Marken im Web 2.0: Schwarzkopf wird zum Medium

Marken im Web 2.0:
Schwarzkopf wird zum Medium

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Heute mal der Blick über den inhaltlichen Tellerrand - und zwar ein ziemlich ausführlicher: Ich habe vergangenen Montag (31.1.2011) die Einladung* nach Düsseldorf angenommen, um bei einer Pressekonferenz der Marke Schwarzkopf dabei zu sein. Vor dem Hintergrund, dass ich hier viel über Medien und Internet schreibe und mich auch beruflich mit den Möglichkeiten von Markenartiklern im Web 2.0 beschäftige, hatte mich die Versprechung einer "kleinen Revolution" bei der Freischaltung des neuen Internetauftritts gelockt.

Was soll ich sagen: Die Reise hat sich gelohnt.

Schwarzkopf vollzieht den in meinen Augen in Deutschland bislang konsequentesten Schritt in der Kommunikation, den große Markenartikler bislang gewagt haben: Die Marke wird selbst zum Medium. Dabei macht man - aus meiner Sicht als Fachjournalist und Berater - alles genau richtig.

Redaktionelle Inhalte statt Produktinfos

Wie wird eine Marke zum Medium? Man produziert redaktionelle (im journalistischen Sinne!) Inhalte, die sich nicht am Produkt, sondern den Fragen der Kundschaft orientieren. Passend zu der Produktpalette krallt man sich also bei Schwarzkopf das Thema Haare und liefert dazu künftig redaktionelle Geschichten. Content, wie man im Fachsprech so schön sagt. "Die Lieblingsfrisuren der Stars" oder "Hochsteckfrisuren zum Nachstylen" heißt es da jetzt künftig auf der Unternehmens-Startseite - die wird so zum Lifestyle-Magazin. Selbstverständlich sind alle Geschichten mit Social-Media-Buttons versehen, also bei Facebook und Twitter teilbar. Und eine Facebook-Fanpage und einen Youtube-Kanal gibt es auch.

Schwarzkopf.de alt: Produktinformationen standen im Vordergrund

Für das neue Konzept müssen die eigenen Produkte bzw. der Produktfinder ein bis zwei ReihenKlicks nach hinten rücken. Man nimmt also im Zweifel in Kauf, dass die Leserschaft wieder von der Seite abspringt und ein anderes Produkt kauft. Gleichwohl sichert man sich so eine dominante Position im gesamten Kommunikationskontext zum Kernthema der Marke.

Und mal ehrlich: Wie viele tatsächliche Käufer bringt eine statische Web-1.0-Produktseite, die wie ein Schaufenster aufgezogen ist, sonst? Wer steht schon darauf, wenn die Verkäuferin im Laden einem erst ein Produkt in die Hand drückt, statt erst einmal zu beraten?

Schwarzkopf hat etwas zu sagen

Der Umstellung in Richtung Inhalte und Web 2.0 sind umfangreiche Analysen vorausgegangen: Rund 16 bis 17 Mio. Menschen suchen im Monat im Netz zum Thema "Haar", wie man vorher festgestellt hat. Genau diese Suchanfragen will man künftig auf die eigenen Angebote lenken - dazu will man den Nutzern inhaltliche Mehrwerte bieten, immer mal wiederzukommen. Aus der vorangegangenen Analyse der Suchmaschinen- und Social-Media-Ergebnisse hat man entsprechend die Rubriken abgeleitet: "Trendlooks", "Haarstyling", "Haarfarbe", "Haarfarbe" und "Haarhilfe".

Schwarzkopf.de neu: Künftig bestimmen News die Inhalte der Seite

Alle Inhalte werden von einer professionellen Redaktion erstellt. Als Partner dafür hat man sich die Corporate Publishing-Tochter des Verlags Condé Nast (Vogue, Glamour, Myself u.a.) gesucht - hier sitzen künftig zwei bis drei Redakteure, die mehrmals die Woche aktualisieren. Bei Schwarzkopf sagt man, man habe kein Problem damit, auch von der eigenen Seite auf andere (also beispielsweise Medien-Berichte) zu verlinken.

Zwar ist auf der Unternehmensseite keine Kommentierung der redaktionellen Geschichten vorgesehen - über Twitter und die Facebook-Fanseite aber kann fleißig mit der Kundschaft kommuniziert werden. Denn auch das ist neu an der Strategie: Die eigene Webseite ist nur ein Teil der Aktivitäten. So funktioniert Web 2.0 - rede mit deinen Kunden, sprich sie dort an, wo sie sind - und antworte ihnen!

Weitere Markenartikler werden folgen

Im Marketing von großen deutschen Markenartiklern ist diese Form der Umstellung meines Wissens ein absolutes Novum - und in meinen Augen der genau richtige Schritt. Sofern man sich die redaktionellen Inhalte auch wirklich leisten kann - da sehe ich tatsächlich die größte Gefahr. Mit der Qualität der Inhalte steht und fällt die Glaubwürdigkeit der Internetseite bzw. -strategie. Dafür aber hat man ja den Lifestyle erfahrenen Verlag im Boot - wobei der sich schon fragen lassen muss, ob er sich nicht ins eigene Fleisch schneidet. Immerhin erwächst ihm potentiell, wenn die Strategie aufgeht, dort direkte inhaltliche Konkurrenz.

Vor dem Hintergrund, dass Firmen wie Adidas angekündigt haben, künftig den größten Teil des Media-Etats in Social Media zu stecken, dürfte Schwarzkopf nur der Anfang sein. Man denke das nur mal weiter: Schwarzkopf macht jetzt den Anfang und wird zum Medium. Überträgt man das Beispiel auf Institutionen und die Politik, verliert der oberflächliche und abbildende Journalismus weiter an Boden. Dann können sich journalistische Medien nur noch über Qualität und Unabhängigkeit abgrenzen. Aus Nutzersicht nicht die schlechteste Perspektive. Peter Stawowy

Lesehinweis: Thomas Knüwer, der mit seiner Beratung kpunktnull an der Entwicklung beteiligt ist, hat sehr lesenswert die Herleitung der Strategie aufgeschrieben: "Die neue Schwarzkopf-Homepage: Eine Antwort auf die Warum-Frage".

(*Für die Transparenz: Man zahlt mir die Reisekosten.)
2 Kommentare
  • RalfLippold
    Februar 4, 2011

    GunterDueck wäre sicher begeistert. Gestern hat er sächsische Unternehmer begeistert beim BVMW Neujahrsempfang in Leipzig.

    Content, knowledge, emotion - that the future!

  • jürgen metrovski
    Februar 5, 2011

    nun, klingt so, als würde man, die gewürze die vorhenden sind, zu einem neuen gericht mischen. jedoch tut das das bahnjournal, im ice schon seit sehr langer zeit. die haben hakt den vorteil, dass den kunden eh langweilig ist. mir schwebt dennoch eine welt vor, in der der leser noch erkennen kann, wer hats gemacht, und was will er eigentlich erreichen. wird wohl ohne medienkompetenz nicht möglich sein. so machen das auch die nichtrauchertablettenhersteller und geusndheitszahnindustrie seit jahren, schicken fertige beiträge an radiostationen, wo nur "beiläufig" erwähnt wird, welches produkt bei diversen problemen abhilfe schaffen kann. die welt ist schlecht, aber trennung von werbung und redaktionellen inhalten verschwimmen so wohl immer mehr. ich habe übrigens gute erfahrungen mit einem sony klaptop gemacht, und google chrome ist der beste browser, aber das nur am rande .-)

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