Demokratie braucht Journalismus: Nachwuchs fordert Wandel

Zum Abschluss gab es ein Panel mit allen Forderungen. Die sogenannten „Notetaker“ dokumentierten alle Ergebnisse aus den Impulsbeitragen und den Deep-Dive-Sessions. Sie stellten auch die auch die Forderungen vor. Foto: Jochen Enderlin/ARD

Auf der Hamburger Woche der Pressefreiheit diskutierten über 150 junge Medienschaffende bei der zweitägigen Konferenz Beyond News, wie der Journalismus demokratiestark, transparent und innovativ bleibt. Ich war für FLURFUNK dabei. Das Ergebnispapier stellt sieben Forderungen an Branche, Politik und Tech-Konzerne.

Ein Beitrag von Dr. Christopher Brinkmann

In Zeiten von Desinformation, Vertrauensverlust und Technologiewandel steht die „vierte Gewalt“ unter Druck. Für die Zukunft des Journalismus braucht es daher neue Ansätze, Transparenz und Innovationskraft.

Die Zukunft des Journalismus

Wie das gelingen kann, diskutierten im Rahmen des ARD-Jubiläums mehr als 150 junge Journalistinnen und Journalisten aus ganz Deutschland bei Beyond News.

Die Konferenz für den Mediennachwuchs fand am 7. und 8. November in der Bucerius Law School in Hamburg statt. Eingeladen hatte die ARD in Kooperation mit Partnern wie Publix Berlin, der Zeit Stiftung Bucerius und der Zeit Verlagsgruppe.

„Die Weichen für die Zukunft des Journalismus werden heute gestellt“, sagt Maria Exner, Intendantin von Publix und Moderatorin von Beyond News.

Das sieht auch der ARD-Vorsitzende und Initiator der Konferenz Florian Hager so:

„Wir als ARD sind nur ein Teil des Systems und hier geht es um die Zukunft des gesamten Mediensystems. Lösungen können wir nur gemeinsam finden – mit denen, die den Journalismus auch in Zukunft machen."

Mehr Themenvielfalt und faire Bezahlung

Auf der Konferenz hatten die jungen Medienschaffenden klare Vorstellungen von der Zukunft des Journalismus. Sie richten sich damit an die Führungsebene in ihren Medienhäusern und Verlagen. Aber auch Medienpolitik, Plattformbetreiber und Ausbildungsstätten sind angesprochen.

„Junge Journalisten und Journalistinnen wollen gemeinwohlorientiert arbeiten, in divers besetzten Redaktionsteams und im regelmäßigen Kontakt mit ihren Zielgruppen. Fair bezahlt und von der Politik in ihrem Dienst an der Demokratie unterstützt“, fasst Moderatorin Maria Exner zusammen.

Sieben Forderungen

Beyond News setzte auf sieben Themenschwerpunkte, zu denen Expertinnen und Experten Impulse gaben. Zum Abschluss entwickelten die Teilnehmenden in Deep-Dive-Sessions konkrete Forderungen. Diese dokumentieren wir hier:


1. Gesellschaftliches Vertrauen

Forderung: Substanziell in vertrauensbildende Inhalte investieren, offen Fehler eingestehen und regelmäßig in Austausch mit Menschen gehen – insbesondere mit denen, die dem Journalismus misstrauen.

Menschen wollen Teilhabe und Nachvollziehbarkeit. Fehlende Transparenz und schwache Fehlerkultur haben Vertrauen gekostet. Redaktionen müssen Begegnungsformate ermöglichen, Einblicke in den Alltag geben, Fehler kommunizieren und Community-Vorschläge einbeziehen.

Adressat: Chefredaktionen und Geschäftsführungen


2. Nachwuchsförderung & Vielfalt

Forderung: Transparente Einstellungsverfahren und faire Bezahlung, damit der Einstieg leichter möglich wird und Vielfalt wächst.

Vielen ist ein Arbeitsplatz im Journalismus kaum zugänglich. Fehlende Transparenz und schlechte Bezahlung in Praktika und Volontariaten führen dazu, dass oft nur Menschen mit finanzieller Absicherung einsteigen können. Perspektiven wie die von Arbeiterkindern oder Menschen mit Einwanderungsgeschichte fehlen.

Adressat: Verlagshäuser, Medienpolitik, Medienschaffende


3. Journalismus auf Social Media

Forderung: Plattformregulierung durchsetzen und in offene, vernetzte Infrastrukturen investieren, statt eigene geschlossene Plattformen aufzubauen. Entscheider*innen müssen erkennen, dass Online-Debatten keine Mehrheitsmeinung abbilden.

Soziale Medien prägen öffentliche Debatten, bilden aber nicht die Gesamtheit der Gesellschaft ab. Redaktionen brauchen spezialisierte Teams, die Plattformlogiken verstehen. Gleichzeitig braucht es konsequente Regulierung und offene Systeme, die Qualitätsjournalismus stärken.

Adressat: Intendant*innen, Verleger*innen, Chefredaktionen, Politik


4. Junge Zielgruppe

Forderung: Mehr journalistische Angebote für Menschen unter 25 und diese Zielgruppe aktiv einbeziehen.

Wenn junge Menschen fehlen, verliert Journalismus langfristig Wirksamkeit und Legitimation. Inhalte sollten gemeinsam mit jungen Menschen entwickelt und auf den Plattformen verbreitet werden, die sie nutzen.

Adressat: Finanzielle und inhaltliche Entscheider*innen


5. Finanzierung von Journalismus

Forderung: Einführung einer zweckgebundenen Digitalsteuer für große Tech-Konzerne und Anerkennung von Journalismus als gemeinnützig.

Journalismus erfüllt eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Digitalkonzerne sollen über eine Digitalsteuer zur Finanzierung beitragen. Mittel sollen Journalist*innen, Medienhäusern – insbesondere im Lokalen – und Medienkompetenzprojekten zugutekommen.

Adressat: Medienpolitik


6. Persönliche Sichtbarkeit

Forderung: Klare Strategie für Social-Media-Auftritte von Journalist*innen, Schutzkonzepte bei Hass im Netz und Förderung eigener Talente statt externer Creator*innen.

Wer sichtbar ist, braucht Schutz. Besonders Frauen und Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind stärker von Hass betroffen. Redaktionen benötigen klare Leitlinien, Ansprechpersonen und eine Anerkennung von Social Media als gleichwertiger journalistischer Arbeit.

Adressat: Medienhäuser, Personalentscheider*innen, Ausbildungseinrichtungen


7. Künstliche Intelligenz

Forderung: Branchenstandards für KI-Einsatz und Kennzeichnung menschlich erstellter Inhalte durch Big Tech.

Einheitliche KI-Standards schaffen Transparenz und Vertrauen. Schulungen müssen verpflichtend werden. Die Kennzeichnung nicht künstlich generierter Inhalte ist notwendig, um journalistische Arbeit sichtbar abzugrenzen.

Adressat: Medienhäuser, Medienschaffende, Rundfunkkommission, Big Tech


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