“Kaum einer hört ihn”: Der simul+-Podcast in der Kritik?

Am Freitag (23.9.2022) hat BILD.de (Regional/Dresden) über den simul+Podcast des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung (SMR) berichtet.

Titel: "Ministerium zahlt 11 305 Euro an MDR-Moderator".

Hintergrund ist eine Kleine Anfrage eines AfD-Landtagsabgeordneten zu dem Podcast. Die kleine Anfrage ist im Dokumentationssystem des Sächsischen Landtags zu finden: Drs.-Nr.: 7/10755.

Der Abgeordnete hatte gefragt, aus welchen Haushaltsmitteln der Podcast finanziert wird, wie viel die Produktion gekostet hat und wie viel davon auf den Moderator entfällt.

Er wollte außerdem wissen, wie viele Nutzer bzw. Hörer auf die bisher veröffentlichten Episoden zugegriffen haben und welche Inhalte des Podcast durch andere Medien übernommen worden sind.

Auf die vierte Frage weiß das Ministerium keine Antwort - dazu gibt es keine Erhebungen.

Die journalistische Einordnung fehlt

Mit der Überschrift und dem abschließenden Zitat ("Der verlangt nun, dass 'das SMR derart teure Mätzchen unterlässt und sich stattdessen um seine Aufgabe wie etwa den Strukturwandel in der Lausitz kümmert'") skandalisiert die BILD in unseren Augen nur - und macht sie sich im Grunde die AfD-Bewertung zu eigen.

Daher hier einige Anmerkungen zu dem Instrument Podcast im allgemeinen und dem simul+-Podcast im speziellen.

Vorweg: Wer wissen will, was simul+ ist, kann das hier nachlesen. Daran wird deutlich: Der Podcast ist „nur“ ein Instrument, das Projekt simul+ bekannter zu machen.

Rund 113 Hörer pro Folge

Schaut man auf die Zugriffszahlen (s. Ausriss), stimmt die BILD-Einschätzung: Tatsächlich sind die Zugriffszahlen ausgesprochen gering. "Kaum einer hört ihn" - richtig.

Die schwächste Folge kommt auf 90, die stärkste auf 167 Abrufe (s. Ausschnitt aus der Antwort auf die Kleine Anfrage).

Wobei Abrufe ja nicht zwingend bedeutet, dass die Folge komplett gehört worden ist.

Ist das Instrument Podcast in dem Fall also gescheitert?

Das ist aus unserer Sicht - trotz der schwachen Zahlen - deutlich zu kurz gegriffen, vor allem in der Bewertung des Instruments Podcast an sich. Dazu unten mehr.

Wie viel bekommt der Moderator?

Die BILD zieht ihre Berichterstattung am Honorar des "MDR-Moderator" Stefan Bischof auf.

Das ist nicht verboten und sachlich auch nicht falsch darstellt. Kann man machen.

Zitat aus der Antwort auf die Kleine Anfrage:

"Zum aktuellen Zeitpunkt (Stand: 12.09.2022) wurden 13 Folgen (Episoden) veröffentlicht. Bisher wurden zehn Folgen abgerechnet. Die Abrechnung der Agentur erfolgte blockweise und nicht episodenweise. Die Gesamtkosten der bisher zehn abgerechneten Folgen betragen 14.029 Euro brutto. Darin enthalten ist die Moderatorenleistung in Höhe von insgesamt 11.305 Euro brutto. Dieser Kostenanteil der Moderatorenleistung beinhaltet die Recherche, Konzeption, Absprachen, Aufzeichnungen vor Ort bei den Protagonisten inkl. Anfahrt, Schnitt, Mischung mit eigener Technik, Einsprechen der Tonspur für den Jingle, die Übergabe der Audiodatei sowie den Beitrag zur Künstlersozialkasse."

Bischof ist Moderator beim MDR, er moderiert dort die Sendung Sonntagsbrunch.

Allerdings ziehen nach unserer Wahrnehmung weder Bischof noch das Ministerium seine Tätigkeit für den MDR heran - und wir würden mal davon ausgehen, dass er sich die Nebentätigkeit hat genehmigen lassen.

Und zum Honorar: Man muss nur Google nutzen um zu erkennen, dass das ein durchaus marktübliches Honorar für eine Podcast-Moderation ist.

Eigentlich ist das sogar noch günstig - es geht da ja durchaus um mehr als nur eine halbe Stunde ins Mikrofon zu sprechen.

Wie sind die Hörerzahlen zu bewerten?

Also pralle ist das nicht, das ist schon richtig. Andererseits dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass die allermeisten Podcasts kaum nennenswerte Abrufzahlen erzielen.

Ab wann hätten der AfD-Abgeordnete und die BILD-Redaktion denn gesagt, das sind gute und erfolgreiche Zahlen?

Gibt es vergleichbare Projekte?

Was bei der Bewertung immer hilft, ist die Frage: Gibt es vielleicht Formate, mit denen das Produkt vergleichbar ist?

Uns ist hier erstmal keines bekannt.

Die Verengung auf die reinen Abruf-Zahlen sind in unseren Augen auch wenig aussagekräftig.

Sie sind nur ein Indikator. Die Zahl der Abos, die Interaktionsraten, die Verweildauer und die Langzeitwirkung (die Folgen bleiben ja auf längere Zeit im Netz) sollten zur Bewertung ebenfalls herangezogen werden.

Außerdem ist wichtig, ob es irgendwelche Resonanz gibt. Oder ob das Thema von Multiplikatoren (nicht nur Fernsehen und Radio) aufgegriffen worden sind.

Eine Veranstaltung wäre deutlich teurer

Was vielleicht auch noch mal hilft bei der Bewertung des Instruments: Der Vergleich zu einem Live-Veranstaltungsformat.

Der simul+-Podcast ist ja immerhin, wenn man zurückrechnet, in der Corona-Zeit entstanden, also als Live-Veranstaltungen nicht möglich waren.

Bei Live-Veranstaltungen von Ministerien kommen (nach unserer Erfahrung) auch nicht selten "nur" um die 100 Leute. Das Moderationshonorar bei solchen Terminen bewegt sich im günstigen Falle in ähnlichem Rahmen. Dazu kommen Raummiete, weitere Referentenhonorare usw.

Neue Instrumente benötigen Zeit

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Urteil des Abgeordneten als "Mätzchen" ist in unseren Augen deutlich zu kurz gegriffen.

Das heißt nicht, dass Kritik nicht erlaubt ist – wir hätten da auch durchaus noch weitere Punkte.

Aber das Instrument gleich zu verurteilen, nur weil es nach zwölf Monaten noch nicht durch die Decke gegangen ist, halten wir für zu kurz gegriffen.

Im Umkehrschluss würde das bedeuten: Hey, liebe Kommunikationsabteilungen in den Ministerien, wagt bloß nichts Neues! Das wäre sicherlich ganz im Sinne des AfD-Abgeordneten.

Transparenzhinweise: Ich habe auch schon mal für den MDR gearbeitet, ich kenne Bischof flüchtig und die AfD mag mich nicht. Noch ein Hinweis: Ich habe den Beitragstext kurz nach erscheinen sprachlich nochmal leicht angepasst (18.45 Uhr). 

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