Tag24 sitzt mit vielen anderen Online-Portalen Fake News auf

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Screenshot von Tag24

Am 15.4.2017 erschien auf Tag24.de folgende Schlagzeile:

"Krass! Eheleute erfahren, dass sie Zwillinge sind"

Als Quelle verweist das Online-Portal auf diesen Artikel des Mississippi Herald.

Das Problem: Der Missisippi Herald zählt nicht gerade zu den Traditionsmedien in den Vereinigten Staaten. Ein Impressum gibt es nicht. Auf der gesamten Website finden sich nur Meldungen, die auf den 10. oder 11.4.2017 datiert sind. Darunter die topaktuelle Nachricht vom 10.4.2017, dass der amtierende US-Präsident Barack Obama Gefangene begnadigen würde. Immer auf der Höhe der Zeit, die Kollegen!

Das US-Portal Buzzfeed hat aufgedeckt, dass der Mississippi Herald zu einer Reihe von Fake News-Seiten gehört, die gezielt falsche Informationen ins Netz setzen (vgl. Buzzfeed vom 17.4.2017). Weltweit griffen Medien die Meldung auf und verbreiteten sie. Alle nannten die gleiche Quelle – den fadenscheinigen Mississippi Herald.

Neben Tag24 berichteten auch andere deutsche Medien über den Fall, so zum Beispiel die Huffington Post. Auch bei Spiegel Online und Focus Online war die Geschichte zu lesen. Mittlerweile veröffentlichten jedoch beide Portale eine Richtigstellung samt Entschuldigung.

Beim Spiegel heißt es:

"Unter Berufung auf die Nachrichtenseite "Mississippi Herald" hatte SPIEGEL ONLINE am Sonntag berichtet, ein Ehepaar habe durch Zufall bei einer medizinischen Behandlung erfahren, dass es ein Zwillingspaar ist. Dabei haben wir uns nur auf ebendiese eine Quelle berufen und sie nicht gründlich genug überprüft. In der Zwischenzeit haben sich erhebliche Zweifel an der Nachrichtenseite ergeben. Die Geschichte über das Zwillingspaar ist möglicherweise erfunden. Wir möchten uns für den Fehler entschuldigen."

Der Focus macht direkt ein Lehrstück über die Verbreitung von Fake News daraus und schreibt:

"Der „Mississippi Herald“ ist das einzige lokale Medium, das über die spektakuläre Zwillings-Geschichte berichtet. […] Medien beziehen sich in ihrer täglichen Arbeit immer wieder auf Exklusivveröffentlichungen von Mitbewerbern mit anonymen Quellen – solange besagte Mitbewerber bekannt sind und als seriös gelten. Beim „Mississippi Herald“ ist das ganz offensichtlich nicht der Fall."

Mit anderen Worten: Medien missachten mit dem Zwei-Quellen-Prinzip immer wieder ein Grundprinzip des Journalismus. Zu welchen Problemen das gerade in Zeiten von Fake News führen kann, zeigt dieser Fall eindrucksvoll.

Nachtrag: Mittlerweile haben auch die Huffington Post und Tag24 reagiert und die Artikel aus dem Netz genommen. Die Huffington Post mit einer Entschuldigung, Tag24 kommentarlos. Hier ist der Artikel schlicht nicht mehr erreichbar.

Benjamin Kutz

1 Kommentar
  • Jonas
    August 25, 2018

    So etwas sollte im Netz bleiben als Mahnmal der Schande. Sonst denkt man glatt, Medien sind fehlerfrei. Auch das Ändern von Artikeln empfinde ich wie die Fälschung eines Zeitdokuments. Wissenschaftler kommen wegen sowas an den Pranger. Bei Journalisten, immerhin auch zur Wahrhaftigkeit verpflichtet, geht das durch.

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