Bericht von der 209. Sitzung des MDR-Rundfunkrats; Tim Herden neuer Direktor in Sachsen-Anhalt

Guten Tag, heute tagt mal wieder der MDR-Rundfunkrat im Hochhaus in der Kantstraße in Leipzig. Wir sind vor Ort; im Moment läuft allerdings noch der nicht-öffentliche Teil der Sitzung, die Gäste stehen im Vorraum.

Die Tagesordnung ist hier einzusehen.

Tim Herden neuer Direktor in Sachsen-Anhalt

Foto von Tim Herden

Tim Herden; Foto: MDR/Daniela Höhn

Im nicht-öffentlichen Teil ist heute früh Tim Herden zum neuen Direktor des Landesfunkhaus Sachsen-Anhalt gewählt worden. Er hatte bereits vergangene Woche die Stimmen der Landesgruppe Sachsen-Anhalt erhalten; es ist - bislang zumindest - Usus im Rundfunkrat, dass der gesamte Rundfunkrat nicht gegen das Votum einer Landesgruppe entscheidet (vgl. FLURFUNK vom 7.11.2022: "MZ-Bericht: Tim Herden soll neuer MDR-Funkhausdirektor in Sachsen-Anhalt werden" - dort auch Informationen zu seinem Werdegang und Hintergrund).

In Top 3 ging es um eine "Mögliche Interessenkollision nach § 15 MDR-StV". Darüber hatten wir bei der vergangenen Sitzung schon berichtet. Konkret geht es um eine mögliche Interessenskollision einer Rundfunkrätin aus Thüringen, die mit einem TV-Produzenten verheiratet ist. Das war bei der Berufung bekannt, allerdings hatte Das Freie Wort später darüber berichtet, dass sie auch finanziell an der Firma beteiligt ist (hinter der Paywall zu lesen).

Jetzt sind wir Gäste gerade reingelassen worden; eine Auskunft, wie Top 3 entschieden wurde, gibt es gerade nicht.

Widerspruchsbescheid zur SBB-Klage

Und los geht die öffentliche Sitzung - dabei ist Top 9 offenkundig vorgezogen worden. Es geht um die Klage des SBB Beamtenbund und Tarifunion Sachsen e.V. zur Zusammensetzung des MDR-Rundfunkrat (vgl. FLURFUNK vom 28.9.2022: "Streit um Rundfunkrat: Beamtenbund verklagt MDR-Rundfunkrat").

Der Rundfunkratsvorsitzende Dietrich Bauer, der die Sitzung leitet, weist gerade den Vorwurf zurück, der Rundfunkrat sei untätig gewesen. Er hat davor kurz berichtet, dass der Rundfunkrat eine auf Verwaltungsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei eingebunden.

Der DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach und Heiko Hilker, ebenfalls auf einem der Plätze der Arbeitnehmer (für den DJV Sachsen), haben gerade den Saal verlassen, nachdem sie sich für befangen erklärt haben.

Jetzt referiert der Anwalt des Rundfunkrats. Aus seiner Sicht ist das Ansinnen des SBB nicht statthaft; er meint, die interne Entschheidung zur Besetzung des Rundfunkrat sei an sich kein Verwaltungsakt. Er argumentiert außerdem, dass die Protokollnotiz zum Staatsvertrag eine Soll-Bestimmung sei, weil in anderen Punkten der Gesetzgeber ganz konkret geworden sei.

Der Rundfunkrat beschließt mit 30 Ja-Stimmen, den Widerspruch des SBB mit Widerspruchsbescheid zu verwerfen.

Corona-Berichterstattung und Gleichstellungsbericht

Ausriss aus der Tagesordnung. Das Foto ist zur Tagesordnung verlinkt.

Jetzt folgt Top 10: die Corona-Berichterstattung des MDR. Dazu gab es schon mal einen Bericht im Gremium. Die Intendantin Karola Wille übernimmt und trägt jetzt vor. Damals wurde vom Rundfunkrat u.a. empfohlen, mehr Dialogformate und Transparenz zu etablieren und den Wissenschaftsjournalismus zu vertiefen. Ich gebe jetzt hier nicht im Detail wieder, was Frau Wille gerade vorträgt; sie verweist noch einmal auf die Public-Value-Konferenz vor einigen Wochen, wo genau zu diesem Thema auch diskutiert wurde.

Top 11, Bericht zur Gleichstellung: Die MDR-Gleichstellungsbeauftragte betritt den Raum, allerdings stellt die Intendantin den Bericht vor - das ist neu im Staatsvertrag so verankert. Den MDR-Bericht von 2018 ist hier zu lesen.

Mit als Gast ist auch der Vielfalts-Manager des Hauses.

Wille trägt nur kurz vor: Der Anteil der Frauen in den journalistischen Führungspositionen ist gestiegen - mittlerweile über 46 Prozent. Eine positive Entwicklung gibt es auch in den Korrespondentenbüros. In anderen Führungspositionen gibt es aber noch Entwicklungsbedarf.

Kein Gender-Sternchen im MDR-Programm

Die Gleichstellungsbeauftragte berichtet jetzt über die gemeinsamen Projekte: zum Beispiel die 50:50-Challenge. Die 50:50-Familie sei auf 29 Formate gewachsen, dort ist der Frauenanteil bereits gewachsen. Berücksichtigt werden aber auch Menschen mit Beeinträchtigungen und Migrationsgeschichte.

Zweiter Punkt der beiden: Es gibt eine AG Sprache, in der es auch um gendergerechte Sprache geht. Es gab eine Evaluierung. "Wir bemühen uns im MDR um eine Sprache, die präzise, verständlich und geschlechtergerecht ist", sagt die Gleichstellungsberechtigte. So sei entschieden worden, dass innerhalb des MDR kein Gendersternchen verwendet wird; es gibt allerdings wenige Ausnahmen (etwa, wenn über das Thema berichtet wird). Eine weitere Evaluation soll folgen.

Generell arbeiten die beiden darauf hin, dass die Sprache innerhalb des MDR auch die gesamte Vielfalt der Gesellschaft abbildet, dafür gibt es einen Leitfaden. Allerdings "ohne, dass es eine Sprachpolizei gibt", so der Vielfaltsbeauftragte.

Es gibt noch weitere Aktivitäten und Hinweise auf Veranstaltungen, die Berichterstattung hier ist also nicht vollständig.

Noch ein Punkt: Der MDR wird das Herbsttreffen der Medienfrauen 2023 ausrichten. Erwartet werden rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Eine Rundfunkrätin hat eine Nachfrage gestellt: Wie diskriminierungsfrei ist gendergerechte Sprache auch bei Menschen mit kognitiven Störungen? Diese Frage, so wünscht sie sich, sollte in einer der nächsten Sitzungen ausführlicher diskutiert werden.

Keine Quote beim MDR

Und noch eine Nachfrage: Wie sieht es beim MDR mit einer Quote aus? Denn außerhalb der journalistischen Führungspositionen ist der Frauenanteil doch sehr bescheiden innerhalb des MDR. Antwort: Die Teilnahme an der 50:50-Challenge ist freiwillig und es gibt dort auch keine Quoten-Erwartung. Aber es sei eine neue Dienstvereinbarung (?) in Arbeit.

Auch kommt der Hinweis von einem Rundfunkrat, dass die queere Community im Bericht und der Arbeit der beiden eine größere Rolle spielen könnte.

Wir kommen zu Top 12, Kooperationsbericht 2021: Das ist ein freiwilliger Bericht über die Kooperationen des MDR. Die Compliance-Beauftragte Frau Dr. Müller spricht zum Thema. Der Bericht ist Teil eines ganzen Paketes, in dem es darum geht, den MDR transparenter zu machen. Es gibt ihn seit 2006, seit 2014 jährlich.

Frau Müller erläutert: Es gibt eine Art Prüfkommission für Kooperationen, die der MDR eingeht. Sie berichtet, dass es bei der Prüfung durch den sächsischen Rechnungshof keinen Prüfbericht zu den Kooperationen gegeben habe - das sei ein Lob. Es gibt keine Nachfragen, der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

MDR Produzentenbericht

Wir kommen zu Top 13, es geht um den Produzentenbericht. Der wird jährlich erstellt. 2021 hat der MDR 2 Mio. Euro mehr ausgegeben für Produktionen.

85 Prozent der Aufträge gehen an unabhängige Produzenten, so Wille, und nur 15 Prozent an die eigenen MDR-Tochterunternehmen. 31,3 Prozent gehen an Produzenten aus dem Sendegebiet.

"Wir sind jetzt an einem entscheidenden Punkt", sagt Wille mit Blick auf den Transformationsprozess, den MDR mehr in Richtung Internet auszurichten. Auch ihr sei es ein Anliegen, ortsansässige Unternehmen zu stärken. Aber sie verweist auch darauf, dass allein die regionale Herkunft kein Auswahlkriterium für Produktionen sein könne.

Nachfrage und Anmerkung mehrerer Rundfunkräte aus der Politik: Offenbar gibt es unterschiedliche Kriterien beim MDR und MDM, was "regionale Produzenten" sind. Das Thema ist auch schon mal im sächsischen Landtag diskutiert worden, die Produzenten hätten sich sehr unzufrieden geäußert, berichtet Andreas Nowak, CDU-MdL in Sachsen.

Auch der Thüringer Staatssekretär Malte Krückels ist überhaupt nicht zufrieden mit den Zahlen, gerade für Thüringen und Sachsen-Anhalt, und bringt das gerade zum Ausdruck. Der MDR sei nun mal der größte Auftraggeber der Region. Ihm ist die Entwicklung "doch wesentlich zu langsam" und regt an, das Thema weiter mit konkreten Maßnahmen zu diskutieren, zum Beispiel im Haushaltsausschuss.

Dirk Panter (SPD-MdL Sachsen) sagt, es gäbe seitens der Geschäftsleitung ja ein erkennbares Bekenntnis. Aber offenbar gäbe es in der mittleren Entscheiderebene noch Nachholbedarf, was die Sensibilität für das Thema betrifft. Die Rundfunkräte regen auch an, sich mal die Zahlen anderer Anstalten anzuschauen.

Wille antwortet und pflichtet den Beiträgen bei und erwähnt, dass sich der Produzentenmarkt gerade gravierend verändert und man sich genau überlegen müsste, wie der regionale Markt erhalten werden könne. Man habe sich zum Beispiel den SWR angeschaut, der ebenfalls kein Medienzentrum wie Köln, Hamburg, Berlin und München vor Ort hätte. Auch der gebe rund 40 Prozent seines Volumens in der Region aus, wie der MDR. Wenn man sich die großen Medienstandorte anschauen würde, würde man sehen, dass da schon sehr früh viel Geld in die Förderungen von Medienunternehmen ausgegeben worden sei.

Ich weise nur mal zwischendurch darauf hin, dass ich hier zusammenfassend berichte, also nicht jede Wortmeldung und jeden Diskussionstrang wiedergebe.

Kostenpflichtige ARD-Plus-App

Jetzt geht es weiter mit Top 14, da geht es um die Bezahl-App ARD-Plus. Die Intendantin berichtet: Es gibt eine ARD Plus GmbH. Die hat folgendes Geschäftsmodell: Inhalte, deren Verweildauer abgelaufen ist, sollen trotzdem weiter zugänglich sein. Da das Angebot nicht über Rundfunkbeiträge finanziert wird, betreibt die GmbH in "marktkonformer Art" ein Abo-Modell.

Das Modell gab es auch schon früher, erklärt ein Rundfunkrat, etwa zum gleichen Preis bei Amazon Prime zu buchen. Das ZDF zum Beispiel hätte zwei Pay-Kanäle.

Ups, jetzt kommt ein Hinweis, dass eben ein Rundfunkrat gegangen ist und das Gremium damit nicht mehr beschlussfähig ist. Allerdings gibt es ja nichts mehr zu beschließen, sondern nur noch Berichte, deswegen gibt es jetzt eine Protokoll-Notiz und es geht weiter mit Top 5.

Bericht des Rundfunkratsvorsitzenden und der Intendantin

Der Vorsitzende des Gremiums hat soeben einen sehr knappen Bericht vorgetragen, die Zeit ist fortgeschritten, die Gremienmitglieder haben seinen langen Bericht auch schriftlich vorliegen.

Jetzt referiert Karola Wille, Top 6, Bericht der Intendantin. Sie spricht zunächst über die gerade gelaufene ARD-Themenwoche, bei dem der MDR sehr engagiert dabei war. Das war, so erzählt sie, voerst die letzte Themenwoche. Künftig soll es mehr Thementage geben.

Stichwort Krise beim RBB: Die Rundfunkkommission der Länder hatte die Intendantinnen und Intendanten der ÖRR eingeladen, um über mögliche Sofortmaßnahmen in Sachen Compliance zu berichten. Die sollen ARD-weit angepasst werden werden. Wille: Der MDR ist dabei sehr weit, "für uns erfreulich". Die Länder hätten signalisiert, dass sie auch über den Medienstaatsvertrag Regelungen in diesem Bereich schaffen wollen. Die Länder hätten klar die Erwartungshaltung kommuniziert, dass die ÖRR weiter an dem Thema arbeiten und Reformen einzuleiten.

Weitere Themen: der 3. Medienstaatsvertrag, der den Auftrag flexibilisiert, ist auf den Weg gebracht worden. Am 1.7.2023, so der Plan, sollte der Medienstaatsvertrag in allen Parlamenten verabschiedet sein. Der beinhaltet u.a. auch die Stärkung der Gremien, etwa im Bereich der Qualitätsstandards.

Die KEF hat die ÖRR aufgefordert, die nächste Anmeldung abzugeben - die Entscheidung der Rundfunkanstalten soll bis Ende April gefallen sein.

Karola Wille: keine dritte Amtszeit

Jetzt kommt's: Wille spricht jetzt über ihre eigene Zukunft im MDR.

"Vor wenigen Tagen hat das letzte Jahr meiner zweiten Amtsperiode als Intendantin begonnen", sagt sie. Sie hätte damals versprochen, ihre ganze Kraft in die Aufgabe zu stecken. "In diesen 11 Jahren hat sich unglaublich viel verändert."

Sie spricht über ihre Ziele damals und heute: Der MDR ist fest in Mitteldeutschland verankert. Er spielt deutschlandweit eine wesentlich größere Rolle. Sie habe es mit viel Kraftanstrengung geschafft, eine zweite ARD-weite Einrichtung nach Mitteldeutschland zu holen. Sie nennt noch weitere Punkte - ihre Stimme stockt zwischendurch.

Sie habe, so Wille, für sich entschieden, sich mit Ende ihres Vertrages im Oktober 2023 nicht erneut für sechs Jahre um die Aufgabe zu bewerben. "Sie können sich sicherlich vorstellen, dass das die schwierigste Entscheidung meines Berufslebens war", so Wille. Der MDR sei ihre berufliche Heimat gewesen.

Es gibt einen langen Applaus. Der Vorsitzende des MDR-Rundfunkrats hat sich gerade mit bewegenden Worten bedankt; nun spricht Birgit Diezel, Vorsitzende des MDR-Verwaltungsrats.

Sie berichtet unter anderem: Es wird ein Ausschreibungsverfahren für die Stelle geben.

Auch den Bericht aus dem Haushaltsausschuss gebe ich hier nicht mehr wieder, ich hatte die letzten 10 Minuten damit verbracht, die Wille-Meldung aufzuschreiben (hier im FLURFUNK nachzulesen).

Damit endet die Berichterstattung für heute. Wie immer gilt: Ich freue mich über Hinweise, sollte ich etwas falsch dargestellt oder berichtet haben. Korrekturen setze ich transparent und nachvollziehbar um.

Auf der Rückfahrt befasse ich mich dann mal mit der Überlegung: Mache ich wieder ein Intendanten-Wiki?

 

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