Unternehmen, welches über den Umweg der Reichweite versucht, ein Stück vom Werbekuchen abzubeißen und damit Kohle zu verdienen. Wenn die sich morgen entschieden sollten, Stefanie Hertel und die Gandersheimer Gesichtsbaracken in Dauerrotation zu spielen, dann wäre das m.E. zwar schade, aber legitim."

    Da widerspreche ich jetzt aber, da die Vergabe der Frequenz an Energy - soweit jedenfalls mein Wissen - durchaus gekoppelt war an gewisse inhaltliche und strukturelle Auflagen! Die allerdings auch alle relativ schnell wieder vergessen waren. Leider sind ja alle Ausschreibungsunterlagen nicht einsehbar und die Politik wollte das auch bei der Petition von biss.fm nicht weiter kontrollieren/aufwärmen....

  • Michael Deutschmann
    September 29, 2012

    Peter, unbestritten und völlig dacore. Man muss keinen Schwachsinn über den Äther schicken, um eine relevante Reichweite zu erzielen und damit wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Nur sicherheitshalber, falls das so rüberkam. Die überschaubaren Hörerzahlen des hier beschriebenen Angebots sind der Beweis dafür. Heißt im Umkehrschluss aber, dass man keinen Blödsinn funken darf, wenn man erfolgreich sein will, sondern handwerklich gut gemachte, professionelle Arbeit abliefern muss, bei der auch durchaus ein bisschen Herzblut dabei sein darf, auch wenn's für die Gesellschafter ums Geldverdienen geht.

    Sebastian, was Lizensierungsunterlagen und -auflagen wert sind, das erkennt man daran, was aus dem ehemals als dritte landesweite Frequenzkette mit Schwerpunkt Information lizensierten "Radioropa Info" (jetzt R.SA) oder Antenne Sachsen (jetzt RTL Sachsen) geworden ist. Nicht falsch verstehen, die Entscheidungen der Eigentümer/Verantwortlichen waren offenkundig notwendig und vernünftig. Aber die Geschichte zeigt eben, dass die medienpolitische Idealvorstellung eben selten was mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten in einem Markt wie Sachsen zu tun hat.

  • Sebastian
    September 30, 2012

    Da die "Möglichkeiten in einem Markt" durch die Frequenzen nach wie vor oligarchisch sind, sollten auch die Anforderungen an den Anspruch hoch gehalten werden. Es ist in meinen Augen 100%ig möglich, Energy auch mit mehr Niveau, mehr Abwechslung und mehr Mitarbeitern vor Ort gewinnbringend zu betreiben. Die Frage ist, weit man nach Break Even weiter maximieren darf in einem eben nicht freien Markt...

  • Schnulli
    Oktober 2, 2012

    "Es ist in meinen Augen 100%ig möglich, Energy auch mit mehr Niveau, mehr Abwechslung und mehr Mitarbeitern vor Ort gewinnbringend zu betreiben."
    .
    Nein.
    .
    40.000 Hörer, Wettbewerb durch 5/6 ör und private Konkurrenten, in einem ostdeutschen Flächenland mit dramatischen soziodemografischen Entwicklungen in der durch die Lizenz verpflichtenden Zielgruppe - das geht nicht mal im closed Shop UKW. Ging nicht mal, als die werbekonjunktur noch ohne Internet genossen werden konnte. Und geht jetzt schon gar nicht mehr.
    .
    Und um den Anspruch sollten sich die Kollegen von Jump mal ernsthaft bemühen, die sind auch auf UKW, haben einen Auftrag und kriegen ihr Geld mit der Post.
    .
    Also: Macht mal halblang! Wir reden über ENERGY Sachsen.

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