Der MDR bekommt eine neue Struktur, die sich an Inhalten orientiert – und nicht mehr an technischen Verbreitungswegen.
Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt steht damit vor dem Komplettumbau zum "multimedialen Medienhaus" – zumindest im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Die neue Struktur hat das MDR-Direktorium beschlossen.
Darüber hat MDR-Intendantin Karola Wille alle MDR-Verwaltungsrat- und Rundfunkratmitglieder mit einem Rundschreiben informiert. Das Papier liegt Flurfunk Dresden vor – wir dokumentieren den Wortlaut weiter unten.
In dem Schreiben informiert Wille über die aktuellen Beschlüsse des MDR-Direktoriums, die die Ziele "publizistische Weiterentwicklung", "Stärkung des Unternehmens" und Beseitigung des "strukturellen Defizits" betreffen. Hintergrund ist die "Vision 2017", ein Programm, dass Wille bereits kurz nach der Intendantenwahl initiiert hatte, und das den MDR ins multimediale Zeitalter führen soll.
Nun scheint es also voranzugehen; in dem Schreiben bezeichnet Wille die Beschlüsse als "weitgehende strategische Richtungsentscheidungen".
Konkret lassen sich aus dem Papier folgende Veränderungen herauslesen:
Struktur soll sich künftig an Inhalten orientieren
Das Direktorium (die bisherige Zusammensetzung ist hier im MDR-Organigram nachzulesen) hat drei Bereiche benannt, nach denen der MDR künftig strukturiert sein soll. Das sind:
- Nachrichten und Hintergrund
- Kulturberichterstattung
- Wissen, Bildung und Medienkompetenz
Die Zuständigkeit für "Nachrichten und Hintergrund" fällt dann an Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi. Er soll künftig ein medienübergreifendes "trimedial integriertes Informations-Ressort" leiten, in denen alle Angebote aus TV, Telemedien und Hörfunk aus diesem Bereich zusammenlaufen. Eine Projektgruppe "Markenstrategie" ist außerdem dafür zuständig, dass langfristig sämtliche Nachrichtenangebote des MDR auf allen Ausspielwegen unter einer Marke geführt werden.
Die Zuständigkeit für den Bereich "Kulturberichterstattung" fällt an den stellvertretenden Intendanten und Hörfunkdirektor Johann Michael Möller. Er steuert künftig das zentrale "trimedial integrierte Kultur-Ressort".
Für den Bereich "Wissen, Bildung und Medienkompetenz" soll ebenfalls ein Desk mit hauptamtlicher Leitung konziptioniert werden – hier ist die Leitung offenbar noch offen.
Die Beschlusslage sieht vor, dass die Landesfunkhäuser parallel ähnliche Strukturen entwickeln – die Zuständigkeit bleibt aber weiter bei den jeweiligen Direktoren. Das ist im MDR-Staatsvertrag festgeschrieben.
Möller bekommt Zuständigkeit für Jugend zugeschlagen
Es gibt aber noch mehr Änderungen: Die Zuständigkeit für die jungen Zielgruppen fallen laut dem Beschluss künftig in den MachtVerantwortungsbereich von Hörfunkdirektor Möller.
Wörtlich heißt es:
"Die Projektgruppen hatten im Bereich der Angebote für Jugendliche erhebliche Defizite festgestellt. Als weiteres strategisches Handlungsfeld definierte das Direktorium daher die Entwicklung eines trimedial integrierten Jugendangebotes unter Nutzung vorhandener Strukturen, Ressourcen und Angebote. Dazu sollen in der Gesamtverantwortung des Hörfunkdirektors die Kompetenzen und Erfahrungen der Jugendwelle MDR Sputnik genutzt werden."
Kommentierung: MDR gibt sich fortschrittlich – im Rahmen der Möglichkeiten
Mit den Entscheidungen sind die Grundlagen für eine neue Struktur geschaffen, die im Grunde aber nur die bestehenden Direktorien – zumindest auf den ersten Blick – "umbenennt". Die konkrete Ausgestaltung steht erst noch an.
Wie die Ressorts genau zugeschnitten sein werden, wie viel Personal- und Geldmittel sie bekommen und an welchen Standorten was zu finden sein wird, ist derzeit noch offen. Für die konkrete Planung ist nun der Leiter der Hauptabteilung Strategie und Unternehmensentwicklung Gerrit Wahle beauftragt, konkrete Vorschläge zu erarbeiten.
Dann wird sich zeigen, wie ernst der Wille zur Umgestaltung ist. Immerhin müssten die bisherigen TV- und Radio-Direktoren ja Zuständigkeiten und vor allem Finanzen abgeben, sollte das "Wissen, Bildung und Medienkompetenz"-Ressort gleichwertig zu den anderen beiden ausgestaltet werden. Das aber könnte man als Machtverlust betrachten.
Mit der grundsätzlichen Orientierung an den Inhalten und der Abwendung von den einzelnen Mediengattungen TV, Radio und Internet gibt sich der MDR jedenfalls ausgesprochen fortschrittlich. National orientieren sich die übrigen öffentlich-rechtlichen Anstalten nach wie vor an den technischen Verbreitungswegen Radio und Fernsehen (Nachtrag 23.7.2014: Bitte diesen Kommentar unten zur Sturktur des RBB beachten). Meist ist noch irgendwo dieses lästige Internet angedockt. International, beispielsweise bei der BBC oder in der Schweiz, ist man da schon deutlich weiter.
Das zentrale Problem aber bleibt: Der MDR-Staatsvertrag, der noch aus dem analogen Zeitalter stammt, setzt der Intendantin enge Grenzen für weitreichende Veränderungen. So hat jedes der drei beteiligten Länder ein eigenes Landesfunkhaus mit weitgehenden Freiheiten zugesichert. Auch ist es schwerlich möglich, einfach Standorte aufzugeben, "nur" weil die bisherige Struktur nicht mehr den gesellschaftlichen Ansprüchen entspricht. An den Staatsvertrag will aber kein Medienpolitiker so recht ran – weil jedes der drei beteiligten Bundesländer dann sofort die Hand aufhalten würde (bspw. bei der Standortfrage).
Die neue Struktur stellt also nur den Ansatz für einen Komplettumbau bzw. eine Neuausrichtung dar – eben im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten.
In dem Rundschreiben ist aber auch dieser Absatz zu finden:
„Der Geschäftsleitung sei es wichtig, den Veränderungsprozess für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar zu gestalten, unterstrich die Intendantin. Kommunikation und Teilhabe am weiteren Fortgang seien deshalb ausdrücklich Bestandteil des weiteren Prozesses.“
Vielleicht kommt aus dieser Ebene ja noch der eine oder andere Impuls.
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Hier dokumentieren wir den Inhalt des Schreibens vom 18.7.2014, dass MDR-Intendantin Karola Wille an alle Verwaltungs- und Rundfunkräte verschickt hat:
Weichen sind gestellt
Beschlüsse des Direktoriums zur Ausgestaltung des Veränderungsprozesses MDR 2017
Das MDR Direktorium hat am Donnerstag weitgehende strategische Richtungsentscheidungen für den Veränderungsprozess „MDR 2017“ getroffen. Intendantin Karola Wille sprach nach der Sitzung von einem „besonderen Moment“ der Sendergeschichte und zukunftsweisenden Schritten zum modernen, leistungsstarken Multimediahaus MDR in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
MDR-Intendantin Karola Wille erinnerte an die Zielsetzung des Veränderungsprozesses. In einem dynamischen Wettbewerbsumfeld wolle der MDR sich aus einer starken Position heraus auf die Herausforderungen einer digitalisierten und konvergenten Medienwelt einstellen. „Was wir jetzt in die Effizienz unserer Organisationsstrukturen investieren, entscheidet über unsere Wettbewerbsfähigkeit in den kommenden Jahren“, sagte die Intendantin. Die publizistische Stärkung des Medienhauses MDR und die Weiterentwicklung des Unternehmens MDR an allen Standorten und über die Mediengattungen hinweg seien deshalb zentrale Ziele des Veränderungsprozesses. Wille: „Nur wenn wir uns verändern, wird es uns gelingen, trotz stagnierender Einnahmen unsere publizistischen Angebote quantitativ und qualitativ weiter zu entwickeln und gleichzeitig unser finanzielles Ziel zu erreichen, unser strukturelles Defizit zu beseitigen“.
Bereits am Mittwoch hatten drei direktionsübergreifend zusammengesetzte Projektgruppen die Ergebnisse ihrer halbjährigen Arbeit und daraus abgeleitete angebots- und organisationsstrategische Handlungsoptionen präsentiert. Im Mittelpunkt standen die Bereiche „Nachrichten und Hintergrund“, „Kulturberichterstattung“ sowie „Wissen, Bildung und Medienkompetenz“.
Für den Bereich Nachrichten und Hintergrund entschied sich das Direktorium für die Schaffung eines trimedialen integrierten Informations-Ressorts, in dem unter der Gesamtverantwortung des Fernsehdirektors die Angebote aus Fernsehdirektion, Telemedien und Hörfunkdirektion gebündelt werden. Parallel dazu entwickeln sich die Landesfunkhäuser trimedial weiter und vernetzen sich mit dem Informations-Ressort.
Die Kulturberichterstattung soll in einem trimedial integrierten Kultur-Ressort geführt werden. Dazu werden sich die Landesfunkhäuser mit ihren auch hier weiter entwickelten trimedialen Strukturen vernetzen. Das Kulturressort wird in der Verantwortung des Hörfunkdirektors liegen. Die vorhandenen Ressourcen aus allen Verbreitungswegen werden medienübergreifend gebündelt.
Mit beiden strukturellen Weichenstellungen im Informations und Kulturbereich soll die publizistische Kraft und das Profil des MDR auch online deutlich gestärkt werden.
Die Inhaltebereiche Wissen, Bildung und Medienkompetenz sollen in der Zukunft ebenfalls stärker ihr profilbildendes Potenzial ausspielen können. Das Direktorium beschloss deshalb, einen Desk mit einer hauptamtlichen Leitung zu konzipieren, die alle Wissens- und Bildungsangebote im MDR, sei es im Fernsehen, im Radio oder in den Telemedien, in regelmäßigen Abstimmungsrunden koordiniert und die zugehörigen Online-Aktivitäten verantwortet.
Die Projektgruppen hatten im Bereich der Angebote für Jugendliche erhebliche Defizite festgestellt. Als weiteres strategisches Handlungsfeld definierte das Direktorium daher die Entwicklung eines trimedial integrierten Jugendangebotes unter Nutzung vorhandener Strukturen, Ressourcen und Angebote. Dazu sollen in der Gesamtverantwortung des Hörfunkdirektors die Kompetenzen und Erfahrungen der Jugendwelle MDR Sputnik genutzt werden.
Das Direktorium griff die Handlungsoption der Projektgruppe auf, die Nachrichtenangebote des MDR auf allen Ausspielwegen unter einer Marke zu führen und erteilte einen entsprechenden Auftrag an die Projektgruppe Markenstrategie, die derzeit mit solchen Fragen beschäftigt ist.
Darüber hinaus verständigte sich die Geschäftsleitung, die Cross Promotion auf allen Angebots-Vertriebswegen des MDR zu stärken und dafür eine verbindliche Planungsgrundlage zu entwickeln.
Mit den grundlegenden Weichenstellungen des Direktoriums sei nun der Rahmen abgesteckt, auf dessen Grundlage Konzeptionen für die Realisierung erarbeitet werden, sagte die Intendantin nach der Sitzung der Geschäftsleitung. Dazu gehörten unter anderen die Vorbereitung von Entscheidungen über die Ausgestaltung der Ressorts, Personal- und Finanzausstattung, Workflows, Strukturen und Standortfragen, die das Direktorium Schritt für Schritt treffen wird. Der Leiter der Hauptabteilung Strategie und Unternehmensentwicklung, Gerrit Wahle, wurde vom Direktorium gebeten, nach der Sommerpause dafür eine Planung vorzulegen. Die weiteren Projektgruppen („Markenstrategie“, „Standort- und medienübergreifende Produktions- und IT-Infrastruktur“, „Erfolgsmessung und Qualitätsmanagement“) werden in diese Planung integriert. Bis zum Sommer nächsten Jahres sollen alle Konzepte für die Realisierung abgestimmt vorliegen.
Der Geschäftsleitung sei es wichtig, den Veränderungsprozess für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar zu gestalten, unterstrich die Intendantin. Kommunikation und Teilhabe am weiteren Fortgang seien deshalb ausdrücklich Bestandteil des weiteren Prozesses.
Bereits am Mittwochabend, nach der Präsentation der Projektgruppen, sprach die Intendantin von „Weichenstellungen, die weit in die Zukunft reichen“. Sie sei „stolz auf die Art und Weise der engagierten Vorbereitung, der professionellen Methodik und der Klarheit der Entscheidungsfindung“, sagte sie gestern in einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie an das Direktorium und fügte hinzu: „Das war ein Stück exzellenter Arbeit. Ich denke, es ist nicht zu viel gesagt: wir schreiben ein Stück MDR-Geschichte. Die Weichen sind gestellt.“
Juli 23, 2014
In der Tat ist dies ein interessantes Konzept. Allerdings ist Ihre Forumulierung, die anderen öffentlich-rechtlichen Sender (betrifft in diesem Fall nur die ARD) würden sich noch nach Hörfunk und Fernsehen unterteilen, nicht richtig. Der rbb - Rundfunk Berlin-Brandenburg hat bereits vor fünf Jahren seine Fernseh- und Hörfunkdirektion zusammengelegt: zur multimedialen Programmdirektion, die sowohl das Fernsehen, die Radioprogramme und die Online-Auftritte verantwortet. Hier arbeiten also bereits seit langem Fernseh- und Hörfunkredaktionen themenorientiert eng zusammen und versuchen gemeinsam Projekte umzusetzen. Weitere Informationen dazu finden Sie hier:
http://www.rbb-online.de/unternehmen/der_rbb/index.html