MDR-Intendantenwahl: Bernd Hilder durchgefallen

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Bernd Hilder, Foto: MDR/Andreas Doering

Bernd Hilder wird nicht Intendant des MDR. Der Rundfunkrat hat in seiner laufenden Sitzung mit 12 Ja-Stimmen und 29 Nein-Stimmen gegen den vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Kandidaten gestimmt. Zuvor hatte das Gremium mit breiter Mehrheit beschlossen, nur einen Wahlgang durchzuführen.

Nun ist erneut der Verwaltungsrat gefragt: Er hat mit einer Frist von einem Monat einen neuen Kandidaten vorzuschlagen. Das Gremium kommt bereits heute für eine weitere Sondersitzung zusammen.

 

12 Kommentare
  • Jobst P.
    September 26, 2011

    Rumms! Das war deutlich und ging schnell. Das Abstimmungsergebnis ist eine schallende Ohrfeige für die Sächsische Staatskanzlei und Staatskanzleichef Beermann, der Hilder mit massiver Vehemenz durchdrücken wollte. Man darf gespannt sein, wie dieses desaströse Ergebnis aus Dresden kommentiert wird.
    Und man darf darüber hinaus auch gespannt sein, wie die Union mit der Tatsache umgeht, dass sie ihre eigenen Reihen einmal mehr in einer rundfunkpolitisch brisanten Personalfrage nicht geschlossen bekommen hat.

  • stefanolix
    September 26, 2011

    Die Entscheidung war eindeutig und es hätte wohl auch in keinem weiteren Wahlgang besser ausgesehen.

    Aber ich verstehe die Aufregung um die Anzahl der Wahlgänge nicht. In so manchem Landtag musste zwei- oder dreimal gewählt werden, bis der neue Ministerpräsident oder die neue Ministerpräsidentin feststand. Trotzdem gilt das Ergebnis des letzten Wahlgangs.

    Wenn das Gremium beschlossen hätte, zu wählen, bis weißer Rauch aufsteigt, dann wäre das Ergebnis IMHO so demokratisch legitimiert gewesen, wie ein Ergebnis nach dem ersten Wahlgang.

  • Visionaer
    September 26, 2011

    Das Votum des Rundfunkrats gegen Bernd Hilder ist in seiner Deutlichkeit richtig und gut. Es gibt dem Verfahren zur Intendantenwahl und damit auch dem Mitteldeutschen Rundfunk als öffentlich-rechtlicher Institution etwas von der verloren gegangenen Würde zurück und setzt ein wichtiges Zeichen. Und es bietet dem MDR die Chance, eine überfällige Weichenstellung für die Zukunft nun doch zu schaffen und nicht leichtfertig durch parteipolitische Muskelspiele zu verschenken.

    Was der MDR jetzt braucht, ist ein wirklicher Erneuerer, ein Visionär, ein risikobereiter Macher. Es muss jemand sein, der sich in einem offenen und transparenten Auswahlverfahren mit seinen Ideen und Konzepten durchsetzt, der überzeugt und mitreißt, der alles Bisherige hinterfragt, der Strukturen verändert und im gesamten MDR so etwas wie Aufbruchstimmung erzeugt. Diese Aufgabe ist immens groß. Deshalb sind Zeitdruck und Eile die größten Feinde auf dem Weg zu so einem Kandidaten, einem Besten der Besten.

    Ein neuer Intendant wird die Bedeutung und Innovationsfähigkeit des MDR ganz sicher die kommenden Jahre, vielleicht sogar die nächsten Jahrzehnte mitbestimmen. Warum also innerhalb von Tagen oder Wochen den Nächstbesten auswählen? Warum nicht stattdessen einen längeren Bewerbungsprozess ermöglichen, bei dem nicht das Parteibuch, das Alter, Geschlecht oder bisherige Positionen eines Kandidaten die Hauptrolle spielen, sondern dessen Leitideen, Konzepte, Visionen und nicht zuletzt die Überzeugungskraft?

    Die Aufgaben, die vor einem neuen Chef in Leipzig stehen, sind vielfältig und bieten ein großes Potential, zu scheitern. Zunächst müssen die Affären der Vergangenheit aufgeklärt werden. Dann sollten daraus zwingend Konsequenzen gezogen werden, damit so etwas nicht noch einmal passieren und vergleichbaren Schaden anrichten kann. Die größere und wichtigere Aufgabe ist aber eine andere: Der MDR muss neu positioniert, von innen heraus erneuert und fit für die Zukunft gemacht werden .

    Wer auch immer diese Aufgabe übernehmen will, sollte deshalb schon während der Kandidatur zu verschiedenen Grundsätzlichkeiten klar Position beziehen und dadurch transparent machen, wofür er steht: Quote um jedem Preis oder mehr Experimente und Ungewohntes beim MDR Fernsehen? Soll die verwirrende Einzelstruktur bei mdr.de erhalten bleiben oder kann es ein neues Portal geben? Sollen starke Marken wie MDR INFO oder auch MDR JUMP nicht stärker im Netz, vor allem in sozialen Netzwerken genutzt werden? Sollen sowohl JUMP als auch SPUTNIK erhalten bleiben? Welche Macht sollen die Landesfunkhäuser bekommen? Auf welche Verbreitungswege setzt der MDR? Und nicht minder wichtig: Was hat der MDR mit seinen tausenden (freien) Mitarbeitern vor? Woher sollen neue, gut ausgebildete Mitarbeiter kommen? Wie begegnet der MDR der drohenden Überalterung der Festangestellten? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

    Es ist angesichts dieser dringenden Fragen klar, dass Leitideen zu möglichen Antworten nicht innerhalb von Stunden oder Tagen gefunden werden können. Eine Zwangsfrist von nur einem Monat für einen neuen Kandidaten ist deshalb unfair. Das war es übrigens auch für Herrn Hilder. Verwaltungs- und Rundfunkrat sollten daraus lernen und sich die nötige Zeit für die Auswahl nehmen. Wäre es wirklich so schlimm, einige Wochen oder Monate ohne einen Intendanten zu sein, wenn danach jemand kommt, der mit seinen Konzepten und Ideen überzeugt hat?

    Der MDR muss die möglicherweise einmalige Chance zur nachhaltigen Erneuerung erkennen und nutzen. Im November beginnt Stefan Raue als neuer trimedialer Chefredakteur seinen Dienst. Eine frische Doppelspitze aus ihm und einem starken, motivierten, fähigen Intendanten wäre ein Signal nach außen und nach innen. Ein Signal, das bedeutet: Wir haben verstanden und arbeiten jetzt gemeinsam an einem neuen MDR.

    Es wird Zeit. Die Chance darf nicht verpasst werden!

  • Gerhard Richter
    September 26, 2011

    Naja. Man darf sicher nicht zuviel erwarten. Es wird leider jetzt keine überirdische Lichtgestalt niedersteigen und alle Imperative erfüllen, die journalistisch-organisatorisch wünschenswert wären. Es kommt dann einfach nur Herr Dieste oder eine vergleichbare öffentlich-rechtliche Funktionärsnase. Und Zeit? Die gibt's auch nicht. Die Politik will das Thema jetzt hurtig vom Tisch kriegen.

  • stefanolix
    September 26, 2011

    @Jobst P.: Entweder »massiv« oder »mit Vehemenz« hätte wohl genügt ;-)

    @Visionär: Du hast die Ansprüche jetzt so großartig formuliert, dass sie kaum jemand erfüllen kann, der freiwillig zum MDR gehen würde ;-)

    Ich befürchte, dass die Rolle des Intendanten überschätzt wird. Ist so ein riesiger Apparat durch eine Führungspersönlichkeit zu beherrschen? — Udo Reiter war von Beginn an Intendant. Er konnte die Skandale nicht verhindern. Er konnte den Wünschen im Kommentar von »Visionär« (siehe oben) nicht annähernd gerecht werden. Was erwarten wir also von einem Nachfolger? Möglichst nicht viel, dann werden wir angenehm überrascht ;-)

  • Bernd-das-Brot
    September 26, 2011

    Gut, dass es Hilder nicht wurde. Wer seine Illiberalität in seinen LVZ-Leitartikeln und aus Gesprächen mit Untergebenen kennt, musste sich das wünschen. Der Mann ist nicht konservativ, sondern jemand, der keine anderen Meinungen toleriert. Außerdem war es unsäglich, wie unverhohlen die Beermannsche Staatskanzlei Hilder als ihren Kandidaten durchpeitschen wollte. Was interessiert mich das Gekläff der Meute, wenn ich die Zügel in der Hand halte. Damit ist nun (vorerst) Schluss. Jetzt muss ein Kompromiss-Kandidat her. Der muss nicht aus dem Reich der öffentlich-rechtlichen Fürstentümer kommen, auch wenn es sich die bornierten Personalräte des MDR so wünschen mögen. In einer Zeit, in der alle Medien in die Multimedialität aufbrechen bzw. dazu gezwungen werden, ist es nahezu bedeutungslos, ob eine Person mit Fernseherfahrung die Geschicke des MDR lenkt. Es muss auch nicht zwangsläufig ein Journalist sein. Solange der- oder diejenige den MDR-Leuten freies und kreatives Arbeiten ermöglicht, ein knallhartes und transparentes Controlling durchsetzt, in der ARD gut verhandelt und die Drei-Länder-Anstalt zur Welt öffnet, ist die formale Qualifikation nachrangig. Es muss jemand sein, der nicht vor Visionen platzt, sondern scheinbar Einfaches konzipiert: Kritische und nach allen Seiten distanzierte Berichterstattung. Echte Multimedialität, um vertieft und erhellend zu informieren. Eine Themenvielfalt, die sich an der Lebenswirklichkeit der Leute in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen orientiert, nicht aber - wie bisher oft - auf eine imaginierte Dumpfbacke von 60+ zielt. Nicht das Fernsehen darf länger die angesprochenen Probleme bestimmen - umgekehrt wird ein Schuh draus. Zur Ehrenrettung des MDR sei angemerkt, dass er nicht so schlecht ist, wie ihn viele sehr selektive Kritiker, die sich dann gegenseitig fortschreiben, immer machen. Zahlreiche Beiträge sind formal gut gemacht, trauen dem Zuschauer/Zuhörer/Nutzer aber zu wenig zu. Das ist das eigentliche Problem des MDR, der außerdem aufhören muss, die drei von ihm betreuten Sender als gemeinsamen Identifikationsraum zu beschwören. Es gibt kein MDR-Land, und darf auch keins geben, das ist schlichtweg weder die Aufgabe noch der Sinn von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Also: Weg vom Kitsch und ran ans Programm, um die Wirklichkeit zu orten. Das gilt übrigens auch für die fiktionalen Angebote, siehe Tatort und Polizeiruf. Die immergleichen Geschichten aus der Mittelschicht, zum Gähnen und Gebührenverweigern.

  • nothing
    September 26, 2011

    Mir fehlt bisher eine Frage: Wie lange kann ein Adlatus der sächsischen Staatskanzlei eigentlich noch Chefredakteur einer Zeitung sein, die in der Region Leipzig das Meinungsmonopol hat?

    Die Beiträge Bernd Hilders und sein Einfluss auf das Profil der Zeitung sollten möglichst rasch ein Ende finden, damit die wenigen LVZ-Journalisten, die noch ein Kreuz haben, wieder ausstrahlen können.

  • stefanolix
    September 27, 2011

    Manche Kommentare hier und in anderen Medien könnte man als Nachtreten bezeichnen.

    Offensichtlich hat sich dieser Kandidat mangelhaft vorbereitet, er hat kein Konzept vorgestellt und er hat schlecht mit den Leuten kommuniziert, die ihn wählen sollten. Aber diese doppelte Dämonisierung finde ich nun auch nicht angemessen.

    Man zeige mir bitte mal wenigstens zehn Beispiele für all die »illiberalen« Artikel, die Herr Hilder im Laufe der Zeit auf die Leser losgelassen haben soll.

    Zum einen wird die CDU dafür angegriffen, dass sie Einfluss auf die Auswahl einer Führungskraft genommen hat. Das läuft doch in ganz Deutschland seit Jahrzehnten nicht anders. Man muss nur die Namen Kurt Beck und Roland Koch erwähnen, man muss nur an den Filz in NRW denken oder sich die Bezeichnungen »Rotfunk« und »Schwarzfunk« in Erinnerung rufen. Ich hoffe, die Beispiele waren ausgewogen genug.

    Glaubt jemand ernsthaft, dass die Besetzung einer solchen Stelle ohne politische Einflussnahme ablaufen kann? Im Fall MDR sind vermutlich unter Zeitdruck Fehler gemacht worden. Es ist aber auch möglich, dass Bernd Hilder einfach nur ein Bauernopfer war.

  • Bernd-das-Brot
    September 27, 2011

    @stefanolix: Es geht doch nicht um die Farbenlehre. Wenn ein einflussreiches rot-rosa Lager seinen MDR-Kandidaten so dreist auf den Schild gehoben hätte, wäre dies keineswegs besser. Das Beutemachen durch die Politik gefährdet auf Dauer die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

    Und zu Hilder: Einfach mal die LVZ-Ausgaben aus der Amtszeit von George W. Bush durchblättern und die Leitartikel Hilders lesen. Die Elogen auf den gefährlichsten Mann der Welt - zumindest, was die Nuller Jahre betrifft - sind mir noch gut in Erinnerung. Das wäre kein Problem gewesen, wenn in der LVZ diesbezüglich Meinungspluralismus geherrscht hätte. Hat er aber nicht.

  • Jobst P.
    September 27, 2011

    @stefanolix
    Ohne die Semantik zu übertreiben: Wir haben es bei der "massiven Vehemenz" nicht mit einer Tautologie zu tun, sondern mit einer bewussten Verstärkung eines durchaus schon starken Wortes. Denn es war schon nicht mehr nur Vehemenz, mit der die SK Sachsen Hilder durchdrücken wollte. Vehement wurde hinter den Kulissen geschraubt.
    Massiv wurde es spätestens mit den Einlassungen von Beermann im SPIEGEL ("kaum eine Instanz im Sender in Ordnung")und durch die sachlich unsinnige Verknüpfung zur sozialistischen Doktorarbeit von Frau Wille. Hier hat Beermann alle Camouflage fallen lassen und sich kräftig (massiv) positioniert und seinen Einfluss deutlich gemacht. Zudem passt das Adjektiv ja auch ganz gut auf den Absender. Aber nix für ungut.

  • stefanolix
    September 27, 2011

    Ich wollte die »massive Vehemenz« gar nicht als Tautologie werten. Ich meinte eigentlich, dass »massiv« nicht zu »Vehemenz« passt.

    Vehemenz: Die CDU hat sich kräftig [heftig, nachdrücklich, ungestüm, mit ganzer Kraft] für ihren Kandidaten eingesetzt.

    Massiv: Die CDU hat massiven [enormen, außerordentlich starken] Druck auf … ausgeübt, um ihren Kandidaten durchzusetzen.

    Beides müsste man nach meinem Sprachgefühl separat ausdrücken. »Massiv« ist eigentlich kein Merkmal, das zu Vehemenz passt.

  • stefanolix
    September 30, 2011

    Nachdem ich in dieser Woche einen Kommentar von Herrn Hilder (zur Piratenpartei) gelesen habe, muss ich zu bedenken geben: Wäre er MDR-Intendant geworden, dann hätte jemand anders den Kommentar schreiben dürfen. Für die Zeitung wäre es ein Gewinn gewesen ;-)

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