Anmerkungen zu Bericht und Kommentar zum Dresdner Datenskandal in der “Sächsischen Zeitung” vom 22.6.2011

Von 5

Es gibt Journalisten, die haben offenbar gute Quellen bei der Polizei. Zum Beispiel Alexander Schneider von der "Sächsischen Zeitung". Er hat am vergangenen Mittwoch (22.6.2011) einen Bericht ("Polizei prüft täglich Telefondaten") und einen Kommentar ("Die Kritik an der Polizei zielt daneben") zur Funkzellenabfrage der Dresdner Polizei vom 19.2.2011 veröffentlicht.

Darin schreibt er, dass vergleichbare Datenerhebungen durch die Polizei an der Tagesordnung seien:

"Ist es rechtsstaatswidrig, wenn die Polizei Telefonverbindungsdaten auswertet, um Gewalttäter zu fassen? Ist es ein Skandal, wenn die zuständigen Innen- und Justizminister nichts von dieser angeblich drastischen Ermittlungsmaßnahme wussten? Die Realität sieht anders aus. Jede Woche prüfen und veranlassen Ermittlungsrichter am Amtsgericht Dresden die Abfrage von Telefonverbindungsdaten."

Also nichts mit "rechtsstaatswidrig" - einfach die Realität, sonst nix. Basta. In seinem Kommentar wird Schneiders Position deutlicher:

"Für unbeteiligte Dritte wird – und darf – das aber keine Konsequenzen haben."

Wie bitte?! Die Geschichte hat schon jetzt massive Konsequenzen - vor allem auf die Arbeit von Journalisten!

Vielleicht nicht auf solche wie Herrn Schneider. Der arbeitet offenbar nie mit geheimen Quellen, zumindest nicht an Tagen wie dem 19.2. (oder vielleicht kommuniziert er mit diesen dann per CB-Funk: "Doch auch die Täter wissen das – manche setzen daher längst CB-Funkgeräte ein. Die hinterlassen keine Datenspur").

Sonst hätte er doch auf die Idee kommen können, welche Wirkung allein die Berichterstattung über die Funkzellenabfrage auf das Gefüge Journalisten/Informanten haben dürfte. Insbesondere, was die Informanten unter den Demonstranten und die bei der Polizei betrifft! (Am Rande ein kleiner Lesehinweis auf den Fall eines sächsischen Journalisten von 2007: "Journalisten dürfen nicht abgehört werden").

Schneider hat sich offenbar auch nicht damit auseinandergesetzt, wie der Stein überhaupt ins Rollen gekommen ist. Denn auch an dem Mittwoch, an dem sein Kommentar erschienen ist, war schon lange bekannt, dass die Behörde die Daten bereits für andere Ermittlungen verwendet hatten - nämlich für Verfahren, in denen es überhaupt nicht um schweren Landfriedensbruch geht. Ein Beispiel war in dem ersten Bericht der "taz" ("Mal eben ausgespäht") zu dem Thema ausführlich vorgestellt worden.

Man sollte doch von jemanden, der sich Journalist nennt, erwarten können, dass er die Konsequenzen von solchen Vorgängen wie der Funkzellenabfrage in großem Umfang - zumindest für die eigene Arbeit! - begreift. Und wenn er schon der Meinung ist, die Polizei jetzt verteidigen zu müssen, so hätte er doch wenigstens die politische Dimension des Vorgangs erkennen können!

Aus Bericht und Kommentar wird deutlich: Schneider hat eine gute Quellenlage bei der Polizei. Ob er diese auch für andere Berichte nutzen würde als solche, die Polizei und Staatsanwaltschaft gefallen, hat er sich beim Verfassen seiner Texte offenbar nicht gefragt.

Immerhin, so ganz falsch ist sein Schluss auch nicht:

"Der Skandal ist nicht die Datenabfrage. Der Skandal ist, dass bis heute noch kein verdächtiger Gewalttäter ermittelt wurde. Daran muss die Polizei arbeiten."

Hinweis I: Inzwischen haben eine ganze Reihe von Menschen angekündigt, gegen die Erfassung ihrer Daten vorgehen zu wollen - darunter auch sechs Journalisten der Berliner "taz". Im Hausblog ist "taz"-Chefredakteurin Ines Pohl unter der Überschrift "taz wehrt sich juristisch gegen Handyüberwachung" zitiert:

"Unsere betroffenen Journalisten können ihren Gesprächspartnern und Informanten vom 19. Februar nicht die Vertraulichkeit gewährleisten, die sie ihnen versprochen haben. Mit der Dokumentation der Kommunikationsdaten zahlreicher Journalisten wurde am 19. Februar die Grundlage der Pressefreiheit staatlich außer Kraft gesetzt."

Hinweis II: Um Missverständnisse vorzubeugen: Ich kann nachvollziehen, dass die Polizei - wenn die Daten da sind - auch damit arbeitet. Immerhin geht es um Ermittlungen wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und auch wegen versuchten Totschlags. Es wäre an dem 19.2.2011 fast ein Polizist gestorben! Außerdem hatte man sich richterlichen Segen geholt. Das Problem in der ganzen Geschichte ist nicht die (gute oder schlechte oder rechtsstaatliche oder unrechtstaatliche) Arbeit der Polizei - das Problem ist die Frage, wie weit die Rechte von unschuldigen Bürgern betroffen sind, wenn massenhaft Daten abgefragt und damit alle unter Generalverdacht gestellt werden. Und da ist nach meinem Dafürhalten mit dieser Maßnahme massiv eine Grenze überschritten worden!

Hinweis III: Werte Kollegen von der "DNN", Eure Überschrift vom Samstag auf Seite 5 verharmlost die Geschichte auch ganz schön! Ihr schreibt: "Polizei erfasste 17.000 Handy-Nutzer" - im gemeinsamen Bericht von Innen- und Justiz-Minister heißt es: "Den 138.630 übermittelten Verkehrsdatensätzen liegen 65.645 verschiedene Rufnummern zu Grunde." Nachzulesen auf Seite 4, Punkt II a (hier als PDF einsehbar - danke an den Hinweisgeber!).

Hinweis IV: Lesen Sie zu diesem Thema bitte auch unseren Lesehinweis vom 20.6.2011: "LawBlog zur Funkzellenauswertung des 19.2.2011 durch die Dresdner Polizei".

5 Kommentare
  • Elendil
    Juni 29, 2011

    Also für dies hier:

    "Immerhin geht es um Ermittlungen wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und auch wegen versuchten Totschlags. Es wäre an dem 19.2.2011 fast ein Polizist gestorben!"

    hätte ich sehr gern mal einen Beleg!!
    Es ist mir bisher nicht zu Ohren gekommen, dass ein Polizist bei den Demonstrationen lebensgefährlich verletzt worden ist.
    Ich finde diese Behauptung ziemlich krass...

  • owy
    Juni 29, 2011

    @Elendil: Die Nachfrage bzw. der Hinweis ist berechtigt - darüber stand bislang nirgends etwas bzw. es ist missverständlich formuliert.

    Meine Information bezieht sich auf die Aussagen eines befreundeten Rettungsassistenten. Er war an dem Tag im Einsatz und erzählte später, dass ein Polizist am 19.2. so schwer verletzt worden war, dass man 20 Minuten davon ausging, dass er möglicherweise nicht mehr lebte. Was sich später als Fehleinschätzung herausstellte. Der Kollege hat den Funkverkehr mitbekommen, der dazu lief.

    In einer der Zeitungen stand (die Stelle finde ich gerade nicht wieder), dass ein Beamter eine Eisenstange auf den Kopf (Helm) bekommen hätte, die allerdings in Richtung der Nazis geworfen worden war.

    Nach meinem jetztigen Informationsstand ist bislang kein Verfahren wegen versuchtem Totschlags eingeleitet worden. Wenn die Gerüchteküche stimmt, wird der Beamte aber bleibende Schäden davon tragen.

    Aber, der Hinweis ist richtig, ich habe zu all diesen Aussagen keine konkreten Belege bzw. Textstellen.

  • Elendil
    Juni 29, 2011

    Gut. Ich bin selber Rettungsassistent, und glaube, dass in dieser Situation via Funk nur schwer einzuschätzen ist, wie vital bedroht ein Patient ist.

    Jedenfalls hat mich die Passage sehr verwundert.
    Mit dem Rest bin ich ja voll einverstanden...

  • Elendil
    Juni 30, 2011

    Natürlich! Die BLÖD.
    DAS ist seriöser Journalismus... :D

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