Wie parteiisch ist Riesa-Lokal.de? Oder: Wie Blogs die Medienlandschaft verändern

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Achtung, es folgt eine Provinzposse gewürzt mit einer ordentlichen Portion Verschwörungstheorie und unterstelltem Parteigeklüngel!

Wir haben: Einen ehemaligen(?) Lokalpolitiker, der ein Blog schreibt und das als Nachrichtenangebot tarnt; einige Lokalpolitiker von anderen Parteien, denen das mächtig stinkt, und einen fast ausgezeichneten Lokalblogger, der das alles aufschreibt. Was dabei auf der Strecke bleibt: Das eigentlich spannende am Thema.

Zur Sache: Die DJV-Zeitschrift "Journalist" berichtet diese Tage (11.9.2012) unter der Überschrift "Absender unbekannt" über die Internetseite Riesa-Lokal.de, auf der - der Name lässt es ahnen - Nachrichten aus Riesa publiziert werden. Von der Struktur her kann man die Seite wohl durchaus auch als Blog oder doch zumindest blogähnlich bezeichnen.

Nun weiß der "Journalist" zu berichten:

"Die Website, die diesen Sommer online ging, fiel dabei vor allem durch eines auf: Rathaus- und CDU-freundliche Berichterstattung."

Und weiter:

"Nicht wenige Riesaer Lokalpolitiker macht das skeptisch. Für sie ist Riesa-Lokal nicht einfach ein weiteres hyperlokales Angebot mit Polizeimeldungen, Veranstaltungshinweisen und ein wenig Lokalpolitik – sondern ein Verlautbarungsorgan der Christdemokraten."

In dem Journalist-Bericht kommen eine Vertreterin der Linken und ein Vertreter der lokalen SPD zu Wort, die ihren Unmut darüber äußern, dass sich

"die CDU eine eigene Internetzeitung gönne – ohne dies im Impressum auszuweisen."

Im Impressum der Seite ist Burkhard Kiehm als Macher und presserechtlich Verantwortlicher benannt. Kiehm ist ein ehemaliger Riesaer Anwalt, der für die örtliche CDU auch schon auf der einen oder anderen Wahlliste stand. Und richtig, seine Parteiangehörigkeit weist er im Impressum der Seite tatsächlich nicht aus - aber, äh, mal ne doofe Frage: Warum sollte er das tun?

Kiehm fühlt sich durch die "Journalist"-Geschichte direkt angegriffen - und wehrt sich auf seiner eigenen Seite. Titel seiner Replik: "Man kann es auch übertreiben – Thomas Trappe berichtet über Riesa-Lokal" (ja, richtig, Autor ist der Riesaer Journalist Thomas Trappe, der in der lokalpolitischen Szene Riesas und darüberhinaus auch als Blogger einen Namen hat).

Riesa-lokal.de-Macher Kiehm schreibt:

"Wenn ich auf den Seiten von Riesa-Lokal.de Beiträge zur Lokalpolitik schreibe, dann entspricht der Inhalt dieser Beiträge ausschließlich meiner Meinung und Überzeugung, egal wer genauso oder anders denkt, und darauf dürfen Sie sich verlassen."

In Richtung der kritisierenden Lokalpolitiker spricht er eine Einladung aus:

"Und wenn dann Frau Knebel und Herr Liebenow in der einen oder anderen Frage anderer Meinung sind, sind sie herzlich eingeladen bei Riesa-Lokal.de ihre Auffassung kund zu tun. Die ungekürzte wortgetreue Veröffentlichung ist bereits jetzt versprochen. Dies gilt natürlich auch für alle anderen, die sich im Demokratischen Sektor bewegen. Denn am Ende ist es immer besser miteinander zu reden, als übereinander."

Putzig. Aber so wie (Lokal-)Politiker gewöhnlich ticken, darf man skeptisch sein, ob das jemand annimmt. In solchen Kreisen verfährt man ja gewöhnlich nach dem Motto: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" - was sich dann wiederrum in so unsinnigen (und vom riesa-lokal.de-Macher offenbar geteilten) Aussagen widerspiegelt, die redaktionelle Berichterstattung der "Sächsischen Zeitung" sei über die Minderheitenbeteiligung der SPD-Medienholding DD_VG gesteuert. Wir hatten es an anderer Stelle schon mal angedeutet: Das ist eine Verschwörungstheorie, die von völliger Unkenntnis der Redaktionsarbeit einer solchen Zeitung zeugt.

Für den Vorwurf, riesa-lokal.de sei parteipolitisch gesteuert, bringt die "Journalist"-Geschichte keinen direkten Nachweis. Der wäre wohl auch nur schwerlich zu erbringen, dafür müsste der Autor ja handfeste Beweise in Form von Dokumenten vorlegen bzw. vorliegen oder zumindest mehrere glaubwürdige Zeugenaussagen haben. Hat er aber offenkundig nicht, also dokumentiert er das Unbehagen der anderen Parteien. Andererseits ist die Ausgangsthese auch ganz schön gewagt - eine verdeckte Finanzierung eines solchen Angebotes dürfte den Parteivertretern über kurz oder lang auf die Füße fallen (Stichwort: Rechnungshof). Was nicht heißen soll, dass sie nicht trotzdem denkbar wäre.

Da setzt sich also jemand, der selbst parteipolitisch engagiert ist, hin und schreibt eine Seite voll, die über die Aufmachung und den Namen wie ein Nachrichtenangebot daherkommt - und schon steht die Lokalpolitik Kopf? Und der "Journalist" berichtet? Wäre es nicht angemessen gewesen, Herrn Kiehm mal nach der Reichweite seines Blogs zu fragen, bevor man ihm so eine prominente Bühne verschafft?

"Am Ende setzt sich Qualität durch."

So lässt sich Jens Ostrowski, örtlicher Redaktionsleiter der "Sächsischen Zeitung", in der "Journalist"-Geschichte zitieren. Ohne dass wir uns damit gemein machen wollen: Das ist eine Aussage, die manchem Lokalpolitiker wie Hohn vorkommen wird. Denn in der Lokalpolitik ist es schon ein Stereotyp, die Unsachlichkeit der heimischen Zeitung zu beklagen (egal, wo man wohnt). Konkret geht es dabei vor allem um die Frage: Ab wann ist Berichterstattung noch Berichterstattung und wo beginnt die Wertung?

Aber genau an der Stelle hätte die "Journalist"-Geschichte ansetzen können: Was passiert eigentlich, wenn sich ein Lokalpolitiker hinsetzt und anfängt, ein eigenes Medium zu machen - was heute problemlos möglich ist?

Die Antwort hätte sicherlich auch außerhalb der Provinz interessiert.

Hinweis für die unbedarften Leser: Wer die Kundenliste von stawowy media kennt, weiß, dass dort auch das Kürzel CDU auftaucht. Es hat mich bei der Kommentierung dieses Vorgangs nicht beeinflusst (meine Meinung). (owy)

3 Kommentare
  • Jan Frintert
    September 13, 2012

    Wieso eigentlich fast augezeichnet? Ist mir da was entgangen?

  • owy
    September 13, 2012

    Er war mal für den Grimme-Online-Award nominiert: http://thomastrappe.wordpress.com/2010/05/11/in-eigener-sache-grimme-online/

  • Roy Paweck
    September 14, 2012

    Riesa-lokal.de ist einmalig (in Riesa)!

    Wer im Impressum von riesa-lokal.de nachliest, dem wird unmissverständlich gewahr, dass die Quelle der Beiträge ohne redaktionelles Kürzel Herr Burkhard Kiehm ist, der diese Beiträge im Sinne des Presserechtes zu verantworten hat. Für jeden lokalpolitisch interessierten Riesaer ist auch klar, dass Herr Kiehm langjähriges CDU- Mitglied ist. Es gibt jedoch drei wichtige Unterschiede zwischen dem Printmedium das Herrn Trappe einst bezahlte, und dem lokal sehrbegrenztem Internetangebot von riesa-lokal.de. Denn riesa-lokal.de ist zum einen kostenlos. Es ist zum Anderen äußerst ansprechend gestaltet. Und das Wichtigste, es ermöglicht jedem Leser (!) unter der Rubrik „comment“ eigene Meinungsäußerungen zu veröffentlichen. Riesa-lokal.de zeichnet sich alz einziges Riesaer Medium dadurch aus, dass dort missliebige Leserbriefe eben nicht von „redaktionellen Flachfeilen“ im vorauseilenden Kadavergehorsam pulverisiert werden. Dies ist in der Riesaer Medienlandschaft einmalig! Wenn Herr Trappe den „Absender“ für „unbekannt“ erklärt, dann zeugt das einfach vom neidischen Geltungsbedürfnis eines erfolglosen Blog-Betreibers, der sich im fernen Berlin seit Jahren selbst für seine „Grimme online Award“ - Nominierung feiert, und offenkundig genug Zeit hat, sich um ein unbedeutendes Internetangebot in der sächsischen Provinz zu kümmern.

    Roy Paweck -übrigens langjähriges Mitglied im SPD-Ortsverein Riesa-

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