Periscope, Meerkat, YouNow – sind Livestream-Apps der nächste große Trend?

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In vergangenen Tagen/Wochen sind zwei neue Smartphone-Apps auf den Markt gekommen, die uns hier ganz schön beschäftigen und die die Social-Media-Welt, möglicherweise aber auch die lokale Medienlandschaft erheblich verändern könnten: Meerkat und Periscope. Beide ermöglichen den unmittelbaren Video-Livestream mit einem Klick.

Die Betonung liegt auf unmittelbar: Die Hürde, live ins Netz zu senden, ist mit den Apps noch einmal erheblich gesunken - nicht nur, weil die Livestreams nun auch ohne W-Lan problemlos möglich sind.

Persicope und Meerkat ähneln im Grunde dem Angebot von YouNow, das schon etwas länger existiert und deswegen hier ebenfalls kurz mit vorgestellt werden soll.

YouNow: live aus dem Kinderzimmer

Kinder, Kinder... YouNow beim Start. Kurze Zeit später startet schon der erste Livestream aus einem Jugendzimmer.

Kinder, Kinder... Bei YouNow startet der Livestream.

YouNow hat schon den Ruf weg, eher von Teenies genutzt zu werden. Ein Eindruck, der sich bei der ersten Benutzung durchaus bestätigt. Man ist ein wenig an viele Youtube-Kanäle erinnert – Jugendliche sitzen in ihrem Kinder-/Jugendzimmer und schwadronieren über ihre Musik und ihr tägliches Leben. Die dominierenden Hashtags #deutsch-girl und #deutsch-boy machen klar, worum es geht.

Die Verweildauer dürfte bei Erstbesuchern entsprechend kurz ausfallen: Fasziniert sitzt man davor und starrt auf den Bildschirm und wundert sich, was es für Leute gibt, die ihre Kinder da alleine... – bevor man weiterspringt auf der Suche nach einer Person, die etwas zu sagen hat (okay, ein paar Erwachsene sind auch da).

Die Interaktion erfolgt über die Kommentare, die die Nutzer ins Video schreiben (und die alle anderen Nutzer lesen können) – es sei denn (und auch das beobachtet man öfter), die Sendenden haben noch ein zweites Gerät dabei, mit dem sie selbst andere YouNow-Streams verfolgen und im eigenen Stream kommentieren. Beliebteste Tätigkeit bei YouNow: "Gefällt mir" und Fans sammeln.

YouNow gibt es als App, man kann es aber auch - als einziges der drei Angebote - auf dem stationären Rechner nutzen: http://www.younow.com.

Die beiden noch ziemlich frischen Apps Periscope und Meerkat haben dagegen aus unserer Sicht viel größeres Potential, die Medienwelt nachhaltig zu verändern.

Meerkat: mitten in die Twitter-Timeline

Huch, wem bin ich denn da gefolgt? Screenshot von Meerkat.

Huch, wem bin ich denn da gefolgt? Screenshot von Meerkat.

Die aus unserer Sicht große Stärke des etwas früher gestarteten Meerkat ist die enge Verknüpfung mit Twitter (von manchem auch als großer Nachteil empfunden). Schon auf dem Stream-Button ist das Twitter-Symbol zu sehen - sobald man ihn drückt, geht ein Tweet raus mit dem Hinweis, dass man nun live ist. Auch die Kommentare, die man in den Stream schreibt bzw. bekommt, sind Twitter-Tweets... Vielkommentierer ballern also gleich mal die eigene Timeline zu. Langfristig könnte genau das zum Nachteil gereichen - andererseits aber für Reichweite sorgen.

Schaut man dann in so einen getwitterten Livestream rein, kommt die aus unserer Sicht erste große Schwäche zum Ausdruck: Meistens ist man zu spät dran, der Stream gerade vorbei. Oder man steigt mittendrin ein. Es gibt bislang keine Möglichkeit, ältere Meerkat-Streams erneut zu sehen. Auch "zurückspulen" geht nicht - Pech gehabt.

Ebenfalls irritierend: Meerkat ist im Browser am stationären Rechner nicht zu nutzen, sondern ausschließlich mobil. Eine konsequente Ausrichtung auf die Zukunft, die offenbar im wesentlich mobil sein soll...

Hier geht es zur Seite des Angebots: meerkatapp.co.

Periscope: folgen und verfolgt werden

HSV-Niveau - beim redaktionsinternen Fußballquiz (Screenshot) versagte die "11 Freunde"-Redaktion.

"HSV-Niveau": Beim spaßigen Fußballquiz bei Periscope versagte die "11 Freunde"-Redaktion.

Während sich Meerkat ganz stark an Twitter ranwamst, agiert Periscope dagegen ziemlich autonom. Auch hier braucht man zwar einen Twitter-Account, um sich anzumelden. Eine weitere Verbindung aber gibt es nicht. Die Ironie dahinter: Periscope ist ein Angebot von Twitter!

Offenbar setzt man dort darauf, dass sich Periscope wie ein eigenes soziales Netzwerk etabliert. Neue Live-Streams entdeckt man in der App. Wobei es besser ist, die Push-Nachrichten zuzulassen, die einen über neuen Streams der Verfolgten informieren. So verpasst man dann auch nicht die Hashtag-Konferenz bei Jan Böhmermann (die zeitgleich bei Meerkat zu sehen war) oder das Fußball-Rätsel in der "11 Freunde"-Redaktion (man, die wussten gar nichts!).

Anders als bei Meerkat sind die Streams bei Periscope nach Abschluss noch eine Weile in der App zu sehen - wenn die Info stimmt, bleiben sie 24 Stunden erhalten. Das Teilen des Streams in andere soziale Netzwerke wie Facebook, was ziemlich reizvoll wäre, ist allerdings nicht möglich. Auch nicht in Richtung Twitter (wie es Meerkat macht).

Inhaltlich dominieren im Moment die Wetter-Streams ("Hagel in Pusemuckel", "Schneeregen in Berlin") – die meisten Nutzer experimentieren also scheinbar noch. Ein erstes Medienhype-Beispiel (man denke an das notgewasserte Flugzeug auf dem Hudson-River) gibt es aber auch schon: Bei einem Brand in New York waren gleich mehrere Periscope-Nutzer "live" vor Ort und haben draufgehalten (vgl. den Morgenmagazin-Bericht vom 2.4.2015 von Richard Gutjahr über die Apps - hier in der ZDF-Mediathek zu sehen).

Hier finden Sie Periscope: periscope.tv.

Kommt der spekulierte Hype?

In Zukunft gibt es mit Persicope also möglicherweise ein weiteres soziales Netzwerk, dass zu beobachten durchaus lohnen könnte - immerhin kann es jederzeit passieren, dass ein Nutzer bei einem spannenden Ereignis dabei ist.

Bei der Bürgerkonferenz Dresden haben wir beispielsweise zeitweise das Podium zum Thema Lügenpresse gestreamt und einiges an Reaktionen bekommen, außerdem hatten wir den klassischen Aufsager getestet (hüstel, das bedarf wohl noch einiger Übung...). Unsere Zuschauerzahl bewegte sich dabei im niedrigen zweistelligen Bereich – naja. Für den längeren Livestream eines Podiums wären aber ein W-Lan-Zugang, ein Stromkabel und vor allem ein Stativ nötig. Das wäre für Veranstalter aber durchaus eine Überlegung wert.

Was alle Angebote mit sich bringen: Es bedarf dringend einer breiten Streuung von Medienkompetenz, in die Kinderzimmer, aber auch an die Empfangsgeräte generell – nicht, dass man nur aufgrund einer reißerischen Ankündigung folgt und plötzlich eine Hinrichtung sieht... Es ist auch gerade bei Unglücken damit zu rechnen, dass manch Broadcaster einfach draufhält, ohne zu überlegen.

Was machen eigentlich die Fußballverbände, wenn 1.000 Nutzer gleichzeitig streamen? Und sind die Datenschützer schon alarmiert? Man sollte als sendende Person in jedem Fall aufpassen, dass man nicht verklagt wird, weil man das Versteck von Geiseln verraten hat - aber sowas passiert ja sogar klassischen Medien!

Überhaupt, klassische Medien: Twitter unterscheidet sich in den Nutzungszahlen deutlich von Facebook. Twitter ist trotzdem ein extrem spannender Kanal für Journalisten, zum Beispiel zur Generierung von Themen. Vieles spricht dafür, dass sich Periscope ähnlich entwickeln könnte – die ersten heimischen Kollegen haben wir schon bei Persicope und Meerkat entdeckt.

Aus unserer Sicht bestärkt die aktuelle Entwicklung übrigens die Notwendigkeit, dass es weiterhin klassische Medien mit ausgebildeten (!) Journalisten gibt: Mit dem weiteren Echtzeit-Kanal bedarf es umso dringender seriöse und glaubwürdige Quellen, die das Erfasste im Zweifel einordnen können.

Hier noch einige weitere Berichte und Beiträge zum Thema:

Richard Gutjahr hat ebenfalls über die Apps gebloggt: "Twitters Periscope ist ein Mega-Hit".

Bei den Netzpiloten findet sich eine sehr gute Übersicht zur Diskussion, wie sich die gesellschaftliche Kommunikation verändern könnte: "Livestreaming: Journalismus und Kampagnen in Echtzeit".

Bei netzpolitik.org findet sich eine kurze, aber kritische Betrachtung des Themas: "Noch mehr Echtzeit: Periscope, Meerkat & Co.".

2 Kommentare
  • Muyserin
    April 4, 2015

    Erwähnens- und lesenswert in diesem Zusammenhang auch das (ungewöhnlich drastisch formulierte) Editorial der c't, das die Eltern in der Verantwortung sieht, auf neue Dienste wie YouNow zu reagieren, um ihre Kinder zu schützen – ohne ihnen den Umgang mit und das Ausprobieren sozialer Medien zu verbieten: http://www.heise.de/ct/editorial/

    PS: In Ihrer URL und Überschrift hat sich ein Buchstabendreher eingeschlichen: „Persicope“.

  • owy
    April 4, 2015

    Danke für den Kommentar! Die Überschrift habe ich korrigiert, die URL bleibt jetzt so (ist halt schon raus).

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