Mitteldeutsches Magazin für Kultur und Zeitgeschichte: “Debattenplattform für die Region”

Ein Magazin aus und für Mitteldeutschland, mit regionalen und überregionalen Themen, Interviews, Essays, Reportagen, Porträts und Rezensionen. Ein Schaufenster für mitteldeutsche Kultur- und Forschungslandschaften, demokratisch und überparteilich – das ist die Vision des Mitteldeutschen Magazin für Kultur und Zeitgeschichte.

Seit Frühjahr 2021 gibt es das Magazin, herausgegeben von von Frank Kaltofen und David Leuenberger im Eigenverlag. Zwei weitere Ausgaben (2022 und 2023) sind seitdem erschienen.

In der Ausgabe 2023 (Schwerpunkt Nachhaltigkeit) geht es etwa um den Strukturwandel im mitteldeutschen Revier, die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte, das DDR-Krippensystem oder eine Vase aus dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle, an deren Beispiel die Rolle der Kunsthochschule Burg Giebichenstein während des Nationalsozialismus erzählt wird. Die ganze Ausgabe kann man hier durchblättern und lesen: issuu.com/mitteldeutsches/docs/mitteldeutsches_magazin_2023

Aber wie kommt man darauf, ein Magazin für Mitteldeutschland zu gründen? Und kann man davon leben? Ein Interview mit den beiden Machern Frank Kaltofen (rechts) und David Leuenberger (links).

"Das Mitteldeutsche Magazin soll eine Debattenplattform für die Region werden"

FLURFUNK: Wie kommt man darauf, ein Magazin für Mitteldeutschland zu gründen?
Frank: Wir haben uns Anfang der 2010er Jahre in Jena bei einem studentischen Kulturmagazin kennengelernt, das für und in Jena, Weimar und Erfurt erscheint. Dort haben wir auch unser redaktionelles Handwerk gelernt. Als wir abends mal in Weimar in der Kneipe saßen, kam uns die Idee: Eigentlich wäre es doch auch sinnvoll, eine Zeitschrift nicht nur für drei Städte, sondern für die ganze Region der drei mitteldeutschen Bundesländer zu machen.
David: Schließlich verbindet Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt eine Menge und im Rundfunk-Bereich ist ja die gemeinsame Abdeckung durch den MDR ganz selbstverständlich.

FLURFUNK: Was sind eure inhaltlichen Schwerpunkte?
David: Es geht uns nicht darum, tagesaktuelle Nachrichten oder typische regionale oder lokale „Service-Themen“ abzudecken. Dafür sind Tageszeitungen besser geeignet und von denen gibt es ja eine ganze Menge hier in der Region. Darum eben ein Magazin, keine Zeitung.
Frank: Das „Mitteldeutsche Magazin“ soll mittelfristig eine Debattenplattform für die Region werden; das können Tageszeitungen oft nicht leisten, denn dafür ist deren Geschäft zu schnelllebig. Es gibt bei uns in jeder Ausgabe ein längeres Essay, das ein bestimmtes Thema mit Mitteldeutschland-Bezug zur Debatte stellt, zuletzt das Themenfeld Nachhaltigkeit und Energiewende. Darüber hinaus gibt es ein Ressort für Regional- und Zeitgeschichte, ein Kulturressort und auch ein Ressort für Innovations- und Forschungsthemen, weil uns Wissenschaftskommunikation in die breite Gesellschaft hinein sehr wichtig ist.

„Gibt es eine mitteldeutsche Geschichte?“

FLURFUNK: Gibt es aus Eurer Sicht eine mitteldeutsche Identität?
David: Eine sehr gute Frage – die wir mit und in unserem Magazin diskutieren möchten! Die Essays der ersten beiden Ausgaben widmeten sich darum Fragen wie „Gibt es eine mitteldeutsche Geschichte?“ – und wir sind uns bewusst, dass der Begriff „Mitteldeutschland“ alles andere als unumstritten ist.
Frank: Es ist aber auch klar, dass die drei Bundesländer enorm viel verbindet – nicht nur geistes- und kulturgeschichtlich, sondern auch bei Infrastruktur, Wirtschaft oder eben im Alltag der Menschen, die hier regelmäßig zwischen den Ländern pendeln. Das sieht man an Einrichtungen wie der „Metropolregion Mitteldeutschland“, dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund und natürlich dem schon erwähnten MDR.

FLURFUNK: Wer sind denn überhaupt die Macher, was ist Eure Motivation?
David: Wir kommen nicht hauptamtlich aus dem Medienbereich. Unser Background ist eigentlich sozial- und geisteswissenschaftlich, hauptberuflich sind wir nochmal anders unterwegs. Aber wir bringen über zehn Jahre Erfahrung in der Redaktionsarbeit mit und haben eine Motivation, die offenbar auch bei vielen unserer Gastautoren und Gesprächspartner auf Resonanz stößt: eine Zeitschrift für Mitteldeutschland, die Kultur-, Wissenschafts- und Geschichtsthemen einer vielfältigen und eng verknüpften Region diskutiert. Also unter anderem Kunstprojekte, aktuelle Forschungsvorhaben und Innovationen aus der Region. So können wir bestenfalls einen Beitrag dazu leisten, Einrichtungen und Engagierte über die Ländergrenzen hinweg enger zu vernetzen.
Frank: Wichtig ist mir zu betonen: Wir wollen an die vielseitigen Zusammengehörigkeiten anknüpfen, die die drei Bundesländer als „mitteldeutsch“ verbinden. Denn unserer Wahrnehmung nach wird sich nicht zuletzt beim MDR noch zu stark auf die rund vier Jahrzehnte DDR-Zeit fokussiert, zulasten anderer wichtiger und spannender Themen. Und das ist ein Problem, weil es die geistige Teilung in „den Osten“ und „den Westen“ eher reproduziert statt überwindet. Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verbindet aber viel mehr als „Da war früher mal DDR“! Klar, dieser Aspekt spielt für unser Magazin auch eine Rolle, aber eben nur zu einem geringeren Teil.

"Mitteldeutschland ist ja ein wichtiger Ort deutscher Demokratiegeschichte"

FLURFUNK: Habt ihr einen politischen Hintergrund?
Frank: Parteipolitisch – nein. Aber wir haben bewusst den Anspruch, eine „Plattform für ein weltoffenes Mitteldeutschland“ zu bieten. Uns ist es wichtig, Initiativen für Demokratie, Inklusion und Vielfalt mit ihrer wichtigen Arbeit sichtbar zu machen, positive Beispiele für interkulturelles Miteinander und für Erinnerungsprojekte aus der Region aufzuzeigen. Deshalb haben wir auch die Rubrik „Weltoffenes Mitteldeutschland“ im Heft.
David: Mitteldeutschland ist ja einerseits ein wichtiger Ort deutscher Demokratiegeschichte, mit der Republik von Weimar, den Leipziger Montagsdemonstrationen… Die Region ist aber zugleich stark geprägt von Diktaturerfahrungen und offenkundigen Problemen mit Rassismus und Rechtsextremismus. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind allesamt Länder, in denen Rechtsradikale mit großen Fraktionen in den Landtagen sitzen. Umso selbstverständlicher ist es für uns, dass wir die vielfältigen Stimmen der mitteldeutschen Zivilgesellschaft zeigen und so gut es geht zu deren Vernetzung über die Bundesländergrenzen hinweg beitragen.

FLURFUNK: Wie finanziert ihr das Projekt?
Frank: Unsere Pilot-Ausgabe von 2021 haben wir dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne mit einer kleinen gedruckten Auflage realisiert. Die beiden danach folgenden Hefte sind rein digital erschienen und werden von uns kostenfrei zur Verfügung gestellt. Weil wir die Redaktionsarbeit samt Layout und Lektorat bislang komplett ehrenamtlich in unserer Freizeit stemmen, halten sich die Kosten also im minimalen Bereich – und die Einnahmen leider ebenso (lacht).

"Wir sind in Gesprächen mit Verlagen aus der Region"

FLURFUNK: Warum ausgerechnet das Magazin-Format – und nicht etwa ein Blog?
Frank: Wir sind tatsächlich noch Kinder der Print-Ära, sind mit Medien aus Papier sozialisiert worden. Und natürlich liegt es daran, dass unsere redaktionellen Wurzeln wie erwähnt bei einem Magazin lagen. Wir haben dadurch vielleicht in unserem Denken einfach eher einen Bezug zum Format eines Magazins – auch was den Aufbau und die Herangehensweise an Gestaltung oder Rubriken betrifft.
David: Natürlich sind die Beiträge aber auch auf unserer Website abrufbar. Und wir können dort auch zusätzliche, sozusagen „online-exklusive“ Inhalte und Themen bieten, während das jeweils nächste Heft gerade im Entstehen ist.

FLURFUNK: Zum Abschluss noch ein Ausblick: Wo wollt ihr in 5 Jahren stehen?
Frank: Na ja, am liebsten in den Zeitschriften-Geschäften von der Altmark bis nach Zwickau, von Gerstungen bis nach Görlitz (lacht). Aber uns ist klar, dass es gedruckte Medien – selbst abgesehen von den aktuellen Papierpreisen – schwer haben, sich zu etablieren oder sogar gewinnbringend zu sein. Da haben wir keine rosarote Brille auf.
David: Wir sind aber durchaus in Gesprächen mit Verlagen aus der Region, denen unser inhaltlicher Ansatz sehr gefällt. Mal sehen, was sich daraus ergibt. Die Präsenz im Portfolio eines Verlags mit Mitteldeutschland-Bezug wäre schön. Immerhin ist unser Magazin schon in mehreren Bibliothekskatalogen zu finden!

FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview!

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