Die Kollegen von epd medien hatte die Tage schon berichtet (vgl. epd-medien.de vom 4.6.2025: "Otto-Brenner-Stiftung überarbeitet Studie zu Rundfunkgremien"):
Wir, also die Otto Brenner Stiftung und ich (Peter Stawowy), haben uns Zeit genommen, eine ganze Reihe von Fehlern in meiner Studie über die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu korrigieren.
Die zweite, korrigierte Fassung liegt jetzt vor und ist hier abrufbar: Zusammensetzung und Arbeitsweise der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgremien. Auf der Studien-Seite ist auch ein Nachweis der Korrekturen zu finden.
Zählfehler und Fragen der Interpretation
Dass nachgebessert werden muss, war nicht nur an der umfassenden und fundierten Kritik von Klaus Sondergeld, Vorsitzender des Rundfunkrats von Radio Bremen und in dieser Funktion auch Vorsitzender der ARD-Gremienkonferenz, deutlich geworden (vgl. FLURFUNK vom 9.3.2025: "DLF-Hörfunkrat widerspricht, ARD-GVK kritisiert: Reaktionen auf OBS-Gremien-Studie").
Tatsächlich sind mir in der ursprünglichen Auswertung einige (teils eklatante) Zählfehler unterlaufen, die so – gerade in Hinblick auf mögliche nachfolgende Untersuchung des Themas – nicht stehen bleiben konnten. Die Fehler sind mir – ehrlich – größtenteils ganz schön peinlich.
Grundsätzliche Ergebnisse ändern sich nicht
Danke an der Stelle an die Gremien-Büros (auch das der GVK!), die noch mal gründlich gegengelesen und Korrektur-Empfehlungen übermittelt haben. Und Danke auch an die Otto Brenner Stiftung, von deren Seite viel Kraft in die Korrekturen geflossen ist.
Aber, das sei hier auch gleich gesagt: Auch wenn sich die eine oder andere Prozentzahl geändert hat – an den grundsätzlichen Ergebnissen der Studie und den daraus abgeleiteten Empfehlungen hat sich nichts verändert.
Dafür habe ich aber noch eine neue Empfehlung, die ich aus dem ganzen Vorgang ableite und an Menschen, die sich künftig mit der Materie befassen wollen, weitergeben möchte: So eine große Datenmenge sollte man tunlichst nicht allein bearbeiten – schon gar nicht unter (selbstgemachtem) Zeitdruck und ohne doppelten Boden.
Debatte um Politik-Anteil
Ein Kritikpunkt von Klaus Sondergeld, der sich auch andere Personen aus Medienpolitik und Gremienwelt angeschlossen haben (vgl. FLURFUNK vom 3.4.2025: "‘Zutiefst unseriös‘: Weitere Reaktionen und Berichte über OBS-Studie"), ist die meiner Interpretation der Politiknähe.
Zur Erinnerung: Mit der "Stawowy-Zählung" (Zitat Benjamin Hoff, danke dafür!) hatte ich dokumentiert, dass es eine ganze Reihe von Mitgliedern in den einzelnen Gremien gibt, die auf eine langjährige Politik-Karriere zurückblicken bzw. eindeutig einzelnen Parteien zugeordnet werden können – die aber auf dem Ticket gesellschaftlicher Gruppen in die Gremien entsandt worden sind.
Wenn man das so zählt, wird die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene 1/3-Marke für Politik-Vertreter*innen in den Gremien tatsächlich nicht eingehalten.
Heftige Kritik an Zählweise
Es war zu erwarten, dass diese Sichtweise nicht allen Gremien-Mitgliedern gefällt. Benjamin Hoff hatte u.a. geschrieben:
"Das Kriterium des ‚anderen, öffentlich nachweisbaren Engagements für eine Partei‘ ist in seiner Unbestimmtheit willkürlich. Ist bereits die Teilnahme an einer Parteiveranstaltung, z.B. als für eine gesellschaftliche Gruppe geladene Expert:in, ein Beitrag auf Social Media oder das Teilen bzw. Likens eines Beitrags einer Partei oder einer Politiker:in nachweisbares Engagement".
Damit hat er einen Punkt – meine Definition hätte ich genauer erklären müssen. Um es mal so klar zu sagen: Nein, keiner der von ihm drei genannten Punkte ist von mir als ausreichender Beleg für eine Parteizugehörigkeit gewertet worden.
Was ich als Einschätzung allerdings nicht teile: Dass diese Zählweise "wenig hilfreiches Parteien-Bashing" (Hoff) oder sogar "zutiefst unseriös" sei, wie Gerda Hasselfeld (CSU, ehemalige Bundesministerin, im ZDF-Fernsehrat als Vertreterin der Freien Wohlfahrtsverbände) im ZDF-Fernsehrat bekundet hat.
Ich kann das als Meinungsäußerungen gut aushalten, teile es inhaltlich aber nicht.
Eine Parteimitgliedschaft darf kein Problem sein ...
Dabei ist mir nach wie vor an einer sachlichen und nüchternen Auseinandersetzung gelegen – nämlich über Sinn und Zweck und vor allem Wirkung der Gremien zu diskutieren. Auch, was den Einfluss der Politik einschließt. Entsprechend werte ich auch die inhaltlich tiefen und ausführlichen Beiträge von Sondergeld und Hoff.
Im übrigen erlaube ich mir den Hinweis: Hätte ich Parteien-Bashing betreiben wollen, hätte ich die Parteien konkret und mit Parteienkürzel ausgewertet. Darauf habe ich bewusst verzichtet – ich wollte die Debatte über das Grundsätzliche!
... stand auch in der ersten Fassung schon
Was bei der ganzen Aufregung offenbar etwas untergegangen ist (ist das jetzt auch ein Fehler, dass das so weit hinten in der Studie steht?): Schon in der ursprünglichen Fassung der Studie hatte ich geschrieben, dass die Parteimitgliedschaft an sich nichts Anrüchiges ist oder sein darf.
Zitat aus der Gremien-Studie, Seite 69 (Diskussion der Ergebnisse):
"Nun ist eine Parteimitgliedschaft an sich nichts Anrüchiges. Und es wäre auch sicherlich problematisch, wenn die alleinige Mitgliedschaft in einer Partei ein Ausschlussgrund für die Mitgliedschaft in einem Rundfunkrat wäre. Trotzdem darf die Frage gestellt werden, ob es im Sinne des Auftrags nicht zielführender wäre, die Zusammensetzung anders zu gestalten – wird das eigene Parteibuch doch sicherlich einen Effekt auf die Arbeit im Rat aufweisen."
Wer bestimmt bei der Deutschen Welle?
Ein schönes Beispiel, was damit gemeint ist, lieferte in den vergangenen Wochen die Intendanten-Wahl bei der Deutschen Welle. Medien spekulierten darüber, dass die Verschiebung des Wahltermins damit zusammenhänge, dass die scheidende Bundeskulturministerin ihrem Nachfolger ausreichend Einfluss auf die Wahl einräumen wollte. Die Belegschaft fürchtet schon, dass es eine "politische Besetzung" geben würde.
Gut, das ist ein Einzelbeispiel und am Ende erst einmal nur eine Medien-Spekulation. Und es mag für den einen oder anderen ungerecht wirken, das auch auf andere Gremien zu übertragen. Denn es gab in den vergangenen Jahren deutliche Bestrebungen, sich vom politischen Einfluss zu lösen. Die sind durchaus zu beobachten (was ich auch in der ursprünglichen Fassung der Studie bereits erwähnt hatte)!
Repräsentations-Theorie fehlt
Klaus Sondergeld hatte kritisiert, dass es methodisch besser gewesen wäre, zum Beispiel in Interviews das Selbstverständnis der Gremienmitglieder abzufragen. Auch das ist sicherlich ein konstruktiver Vorschlag – wir haben hier also noch eine Empfehlung für alle, die sich künftig im Rahmen einer Untersuchung mit den Gremien befassen wollen.
Und noch ein Punkt, bei dem ich Sondergeld zustimme: Er weist richtigerweise auf eine weitere sehr grundsätzliche Leerstelle bei der gesamten Thematik hin. Bislang fehlt von Seiten der Medienwissenschaft eine Theorie "gelingender Repräsentation der Beitragszahler:innen in den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks".
Er schreibt:
"Die Aufgabe wäre, mit Blick auf ein Gremium mit begrenzter Mitgliederzahl ein gerechtes Repräsentationsmodell der Gesamtbevölkerung eines jeweiligen Sendegebiets plausibel zu machen, in dem also tatsächlich die ‚Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen‘ (BVerfG 1961) mit Begründung ihrer Bedeutsamkeit in jeweils angemessener Repräsentanz vorkommen."
Fazit: Ich bleibe bei meiner Kritik
Wenn also auch meine "Stawowy-Zählung" deutliche Kritik und Widerrede erfahren hat – bei meiner konstruktiv gemeinten Kritik an der Gremienarbeit bleibe ich: Sie sollten deutlich transparenter und öffentlichkeitswirksamer ihren Auftrag der Programmaufsicht umsetzen.
Das beginnt bei dem Umgang mit den Befassungen mit dem Programm. Damit wäre aus meiner Sicht sehr leicht jeder Zweifel über mögliche Parteilichkeit(en) aus der Welt zu schaffen!
Mit oder ohne stellvertretende Mitglieder?
Abschließend noch der Hinweis: Einzelne Gremienbüros übten Kritik daran, dass ich in der Studie die stellvertretenden Mitglieder mitgezählt habe – die es nicht überall gibt, die aber an einzelnen Stellen die Zahlen nach oben treiben (und, so der Vorwurf, damit verzerren).
Das war im Rahmen der Auswertung tatsächlich ein langer Abwägungsprozess – mein Ziel war aber eine vollständige Abbildung der Mitglieder. Trotzdem: Wir haben in der Studie nun die Tabellen und Textstellen entsprechend gekennzeichnet.
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