Live-Ticker: Sturm auf Sturmhorst Sturmhart

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Vor wenigen Tagen kam in Dresden ein kleiner Junge zur Welt. Seine Eltern hatten die – zugegeben etwas seltsame – Eingebung, den Kleinen mit dem Namen "Sturmhorst Siegbald Torsten" zu versehen. So stand es zumindest auf der Internetseite des Krankenhauses, in dem der Kleine das Licht der Welt erblickt hat.

Denn wie viele andere auch hatten seine Eltern zugestimmt, dass sein Foto samt Namen und Geburtsdatum auf der Internetseite des Krankenhauses veröffentlich wird. Sie hatten ja keine Ahnung, wie (Medien-)Deutschland heutzutage tickt.

Wir von Flurfunk Dresden haben uns kurzerhand dazu entschlossen, zu diesem Mega-Ereignis einen Live-Ticker einzurichten.

Hinweis: Der Ticker wird schrittweise auch rückwirkend ergänzt. 

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21:04 Uhr: Einer, einer geht noch rein: Die Meldung der berliner-zeitung.de hier soll hier zumindest mit einem Screenshot noch Erwähnung finden. Titel: "Shitstorm um Neugeborenes in Dresden".

Screenshot von berliner-zeitung.de.

Screenshot von berliner-zeitung.de.

Man muss sich das mal bewusst machen: Da schreibt jemand ohne Skrupel über einen "Shitstorm über ein Neugeborenes", weidet genüßlich die Meldungen und Tweets im Netz aus, um dann über das Kind zu urteilen: "Seinen Ruf hat er dennoch weg." (Da hilft es auch nicht, wenn der Schreibfehler am Ende des Beitrages aufgelöst wird.)

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18:57 Uhr: Zum Abschluss des Tages hier noch das passende Meme: http://imgur.com/Qkw72LN

Bildschirmfoto 2015-06-16 um 19.10.25

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18:45 Uhr: Nach und nach revidieren die verschiedenen Medien ihre Berichterstattung. Focus-Online zum Beispiel titelt inzwischen: "Verwirrung um Babynamen: Aus Sturmhorst wird Sturmhart". Dort ist das Foto inzwischen auch verpixelt.

Auch die diversen Blogs haben ihre Berichterstattung inzwischen entsprechend ergänzt bzw. verändert.

Es bleibt die Frage: Mit wie viel Anstand ist diese Medien- und Bloggermeute eigentlich unterwegs? Wo ist das Hirn, wenn man einfach mal ein Kinderfoto (!) von einer Krankenhaus-Seite nimmt und ungepixelt verbreitet? Was treibt einen Journalisten über ein zwei Wochen altes Baby zu schreiben: "... hätte er gute Chancen auf ein normales Leben gehabt. Aber dann kam Alles anders"?

Wir halten mal fest: Man kann nicht von einem kollektiven Medienversagen sprechen – dafür haben sich doch zu viele Medien zurückgehalten und erst auf die Bestätigung (bzw. Richtigstellung) gewartet. Der Schaden aber für die Branche – der bleibt.

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18:38 Uhr: Es ist ja schon ein wenig gruselig - jemand hat die Domain sturmhorst.de direkt auf diesen Ticker umgeleitet. Das waren wir aber nicht!

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18:18 Uhr: Das wollen wir zwar noch nicht so recht glauben, aber...

Bildschirmfoto 2015-06-16 um 18.17.49

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18:06 Uhr:

Bildschirmfoto 2015-06-16 um 18.08.41

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Screenshot von bild.de.

Screenshot von bild.de.

17:00 Uhr: Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt noch einer mit nem Weiterdreh daher! "Bild Dresden" berichtet nun auch endlich über den Vorgang. Titel: "Riesen-Wirbel um Baby 'Sturmhorst'". Zitat:

"Nachdem ein Aufschrei durch die sozialen Netzwerke ging, wurde 'Sturmhorst' am Dienstag zum Politikum. User griffen die Eltern verbal an. (...) Zur Erklärung: Kürzt man die beiden ersten Namen von 'Sturmhorst (oder Sturmhart) Siegbald Torsten' ab, bleibt SS-Torsten übrig. Torsten heißt nach BILD-Informationen auch der Vater des heiß diskutierten Neugeborenen."

Ähm, bitte? Wir interpretieren mal: Wahlweise gibt es einen konkreten Vorfall (im Internet? Vor der Haustür der Eltern?). Und bei "Bild" kennt man die Hintergründe, warum die Pressemitteilung des Krankenhauses ausdrücklich darauf eingeht, dass den Eltern "jegliches rechtsextremes Gedankengut fern liegt". Alternativ hat man ein paar FB-Kommentare mit dem "Rechtsextremismus"-O-Ton der Pressemitteilung vermischt und einen eigenen Dreh daraus gemacht. Entscheiden Sie ruhig selbst – die "Bild"-Meldung hilft dabei allerdings nicht weiter!

P.S.: Kommt Ihnen das Fotomotiv von bild.de (Screenshot) bekannt vor? Schauen Sie mal weiter unten im Ticker, wo Sie das Motiv zuerst gesehen haben...

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16:48 Uhr: Wir unterbrechen vorrübergehend unsere Live-Berichterstattung - müssen erstmal unsere eigenen Sturmharts abholen!

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16:22 Uhr: Pressemitteilung der Stadt Dresden:

"Das am 06. Juni 2015 im Diakonissenkrankenhaus Dresden geborene Kind wurde vom Standesamt Dresden nicht mit den Vornamen Sturmhorst Siegbald Torsten beurkundet. Diese Vornamensgebung entsprach auch nicht dem Wunsch der Eltern. Es handelt sich um einen Schreibfehler im Vornamen Sturmhorst, welcher in die Babygalerie des Krankenhauses aufgenommen wurde und der Öffentlichkeit zugänglich ist."

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16:14 Uhr: #Sturmhorst rangiert mittlerweile in den Twittertrends auf Platz 14.

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15:45 Uhr: Gerüchten zu Folge stand bereits ein Reporter-Team eines großen Boulevard-Mediums vor der Tür der Eltern. Belege dafür aber fehlen.

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15:38 Uhr: Mopo24 meldet Sturmhart. Zuvor schon hatte man die Meldung weitergedreht: zunächst mit dem Hinweis, dass der Name zum Internet-Hit wird, dann mit der Mitteilung des Krankenhauses, dass es sich um einen Fehler handelt.

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15.10 Uhr: Die "Dresdner Neueste Nachrichten" melden: "Aufregung um angeblichen Baby-Namen „Sturmhorst“: Krankenhaus entschuldigt sich für Fehler".

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15 Uhr: BlickamAbend.ch korrigiert sich und meldet, dass der Name ein Fehler war. Der richtige Name taucht aber noch nicht in der Meldung auf.

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14:37 Uhr: Sturmhorst hat jetzt auch einen eigenen Twitter-Account: @sturmhorst. In der Bio steht: "Das ist nicht witzig".

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14:26 Uhr: Focus-Online berichtet. Allerdings noch die Original-Meldung - dass es sich um eine Falschmeldung handelt, wird in dem Text nicht erwähnt. Titel: "Kein Witz: Dresdner Eltern nennen ihr Kind Sturmhorst".

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14.05 Uhr: Huffington Post berichtet ebenfalls die Original-Meldung: "Das ist der schlimmste Babyname aller Zeiten". Verpix... ach, wir fragen gar nicht mehr.

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Bildschirmfoto 2015-06-16 um 16.31.2713:36 Uhr: Radio Dresden stellt klar, dass es sich offenbar um einen Fehler handelt. Titel: "Babyname "Sturmhorst" sorgt für Wirbel".

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12.40 Uhr: Pressemitteilung des Krankenhauses per Mail an Medienvertreter:

"Bei der Weitergabe des Namens ist leider ein Fehler unterlaufen. Der in den Medien kommunizierte Name ist falsch und wurde von den Eltern nie vorgesehen. Der Vorstand der Diakonissenanstalt Dresden bittet die Eltern für diesen Fehler, vor allem wegen der daraus resultierenden negativen Berichterstattung, in aller Form um Entschuldigung."

Und weiter:

"Den Eltern ist es wichtig zu betonen, dass Ihnen jegliches rechtextremes Gedankengut fernliegt. In Anbetracht der negativen Berichterstattung – zum Teil mit Veröffentlichung des Fotos des Babys – bitten wir Sie, den Fehler zugunsten der Eltern richtigzustellen."

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12 Uhr: Nun werden langsam auch vermeintlich seriöse Medien auf den Internethype aufmerksam. SZ-Online, der Online-Ableger der "Sächsischen Zeitung", berichtet darüber, dass einschlägige Blogs berichten (naja, also was man heute so berichten nennt). Der Autor hat auch die Recherche-Leistung von Mopo24 gefunden und übernimmt sie mit Verweis auf die RechercheGoogle-Profis. Positiv: Das Kinderfoto wird erstmals wirklich unkenntlich gemacht, verpixelt. Titel der Meldung bei SZ-Online: "Darf der kleine Sturmhorst Sturmhorst heißen?"

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11.06 Uhr: Boulevard-Medien sind immer für eine Klick-Hascherei zu haben. BlickamAbend.ch (Schweiz) berichtet unter dem Titel: "Ja, er heisst wirklich so! Willkommen auf der Welt, kleiner «Sturmhorst»". Verpixelung? Kennt man das in der Schweiz?

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Screenshot von mopo24.de - Verpixelung nachträglich eingefügt.

Screenshot von mopo24.de - Verpixelung nachträglich eingefügt.

10.10 Uhr: Mopo24 berichtet über die seltsamen Namen. "Geboren wurde der Neu-Dresdner am 06.06.2015 um 9:25 Uhr. Mit einer Größe von 47 Zentimetern und einem Gewicht von 2660 Gramm hätte er gute Chancen auf ein normales Leben gehabt. Aber dann kam Alles anders." Der Ausriss von der Krankenhausseite wird verwendet, der Balken über den Augen des Kindes soll wohl eine Unkenntlichmachung sein.

Zum Glück kann man bei Mopo24 "recherchieren" (oder das, was man für sowas hält):

"Ein Name, den wir nach längerer Recherche nur in der Welt der Elfen gefunden haben. Dort ist Sturmhorst der Name eines Flaggschiffes der Adlerschiffe, die gegen Valloncour segelte, um Prinzessin Gishild zu befreien."

Und weiter:
"Vermutlich wird auch dem jungen Sturmhorst stets ein kräftiger Wind ins Gesicht blasen. Anfangen wird es in der ersten Klasse. "Sturmhorst, sprich mir nach: A, B,..." lautes Gelächter in der Klasse. Oder beim ersten Date: 'Küss mich, Sturmhorst'." Titel der ursprünglichen Meldung: "Geht's noch? Dresdner nennen ihr Baby 'Sturmhorst'".

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9.05 Uhr: Auch die Blogrebellen lassen sich das Thema das Foto nicht entgehen. Titel der Meldung: "Sturmhorst" (s. Screenshot). Im Text wird der Name auch gleich mal interpretiert: "Der neue Führer..."

Screenshot von Blogrebellen.de

Screenshot von Blogrebellen.de

Verpixelung des Fotos? Häh?

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8.46 Uhr: Auch Schleckysilberstein, das Blog mit der unglaublichen Reichweite und ohne Skrupel, berichtet über den seltsamen Namen. Dass das Kind nichts für den eigenen Namen kann und vielleicht auch Rechte bezüglich des eigenen Bildes hat - im modernen Internetzeitalter interessiert das niemanden mehr.

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8.10 Uhr, es beginnt (vermutlich) mit einem Blog-Eintrag: Kraftfuttermischwerk.de berichtet über den kleinen Jungen unter dem Titel: "Ein deutscher Name" und zeigt den Screenshot des Kindes unverpixelt, mit vollem Namen und Geburtsdatum. Persönlichkeitsrechte? Urheberrechte am Bild? Zählt heute nicht mehr (Hinweis: Der Original-Beitrag beim Kraftfuttermischwerk ist inzwischen nicht mehr im Netz).

Dienstag, 16.6.2015 – der ganz normale Medienwahn bricht sich seine Bahn. Es gibt kein Halten mehr. Die Medien feuern aus allen Rohren. 

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15.6., später Abend: Die Nachricht von dem seltsamen Vornamen macht bei Facebook und in anderen sozialen Netzwerken nach wie vor die Runde – was für Vollhorst-Eltern! Das arme Kind! Für immer gebrandmarkt! Erste mitleidige Stimmen mischen sich aber auch darunter...

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15.6., 13:37 Uhr: Facebook-Nutzer haben den kleinen Sturmhorst auf der Internetseite des Diakonissen-Krankenhauses entdeckt. Sie teilen den Link mit Hinweisen wie: "Woran man merkt, dass die Eltern bei der Namenswahl Montags bei einer Demo in Dresden waren? 4. Reihe ganz links" oder: "Sturmhorst Siegbert! Du kommst jetzt SOFORT an den Tisch, sonst gehts heute OHNE Nationalhymne ins Bett!!!"

 

1 Kommentar
  • Mike Hillebrand
    Juli 3, 2015

    Ach armes, armes Deutschland und die darin dümpelnden Tölpel mit Ihren Wissenslücken. Wusste gar nicht das der heilige St. Sturmius ein Nazi war.
    Auf jeden Fall ist dieser Name besser wie Jaqueline , Kevin oder Justin-Dustin.

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