Markus Schlimbach: “Meine Rechte als Rundfunkrat haben nur bedingt etwas mit Kontrolle zu tun.”

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Gefühlt findet aktuell jede Woche irgendwo eine Podiumsdiskussion statt, in der es um die Auswirkungen des RBB-Skandals und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht. Tatsächlich scheint die Diskussion noch nicht vorbei zu sein.

Wir hatten den Skandal ja zum Anlass genommen, einzelnen Rundfunkräten einen kleinen Fragenkatalog mit der Bitte um Beantwortung zu schicken. Sechs Antworten sind schon erschienen (am Ende des Beitrags verlinkt), hier kommt eine weitere.

"Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich ein 'Abnick-Gremium' erlebt"

Markus Schlimbach ist Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbund in Sachsen und als DGB-Vertreter auch Mitglied im MDR-Rundfunkrat. Er gehört dem Gremium seit 2007 mit längeren Unterbrechungen an und ist aktuell als stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Sachsen aktiv. Er ist außerdem Aufsichtsrat bei der MDR-Tochter MDRMedia.

Hier seine Antworten auf unsere Fragen:

FLURFUNK: Was bedeutet der RBB-Skandal für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Arbeit der ÖRR-Gremien?
Der rbb-Skandal bedeutet einen tiefgreifenden Einschnitt in die Wahrnehmung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Leider gibt es mit dem MDR- und Kika-Skandal von vor 10 Jahren ebenfalls Skandale, die bereits die Arbeit und die Wahrnehmung des MDR beeinflusst haben. Daraus wurden Schlüsse gezogen, unter aktiver Beteiligung der Gremien, die z.B. beim MDR zu hohen Standards von Compliance-Regelungen geführt haben. Die Arbeit der Gremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss ständig ausgebaut und verbessert werden. Ich bin überhaupt kein Freund davon, sich auf den erreichten Standards auszuruhen. Da hat sich in den letzten Jahren schon einiges verbessert.

FLURFUNK: Ist der MDR Ihrer Meinung nach ausreichend kontrolliert?
Dass es 30 Jahre dauerte, bis ein MDR-Staatsvertrag geändert und damit auch die Kontrolle durch die Gremien aktualisiert wurde, zeigt doch eher, dass die Politik die Kontrolle nur widerwillig durch eine Stärkung der Gremien verbessern will. Dabei sitzen in jeder Rundfunkratssitzung drei Vertreter jedes Bundeslandes als sogenannte Rechtsaufsicht im Rundfunkrat, deren Rolle ich lediglich als zusätzliche Protokollanten wahrnehme. Als Rundfunkrat erhalte ich keinen juristischen Rat durch die Rechtsaufsicht. Darüber hinaus hat jede Landesregierung einen Vertreter im Rundfunkrat. Hinzu kommen die umfangreichen Prüfungen der Landesrechnungshöfe. Eine Landesregierung, die behauptet, nicht informiert gewesen zu sein, übt ihre Kontrollmöglichkeiten nicht aus.
Meine Rechte als Rundfunkrat haben nur bedingt etwas mit Kontrolle zu tun. In §17 des MDR-Staatsvertrages steht zwar, „übt die ihm hierzu eingeräumten Kontrollrechte aus“. Diese sind jedoch nirgends niedergelegt. Es werden Aufgaben beschrieben, die der Rundfunkrat zu erfüllen hat. Deshalb halte ich es für unsere Aufgabe als Rundfunkrat, diese Kontrollrechte zu definieren und auszufüllen, z.B. ob es externe Gutachten und Stellungnahmen geben muss.

FLURFUNK: Ist der MDR-Rundfunkrat ausreichend ausgestattet, um seine Aufgaben zu erfüllen?
Als ich vor über 10 Jahren erstmalig in den Rundfunkrat kam, gab es eine Mitarbeiterin im Gremienbüro. Das hat sich seitdem deutlich gebessert. Aber eine Ausweitung der Kontrollen durch die Gremien bedeutet auch, dass die professionelle Unterstützung des ehrenamtlichen Rundfunkrates nur durch eine Aufstockung des Gremienbüros zu leisten ist. Qualifizierungen und Fortbildungen müssen auch für Gremienmitglieder angeboten werden und bei bestimmten Angelegenheiten auch verpflichtend sein, um die medienpolitische Kompetenz zu stärken.

FLURFUNK: In der Diskussion um den RBB fiel in der Berichterstattung bezüglich des Rundfunkrats dort das Wort "Abnick-Gremium“: Wie groß ist der Einfluss der MDR-Intendanz auf die Arbeit des MDR-Rundfunkrats?
Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich ein „Abnick-Gremium“ erlebt, indem eine abweichende Stimme oder gar eine Ablehnung als Majestätsbeleidigung aufgefasst wurde. Mit der Nichtwahl eines Intendantenkandidatenvorschlages 2011 hat der Rundfunkrat erstmals seine Macht erkannt und seitdem geht es deutlich kontroverser und spannender zu. In die Arbeit der MDR-Intendanz brauche ich Vertrauen. Vertrauen kann ich nur haben, wenn ich mich umfassend informieren kann und informiert werde. Nur so kann ich auch kompetent entscheiden. Und natürlich gehört auch dazu, umfassende Vorlagen zu lesen und zu verstehen.

FLURFUNK: Gibt es etwas, was sich Ihrer Meinung nach beim MDR-Rundfunkrat ändern sollte?
Die Einbeziehung der Beschäftigten. Der Personalrat und der Freienrat darf an den Rundfunkratssitzungen teilnehmen, wird aber nur bei Bedarf gehört. Mein Bedarf wäre da sehr hoch. Übrigens auch in den Ausschüssen des Rundfunkrates, wo die Beschäftigtenvertreter gar nicht teilnehmen können. Gerade ihre Sicht und die Kenntnisse der Beschäftigten ist für eine umfängliche Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unverzichtbar. Darüber hinaus braucht es beim MDR eine staatsvertraglich verankerte Redaktionsvertretung, die sich mit Programmkonflikten befasst, die über den „Beirat der Intendantin“ hinausgeht. Das haben fast alle Sender in der ARD – hier besteht Nachholbedarf.

FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview!

Hier noch ein Lesehinweis: Die 29 DGB-Vertreterinnen und Vertreter in den Rundfunkgremien der ÖRR haben Ende September einen Forderungskatalog für die Reform vorgelegt: "Rundfunkrät*innen der Gewerkschaften legen gemeinsame Erklärung vor".

In dieser Interview-Reihe bereits erschienen sind:

"Foto: MDR/PUNCTUM Stefan Hoyer

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