Andreas Nowak: “Der RBB-Skandal kann nicht isoliert gesehen werden”

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Nach wie vor ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk - ausgelöst durch die Vorgänge beim RBB - großes Diskussionsthema. Schon im September hatten wir deswegen ausgewählte Mitglieder des Rundfunkrats des MDR gefragt:

Wie ist das beim MDR? Ist der Rundfunkrat ausreichend mit Personal und Mitteln ausgestattet? Wie läuft das mit der Kontrolle beim MDR?

Und was bedeutet der Skandal beim RBB für den übrigen ÖRR?

Uns hat ein weiteres Mitglied des Rundfunkrats geantwortet, die schriftlichen Antworten lesen Sie unten.

Die nächste öffentliche Sitzung des Gremiums ist übrigens am Montag, den 10.10.2022 in Leipzig.

Andreas Nowak: "Hier ist also einiges im Argen und bei der Kontrolle der Anstalt erheblich Luft nach oben."

Andreas Nowak

Andreas Nowak ist medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtags und Mitglied im MDR-Rundfunkrat. Hier seine Antworten auf unsere Fragen:

FLURFUNK: Was bedeutet der RBB-Skandal für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Arbeit der ÖRR-Gremien?

Ich gehe davon aus, dass der RBB-Skandal als „tipping point“ in die Geschichte der Diskussionen um die Durchsetzung tiefgreifender Reformen beim ÖRR eingehen wird. Er kann auch nicht isoliert gesehen werden, sondern stellt nur den bisherigen Höhepunkt einer ganzen Serie von Skandalen, problematischen Vorgängen und Merkwürdigkeiten in diversen ÖRR-Anstalten dar. Beim MDR gb es vor Jahren eine Serie großer Skandale, z.B. die verlustreichen Währungsspekulationen, der Skandal um den Sportchef Wilfried Mohren, der Kinderkanal-Skandal und die Machenschaften von MDR-Unterhaltungschef Udo Foth. Oder ganz aktuell: Die fünfstelligen Zahlungen des MDR an den stellvertretenden Vorsitzenden der KEF, Ralf Seibicke, aus Sachsen-Anhalt. Der hat während seiner Zeit in der KEF 60.000 Euro vom MDR kassiert. Dass das nicht koscher war, sieht nicht nur der jetzige Rechnungshofpräsident von Sachsen-Anhalt so, sondern auch der damalige Vorsitzende der KEF, Heinz Fischer-Heidlberger.

Auch der Rücktritt der Landesfunkhauschefin in Sachsen-Anhalt weist ja Merkwürdigkeiten auf. Der Name Hoge ist ja jetzt nicht so häufig wie Müller oder Meier. Und dass Journalisten aus Sachsen-Anhalt, die aktuell in der Sache recherchiert haben, eine fehlende Auskunftsbereitschaft der Intendantin in dieser Sache beklagen, ist ein Problem. 

Leider sieht es in den anderen ARD-Anstalten nicht besser aus. Da sind die vielfältigen Vorwürfe, denen sich leitende Mitarbeiter des NDR ausgesetzt sehen. Der jüngste ist eine Amigo-Affäre der stellvertretenden Intendantin. Oder die Besorgnis, ob der ÖRR die Neutralität seiner Berichterstattung noch ernst nimmt. Mit Georg Restle hatte einer der maßgeblichen WDR-Redakteure ja schon 2018 durch ein leidenschaftliches Plädoyer in ausgerechnet einem WDR-Magazin für einen sogenannten Haltungsjournalismus die Wahrnehmung vieler Zuschauer bestätigt, dass persönliche Überzeugungen von Redakteuren wichtiger für deren Arbeit sind als Objektivität. Solche Leute erweisen den unabhängigen und nach größtmöglicher Objektivität strebenden ÖRR-Journalisten einen Bärendienst. Jüngster Skandal in dieser Reihe ist der Kommentar des WDR-Redakteurs Detlef Flintz diesen Sommer. Er ist Mitglied im Stadtvorstand der Grünen in Grevenbroich und spricht in den Tagesthemen einen Kommentar, dass Energie immer teurer werden müsse, damit die Energiewende in Fahrt kommt. Dass erst WDR-Intendant Tom Buhrow diese Machenschaften stoppen musste, sagt viel über das Klima in den Redaktionen des WDR aus. Ein Hajo Friedrichs wäre nie auf die Idee gekommen, einen parteipolitisch eingefärbten Kommentar zu sprechen. Das zeigt exemplarisch, wie groß die Probleme sind.

Ich denke, die Summe Dutzender solcher Vorgänge hat aber nun dafür gesorgt, dass das Thema auch in der breiten Bevölkerung angekommen ist. Gut so! Denn vor diesem Hintergrund stehen die Chancen gut, dass die seit langem dringend erforderlichen Reformen jetzt durchgesetzt werden, zu denen zweifellos auch eine deutliche Stärkung der Aufsicht gehört.

FLURFUNK: Ist der MDR Ihrer Meinung nach ausreichend kontrolliert?

An Gremien mangelt es jedenfalls nicht. Mit Verwaltungsrat, Rundfunkrat, der Rechtsaufsicht durch die Staatskanzleien und die unabhängigen Rechnungshöfe sind für alle maßgeblichen Bereiche Zuständige vorhanden. Die Frage ist, ob sie diese Aufgaben von der aktuellen Ausstattung her und auch personell-inhaltlich ordentlich bewältigen können. Und ob auch alle kontrollieren wollen.

FLURFUNK: Ist der MDR-Rundfunkrat ausreichend ausgestattet, um seine Aufgaben zu erfüllen?

Optimal wirksam kann eine Aufsicht nur sein, wenn sie völlig unabhängig von der zu beaufsichtigenden Körperschaft ist und über genügend Ressourcen verfügt, um sich alle Informationen und Einschätzungen zu verschaffen, die sie zur Beurteilung der Sachverhalte braucht. Ich bin jetzt erst ein reichliches halbes Jahr im Rundfunkrat. Aber ich habe bereits jetzt das Gefühl, dass die räumlich-organisatorische Nähe zum MDR zu groß ist und die materielle Ausstattung eine Limitierung der Arbeit bewirkt. So wird zum Beispiel bei Rechtsangelegenheiten - und da gibt es nicht wenige - durch die Führung des Rundfunkrates stets der Juristische Direktor gefragt. Das betrifft nicht nur Fragen bezüglich der Entscheidungen der Anstalt oder der Programmbeschwerden der Zuschauer, sondern auch Themenkomplexe, die das Selbstorganisationsrecht des Rundfunkrates betreffen, zum Beispiel wie der MDR-Staatsvertrag auszulegen ist, wenn sich mehrere entsendeberechtigte Organisationen nicht auf einen Sitz im Rundfunkrat verständigen können.

Da trägt dann der abhängig Beschäftigte und dem Weisungsrecht der Intendantin unterliegende Direktor dem Kontrollgremium vor, wie es aus seiner Sicht die Gesetze anwenden sollte. Dass hier Interessenskonflikte vorprogrammiert sind, liegt auf der Hand. Und da gibt es auch einen ganz konkreten, ganz aktuellen Fall, in dem das jetzt in diesen Tagen zum hochaktuellen Problem wird, weil sogar eine Klage gegen den MDR eingereicht wurde. Offenbar wurde vor der Entscheidung des Rundfunkrates am 28. Februar 2022 über die Besetzung der Gewerkschaftsplätze im Rundfunkrat eine seit 10 Jahren durch das Bundesverfassungsgericht existierende Rechtsprechung nicht berücksichtigt. Gegen diese Entscheidung liegt seit Mai (!) beim Vorsitzenden und der weiteren Führung des Rundfunkrates der Widerspruch einer entsendeberechtigten Organisation vor. Der wurde bisher nicht beschieden. Nach drei Monaten hat die betroffene Organisation aber offenbar die Möglichkeit der Untätigkeitsklage. Das wäre ab August gewesen. Erst für Oktober hat die Führung das Thema nun auf die Tagesordnung des Rundfunkrates gesetzt. Eine mögliche Beschlussfassung im September oder früher hat in der Führung offenbar niemand für nötig gehalten, obwohl es einen Vorhalte-Termin für eine Rundfunkrats-Sitzung im Jahresplan gab. Im Übrigen kann der Vorsitzende des Rundfunkrates jederzeit eine Sitzung einberufen, wenn er es für erforderlich hält (Artikel 5, Absatz 2, Punkt a) der MDR Satzung). Das wäre hier zweifelsohne gegeben. Bisher wurde die Gefahr einer Untätigkeitsklage gegen den MDR im Rundfunkrat auch nicht vorgetragen, weder durch den Vorsitzenden, noch durch den Juristischen Direktor oder die Intendantin. Hier ist also einiges im Argen und bei der Kontrolle der Anstalt erheblich Luft nach oben. Da muss der Rundfunkrat besser ausgestattet werden und mehr eigenen Kontroll-Ehrgeiz entwickeln.

Auch die zurückgetretene Vorsitzende des RBB-Rundfunkrates hat die unzureichende Ausstattung für ihr Gremium kritisiert. Das muss uns zu denken geben.

FLURFUNK: In der Diskussion um den RBB fiel in der Berichterstattung bezüglich des Rundfunkrats dort das Wort "Abnick-Gremium": Wie groß ist der Einfluss der MDR-Intendanz auf die Arbeit des MDR-Rundfunkrats?

Bestimmte Vorgänge legen nahe, dass der Einfluss in der Vergangenheit zumindest nicht gering war. Da wurde mit Wolf-Dieter Jacobi ohne erkennbaren Grund ein gebürtiger Ostdeutscher vorzeitig aus dem Amt des Programmdirektors Leipzig entfernt. Nachfolger wird ein Journalist ohne jeglichen erkennbaren Ostbezug, ohne Führungserfahrung bei Radio und Fernsehen. In seine Zeit als langjähriges Mitglied der Redaktionsleitung des Spiegels und später als Chefredakteur dieses Nachrichtenmagazins fällt in den Jahren bis 2018 die Affäre Relotius, der größte Skandal des deutschen Journalismus neben der Erfindung der Hitler-Tagebücher durch den Stern in den 1980ern. Eine leidenschaftliche Debatte um diese bemerkenswerte Personalentscheidung hat es im Rundfunkrat meines Wissens nach nicht gegeben. Das Abstimmungsergebnis ist bekannt.

Oder der Abgang der ARD Infonacht aus Halle: Ohne vernehmlichen Protest des Rundfunkrates wird das letzte ernsthafte nationale ARD-Nachrichtenformat Anfang 2021 vom Osten in den Westen umgezogen. Der MDR bekam im Gegenzug die ARD Hitnacht, einen Dudelfunk, der von den privaten Radios nicht zu unterscheiden ist. Dabei sind zu diesem Zeitpunkt von 50 Gemeinschaftseinrichtungen der ARD (GSEA) nur zwei im Osten beheimatet. An dieser völlig ungenügenden Verteilung der GSEA zwischen Ost und West ändert auch die neue ARD-Kulturplattform in Weimar nichts. Dort gibt es keine redaktionelle Hoheit, sondern es wird nur aus den Angeboten der ARD-Anstalten kuratiert, mit 30 Planstellen und einem Budget, das weniger als 10 Mio. Euro beträgt. Es gibt in Ostdeutschland 32 Jahre nach der Deutschen Einheit keine deutschlandweit publizistisch wichtige Leitredaktion. Ich denke, auch hier hätte sich der damalige MDR-Rundfunkrat druckvoll zu Wort melden müssen.

FLURFUNK: Gibt es etwas, was sich Ihrer Meinung nach beim MDR-Rundfunkrat ändern sollte?

Entsprechend dem eben dargelegtem Befund werde ich mich für eine Stärkung des Kontrolle und Aufsicht einsetzen. Grade Rechtsfragen wurden bisher immer nur innerhalb der Anstalt besprochen. Externe Expertise wurde nicht eingeholt. Eigentlich ist das schon heute ungenügend. Spätestens aber mit der kommenden Novellierung des Medienstaatsvertrags wird das nicht mehr zu halten sein. Dabei muss der Rundfunkrat unabhängig von der Intendanz und den ihr nachgeordneten Geschäftsbereichen und Direktionen agieren. Wenn die Gremien mehr Verantwortung bekommen sollen, muss im Bereich der Kontrolle aufgerüstet werden, und zwar außerhalb der Strukturen der Anstalt. Dass die Vorsitzenden des Rundfunk- und des Verwaltungsrates und das für beide Organe zuständige Gremienbüro bisher Tür an Tür mit der Intendanz sitzen, erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls dringend der Überprüfung würdig.

In dieser Interview-Reihe bereits erschienen sind:

Transparenzhinweis: STAWOWY als Beitreiber des FLURFUNK ist auch als Dienstleister für die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtags tätig. Im Auftrag der Fraktion produzieren wir die Zeitschrift EINBLICK. 

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