Mehr Medienkompetenz in Mitteldeutschland: Lie Detectors suchen Mitstreiter

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Lie Detectors bringt Journalistinnen und Journalisten direkt in die Klassenzimmer – und stärkt damit die Medienkompetenz junger Menschen. In Mitteldeutschland finden schon heute rund 100 Workshops jährlich statt, vor allem in Leipzig und Halle.

Nun plant die Organisation den nächsten Schritt: eine Ausweitung nach Magdeburg und Dresden.

Dafür sucht sie auch noch Mitstreiterinnen und Mitstreiter vor Ort. Denn der Bedarf an Aufklärung über Desinformation und digitale Manipulation wächst stetig.

Ein Interview mit Anika Kreller, Leiterin des Deutschlandprogramms der Lie Detectors.

"Die Begegnung mit echten Journalistinnen und Journalisten hinterlässt oft einen bleibenden Eindruck"

FLURFUNK: Wer oder was sind die Lie Detectors?
Annika Kreller: Lie Detectors ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation. Seit 2017 bringen wir Journalistinnen und Journalisten an Schulen, um über Desinformation aufzuklären und zu vermitteln, wie professioneller Journalismus funktioniert. Wir wollen so die Medienkompetenz sowie das Vertrauen in den Journalismus stärken, sowohl bei den jungen Menschen als auch bei den Lehrkräften.

FLURFUNK: Was genau ist euer Angebot?
Kreller: Wir machen im Wesentlichen drei Sachen: Wir bieten kostenlose Workshops für Schulklassen an, in denen wir die Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5 zu Lie Detectors, also Lügendetektiven, ausbilden. Das heißt, unsere Journalistinnen und Journalisten geben ihnen Handwerkszeug weiter, mit dem sie selbst Falschnachrichten erkennen können. Außerdem bieten wir Fortbildungen für Lehrkräfte an, damit sie Medienkompetenz eigenständig im Unterricht vermitteln können. Und wir setzen uns auf politischer Ebene dafür ein, dass Medienkompetenz in alle Lehrpläne und in der Lehrkräfteausbildung verankert wird.

FLURFUNK: Wie läuft so ein Workshop ab?
Kreller: In einer Doppelstunde erklären unsere Journalistinnen und Journalisten, was Desinformation ist, wie sie funktioniert und vor allem, warum das die jungen Menschen interessieren sollte. Dann geben sie den Schülerinnen und Schülern Werkzeuge an die Hand, mit denen sie Falschnachrichten entlarven können. Und schließlich berichten sie vom journalistischen Alltag, von Highlights und Herausforderungen und nach welchen Regeln Qualitätsjournalismus funktioniert. Sie machen klar, was der Unterschied zwischen einem journalistischen Fehler und bewusst gestreuter Desinformation ist. Das alles passiert nicht frontal, sondern interaktiv, mit Übungen und viel Austausch. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten wirklich mit.

FLURFUNK: Wie finanziert ihr Euch?
Kreller:Lie Detectors wird von der Wyss Foundation finanziert, einer gemeinnützigen Stiftung, die von dem Schweizer Unternehmer Hansjörg Wyss gegründet wurde. Dazu kommen EU-Fördermittel für einzelne Projekte. Wir nehmen kein Geld von politischen Parteien oder großen Plattformen wie Facebook oder Google an. Diese Unabhängigkeit ist für unsere Arbeit absolut zentral.

FLURFUNK: Reicht es denn wirklich, nur mal eine Unterrichtseinheit zu machen, um die Kinder und Jugendlichen zu sensibilisieren?
Kreller: Das Feedback, das wir nach jedem Klassenbesuch einsammeln, zeigt: Ja, die Workshops bewirken etwas. Viele Schülerinnen und Schüler sagen uns, dass sie sich weniger hilflos fühlen angesichts der Informationsflut im Internet. Besonders die Begegnung mit echten Journalistinnen und Journalisten hinterlässt oft einen bleibenden Eindruck. Viele haben gar keine Vorstellung mehr, wie dieser Beruf eigentlich funktioniert. Aber natürlich ersetzt ein Workshop keine nachhaltige Medienbildung. Darum setzen wir uns auch dafür ein, dass Medienkompetenz in allen Lehrplänen und in der Lehrkräfteausbildung verankert wird. Zusätzlich bieten wir weiterführende Unterrichtsmaterialien an.

FLURFUNK: Wo seht ihr die größten Defizite bei Kindern und Jugendlichen?
Kreller: Viele Schülerinnen und Schüler sind überrascht, wie viele Falschinformationen es im Internet gibt und wie leicht es ist, diese zu erstellen und zu verbreiten. Wir beobachten auch eine immer größere Unsicherheit, welchen Informationen sie überhaupt noch vertrauen können. Manchmal kippt das in Gleichgültigkeit. Das ist gefährlich, denn je mehr Unsicherheit darüber besteht, was man noch glauben kann, desto mehr Vertrauen geht verloren – nicht nur in die Medien, sondern auch in demokratische Institutionen.

FLURFUNK: Begegnen euch auch menschen- und demokratiefeindliche Aussagen von Kindern und Jugendlichen? Wie geht ihr damit um, wenn jemand die Mainstream-Medien als Lügenpresse bezeichnet?
Kreller: Das kommt vor, aber eher selten. In unseren Workshops spielen politische Positionen keine Rolle. Wir sagen den jungen Menschen nie, was sie denken sollen, sondern dass sie nachdenken sollen. Die Stärke unseres Ansatzes liegt gerade darin, dass Journalistinnen und Journalisten selbst in die Klasse gehen und Rede und Antwort stehen. Die meisten Schülerinnen und Schüler reagieren sehr positiv darauf, weil es authentisch ist.

FLURFUNK: Hat sich durch das Aufkommen von KI die Medienwahrnehmung in den Klassenzimmern verändert?
Kreller: Ja, KI-generierte Inhalte verstärken die Unsicherheit, was man überhaupt noch glauben kann. Umso wichtiger ist es, die Medienkompetenz junger Menschen zu stärken. Und zu vermitteln, dass sie sich im Zweifel wenigstens bewusst gegen das Teilen und Liken entscheiden sollen, um nicht zur weiteren Verbreitung beizutragen.

FLURFUNK: Wenn es um das Thema Medienkompetenzvermittlung geht: Was ist Euer größter Wunsch?
Kreller: Unser größter Wunsch ist, dass Medienkompetenz als Kernkompetenz anerkannt und in allen Lehrplänen verankert wird, genauso selbstverständlich wie Lesen und Schreiben. Dazu gehört auch, dass Lehrkräfte flächendeckend darin ausgebildet werden und dass der Journalismus als wichtiger Partner in die Bildungsarbeit einbezogen wird. Um diesem Ziel näher zu kommen, bringen wir Erkenntnisse aus unserer praktischen Arbeit in Beratungs- und Entscheidungsprozesse in den Bereichen Bildung und digitale Rechte ein. Das ist die langfristige Perspektive. Kurzfristig wollen wir unser Angebot regional weiter ausbauen, insbesondere in Mitteldeutschland.

FLURFUNK: Gibt es schon konkrete Pläne, wie ihr Eure Präsenz in Mitteldeutschland ausbauen wollt?
Kreller: Wir sind hier derzeit vor allem in Leipzig und Halle aktiv. Als nächstes wollen wir verstärkt auch Klassenbesuche in Magdeburg und Dresden anbieten. Dafür brauchen wir vor Ort ein robustes Netzwerk an Journalistinnen und Journalisten, die Lust haben sich zu engagieren. Wir haben eine sehr gute Kooperation mit dem Mitteldeutschen Rundfunk, sind aber darüber hinaus noch auf der Suche nach Freiwilligen. Im April wird es eine ganztägige Schulung in Magdeburg geben, die Interessierte auf die Klassenbesuche vorbereitet. Wer journalistisch arbeitet und Lust hat, dabei zu sein, lade ich herzlich ein, sich bei mir zu melden!

FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview! 

Zur Person: Anika Kreller leitet das Deutschlandprogramm von Lie Detectors. Zuvor war sie Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am US-Generalkonsulat in Leipzig. Davor arbeitete sie als freie Journalistin für verschiedene überregionale Zeitungen und Magazine. Sie hat Amerikanistik, Politik und Journalistik an der Universität Leipzig studiert und ist Absolventin der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg.

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