Interessiert sich eigentlich noch irgendwer für Zeitschriften? Okay, okay, fiese Frage – wir interessieren uns!
Unsere Auswertung der sächsischen Zeitungsauflagen von vergangener Woche hat ganz nebenbei auch eine Tabelle für die Zeitschriften "abgeworfen". Die Ergebnisse bergen einige interessante Aussagen, zumal wir uns schon eine ganze Weile nicht mehr mit dem Markt der Zeitschriften beschäftigt haben.
Vorweg kurz als Erläuterung zur Tabelle: Der direkte Vergleich von Kauf-Zeitschriften und kostenlosen Titeln ist so im Grunde nicht in Ordnung. Auf der einen Seite wird die "harte", verkaufte (und nicht etwa die gedruckte oder verbreitete) Auflage ausgewertet. Auf der anderen Seite werden die verbreiteten (eben kostenlos verteilten) Exemplare gezählt. Es ist aber, so die allgemeine Interpretation, ein gewaltiger Unterschied, ob man eine Zeitschrift bewusst am Kiosk kauft oder irgendwo ein ausgelegtes Exemplar vielleicht (!) mitnimmt.
Dass beide Varianten, kostenlose und Kauf-Titel, bei uns in einer Tabelle auftauchen, liegt schlicht an unserem regionalen Interesse.
Ebenfalls nicht ganz statthaft: Die national verbreitete "SUPERillu" mit dem "Kreuzer", der bekanntlich nur in Leipzig und Umgebung erscheint, in einer Kategorie zu führen. Aber wenn es doch sonst schlicht keine relevanten IVW-gemeldeten Kaufzeitschriften mehr im Freistaat gibt?
Kommen wir zur Auswertung unserer Tabelle:
"Kreuzer" mit Auflagenplus, "SUPERillu" nähert sich 300.000er Marke
Da sticht als erstes ins Auge: Das Stadtmagazin "Kreuzer" hat ein Pluszeichen im Vergleich zum Vorjahresquartal. Ein Pluszeichen in einer IVW-Tabelle!!! ;-) Im Ernst: Auch im Rückblick auf die Auflage der vergangenen zwei Jahre hält sich der "Kreuzer" bemerkenswert stabil am Markt. Gut, 543 mehr verkaufte Exemplare als im Vorjahresquartal sind nicht die Welt. Trotzdem gebührt einem Plus von 5,94 Prozent der Anerkennung – herzlichen Glückwunsch!
An Zuwächse in der Auflage glaubt man bei Dickschiffen wie der "SUPERillu" vermutlich nicht mehr. Immerhin bringt der Titel, der den größten Teil seiner Auflage in Ostdeutschland absetzt und nach wie vor die reichweitenstärkste Zeitschrift in den östlichen Bundesländern sein dürfte, noch über 324.000 Exemplare unter die Leute – es waren vor einigen Jahren noch über eine halbe Millionen. Dennoch, auch die aktuelle ist eine nicht zu verachtende Auflage, zumal es anderen nationalen Titeln ähnlich geht. Und: Es gibt nach wie vor in den fünf neuen Bundesländern keinen vergleichbaren Wettbewerber.
Bei den kostenlosen Titeln ist es gewöhnlich so, dass sich in den Auflagen nur wenig tut. Man druckt und verteilt mal ein paar Exemplare mehr, mal ein paar weniger. Das ist in der vorliegenden Tabelle auch zu sehen – mit der Ausnahme des "Spiesser", der nationalen Jugendzeitschrift mit Sitz in Dresden. Dort hat man offenbar zum Jahresanfang die Auflage um über 100.000 Exemplare reduziert. Immerhin, so ist in den Mediadaten zu lesen, liegt die Reichweite inzwischen deutlich über der Druckauflage.
Zeitschriften in Sachsen zunehmend ohne geprüfte Auflagen
Früher war es mal so, dass die Meldung bei der IVW unumgänglich war, um nationale Anzeigen zu bekommen – denn die großen Media-Agenturen schalteten nur nach harten Zahlen (IVW und Reichweite, z.B. MA oder AWA). Wahlweise ist dem nicht mehr so oder, was uns wahrscheinlicher erscheint: Viele Stadtmagazine sind für nationale Werbung nicht mehr interessant. Denn, was bei den Zeitschriften insgesamt auffällt, steht eben nicht in der Tabelle: Es sind weniger als früher.
Inzwischen nicht mehr bei der IVW gelistet, also abgemeldet: "Frizz" (kostenloser Titel, zuletzt 1/2010 gemeldet, erscheint aber noch), "Prinz" (ehemals nationaler Kauftitel mit Dresden- und Leipzig-Ablegern, gibt es nur noch als Online-Angebot), das "371 Stadtmagazin" für Chemnitz (seit 2/2013 nicht mehr IVW-gemeldet, sieht aber noch mächtig lebendig aus) sowie eine ganze Reihe lokaler "port01"-Ableger (gefühlt genausoviele sind noch gemeldet).
Ebenfalls schon seit 1/2012 nicht mehr gemeldet: das Desdner Stadtmagazin "SAX". Im ersten Quartal 1/2012 war das Blatt noch mit 3.980 verkauften Exemplaren gemeldet, davon 1.498 Abonnenten. Inzwischen, zwei Jahre nach der Abmeldung bei der IVW, ist in den Mediadaten von sage und schreibe 6.512 verkauften und 2.192 Abonnenten die Rede. Was für ein Sprung!
Sollte sie es doch noch geben, die Auflagenwunder? Oder sollen wir uns lieber verwundert die Augen reiben?
Für uns bleibt das Fazit: Die neutrale Prüfung von Auflagen durch die IVW hat wohl doch noch eine Berechtigung – nicht nur für nationale Anzeigenkunden.
Transparenzhinweis: Ich habe mal sowohl für "Spiesser" als auch "Prinz" (Wettbewerber von "Sax", "Frizz", "Blitz" und wie sie alle heißen) gearbeitet. Zum Thema "Sax"-Auflage: Danke an den Hinweisgeber!
April 29, 2014
Liebe Flurfunk-Kollegen,
schön, dass Sie bei Ihrer geschätzten Medienberichterstattung aus Sachsen auch den SONNTAG, die evangelische Wochenzeitung für Sachsen, im Blick haben (in Ihrem Buch zur sächsischen Medienlandschaft fehlt die konfessionelle Presse ja leider). Und: Ganz so übel ist unsere Auflagenentwicklung im Marktvergleich ja auch nicht. Schließlich sind wir ein Kauf-, und nicht wie von Ihnen eingeordnet ein Kostenlos-Titel. Für weitere Rückfragen bin ich immer gern für Sie da. Viele Grüße aus Leipzig
April 29, 2014
@Andreas Roth: Uiiih, schwerer Fehler, wie konnte das passieren? War keine böse Absicht. Ich habe die Tabelle gerade aktualisiert und bitte vielmals um Entschuldigung!
April 29, 2014
P.S.: Der Hinweis auf die konfessionelle Presse für das Medienbuch ist angekommen – die hatte ich zugegeben damals nicht auf dem Schirm. Gibt es außer dem "Sonntag" noch weitere relevante Medien in dem Bereich im Freistaat?
April 29, 2014
@owy wunderbar, vielen Dank! Neben dem SONNTAG (und vom Evangelischen Medienhaus angestellten Redakteurinnen bei PSR und Hitradio RTL sowie dem epd) gibt es natürliche noch die katholische Wochenzeitung Tag des Herrn.