BILD Sachsen: Lokalseiten weg, kaum regionales bei BILD Ost

Von Leonhard Pitz

BILD berichtet kaum noch über Ostdeutschland. Diese Entwicklung machte sich vor allem in den letzten Tagen im Blatt bemerkbar. Als Konsequenz der „Digital Only“-Reform stampfte BILD die lokalen Seiten Leipzig, Dresden und Co. ein und ersetzte sie durch eine Regionalseite. Doch selbst die liefert an manchen Tagen nichts Regionales.

Was heißt „Digital only“?

Wie der Medieninsider (Paywall) im Juni 2023 berichtete, wollte BILD im Zuge der Umstellung auf „Digital Only“ bis zu 200 Stellen abbauen. Fast alle Regionalbüros, darunter Chemnitz und Dresden, sollten geschlossen werden.

Statt der bisherigen lokaler Ausgaben wurde eine BILD Sachsen angekündigt. Diese wird nun – wie die anderen Regionalausgaben – zentral in Berlin zusammengebaut. Die Redakteur:innen und Reporter:innen arbeiten primär für online.

Im Zuge der Reform sollte die Lokalseite zu einer Art Sachsenseite werden.

BILD Ost statt BILD Dresden

Schon Ende vergangenen Jahr las man auf der Dresden-Seite mitunter auch Geschichten aus Leipzig oder anderen Teilen des Freistaats.

Zum Jahreswechsel tilgte BILD den Ortsbezug dann komplett von der Seite. Stattdessen ist die Seite oben nun mit „BILD OST“ überschrieben. Auch der lokale Sport wurde regionalisiert, Dresdener BILD-Kunden lesen also inzwischen auch die Meldungen über Lokomotive Leipzig.

FLURFUNK hat dem Axel Springer-Verlag eine Reihe an Fragen zu den Veränderungen bei BILD geschickt. Eine ausführliche schriftliche Antwort hat der Verlag bis zum Redaktionsschluss nicht geliefert . (Update 19.1.24: Die Antwort liegt inzwischen vor, wir haben sie am Ende des Textes unter: „Was sagt Springer dazu?“ ergänzt). Ein Pressesprecher sagte FLURFUNK jedoch telefonisch: „Alle Regionalausgaben erscheinen mit einer Regional-Seite und einer regionalen Sport-Seite.“

Doch das die neue Regionalseite in der BILD Sachsen keine rein sächsische Angelegenheit bleibt, zeigen die letzten Tage.

Leverkusen und Santiago statt Sachsen

BILD-Sachsen-Seite vom 17.1.2024: Sachsen-Thema fehlen völlig

Beispiel: Die Ausgabe vom Montag, 15. Januar. Sächsische BILD-Kunden lasen dort Artikel über einen Leverkusener Clan-Chef, ein verhungertes Rennpferd in Dahlenburg (Niedersachsen) und den österreichischen Sexualstraftäter Josef Fritzl.

Am darauffolgenden Tag spielen immerhin zwei von sechs Geschichten in Ostdeutschland: Die Meldungen „Ladendetektiv verkauft 486 Klau-Artikel bei eBay“ aus Dessau-Roßlau und „Trunkenheit im Traktor“ aus Erfurt.

Sächsische Orte sucht man vergebens, die weiteren Ortsmarken sind Kempen (NRW), Nancy (Frankreich), Santiago (Chile) und Wien. Einen großen Teil der Seite füllt zudem – wie bereits am Vortag – ein Kreuzworträtsel.

Defacto keine Lokalberichterstattung mehr

Schon die Abschaffung der Lokalseite findet Matthias Hasberg, Pressesprecher der Stadt Leipzig, katastrophal. „BILD hatte eine – im Rahmen des Boulevards – wirklich gut recherchierte Lokalseite“, sagte Hasberg gegenüber FLURFUNK. Die Redaktion hätte auch lokalpolitische, nicht immer leicht-zugängliche Themen gut aufbereitet.

„Jetzt habe ich dort nur noch Rotlicht und Blaulicht“, beklagt Hasberg und ordnet ein, was das für seine Arbeit als Pressesprecher heißt: „Damit fehlen mir auf einmal 30.000 Menschen.“

Auch von ehemaligen Mitarbeiter:innen ist zu hören, dass die Themenvielfalt komplett weg sei. Neben der Lokalpolitik gebe es auch keine Berichterstattung mehr über lokale Kultur und beispielsweise weniger Medizinthemen.

„Es bleibt nur noch eine ‚Mallorca-BILD‘ übrig“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Also eine BILD ohne lokale und regionale Themen. „Das raubt BILD am Ende ganz klar die Relevanz“.

Schon jetzt heißt es aus Landtags-Kreisen, dass etwa die Dresdener Morgenpost (jüngst an Madsack verkauft, vgl. FLURFUNK vom 10.1.2024: "Madsack übernimmt DDV-Mediengruppe (u.a. Sächsische Zeitung)"), auch eine Boulevard-Zeitung, deutlich besser über lokal- und landespolitische Themen informiert sei als BILD.

Mitarbeiterabbau und Büroschließungen

Die Zahl der BILD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Osten sei erheblich geringer, erzählt ein anderer ehemaliger Angestellter. Um wie viel genau ist unklar. Der Axel Springer-Verlag gibt dazu keine genauere Auskunft.

Bei dem Stellenabbau sei der Axel Springer Verlag kulant und großzügig vorgegangen, heißt es von einem ehemaligen Mitarbeiter.

Dennoch seien in Dresden mehr als die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und damit „relativ viele“ – geblieben, heißt es. Das Büro sollte zwar geschlossen werden, dies ist aber wohl noch nicht geschehen. Wie zu hören ist, läuft der Mietvertrag noch.

Bis zu Jahreswechsel war das Büro auch noch mit eigener Adresse im Impressum aufgeführt, im Unterschied etwa zu Chemnitz. Inzwischen findet sich keine Adresse der sächsischen BILD-Büros mehr im Impressum.

Der Regio-Desk in Leipzig soll aber bleiben, heißt es. Das war zur Verkündung des Umbaus im Sommer 2023 keineswegs klar. Auch der Sprecher des Axel Springer Verlags bestätigt telefonisch, dass Leipzig als einer der wenigen Standorte außerhalb Berlins weiterbestehen soll – gemeinsam mit Essen, Frankfurt, Hamburg und München.

Die genauen Aufgaben des Desks bleiben allerdings unklar.

Update 19.1.2024: Was sagt Springer dazu?

Der Axel-Springer-Verlag hat inzwischen geantwortet. Statt auf unsere Fragen einzeln einzugehen, reagierte der Verlag mit einem allgemeinen Statement.

Nach der Umstellung auf Digital Only kümmere man sich bei BILD „noch stärker und schneller als bisher darum, was Menschen aus ihrer Region lesen wollen. Und die großen Geschichten aus Sachsen können so auch bundesweit über das digitale Deutschland-Desk in Berlin bei BILD mehr Raum bekommen, das alle regionalen digitalen Auftritte zentral steuert. Hier konzentrieren wir auch für alle Regionen zentrale Aufgaben wie Layout und Herstellung.“

Die Politikberichterstattung der Regionen würde gestärkt, behauptet der BILD-Sprecher. „Alle großen Landesparlamente werden mit einem BILD-Korrespondenten besetzt.“ Die Einschränkung „groß“ überrascht, im Sommer 2023 hieß es noch, dass alle Landesparlamente einen Korrespondenten bekämen.

Bei der Umsetzung der neuen Strategie „kann die regionale Berichterstattung vorübergehend etwas kondensierter ("BILD Ost") erscheinen, grundsätzlich erscheint BILD Sachsen täglich mit einer Seite Regional und einer regionalen Sportseite.“

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2 Kommentare
  • Stephan Braun
    Januar 18, 2024

    Danke für die Recherche! Selbiges befürchte ich auch für die Sächsische Zeitung. Dort wird man das lokale nicht tilgen können. Aber wenn die Redaktion in Berlin sitzt wird es wohl mehr Pressemitteilungen und weniger vor Ort recherchiertes geben. Hoffen wir das Beste...

  • Polrola-Lerch
    Januar 20, 2024

    Unter diesen Umständen werden wir auf das Abo vom BILD verzichten müssen. So verscheucht man die treuen Leser.

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