Rezo: Der Zerstörer ist in Wirklichkeit ein Transformer

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Mit seinem etwa einstündigen Video „Die Zerstörung der Presse“ hat der YouTuber Rezo abermals ein wichtiges und längst überfälliges Problem unserer Gesellschaft angesprochen.

Ausgangspunkt seines Videos ist die Frage: „Warum schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in die seriöse Presse?“

Für viele Journalist*innen dürfte seine Kritik nicht überraschend sein. Schließlich schießt er vor allem gegen die Klatschpresse und Boulevardmedien, verteidigt aber im Gegenzug die Arbeitsweisen der sogenannten „Qualitätsmedien“. Die Differenzen zwischen den zwei Richtungen sind in der Branche allgemein bekannt.

Doch auch die Qualitätsmedien arbeiteten teilweise unsauber, tendenziös und intransparent, wie Rezo zeigt.

Verschwörungsglaube und Medien

Wie Rezo zu Beginn seines Videos betont, sei der Titel seines Videos irreführend. Ihm gehe es nicht um die Zerstörung der Presse. Sondern vielmehr darum, Missstände in der Presselandschaft aufzudecken und ins Gespräch zu bringen, um somit den seriösen Medien wieder zu mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu verhelfen.

Natürlich räumt er ein, dass in den letzten Jahren vor allem aus Verschwörungskreisen gezielt gegen die Presse gehetzt wurde. Letztlich lägen dem Misstrauen aber auch zweifelhafte Arbeitsweise mancher Medienhäuser und Einzelpersonen zugrunde, die denen von Verschwörungstheoretikern nicht unähnlich seien.

Richtiger wäre es wohl zu sagen, dass Verschwörungstheoretiker oder Fake-News-Seiten die unsauberen Arbeitsweisen der Presse imitieren und durch unseriöses Arbeiten zu teils abstrusen Schlussfolgerungen kommen.

Rezos zweifelhaftes Ranking

Als Negativbeispiele aus der Presselandschaft nennt er vor allem die Produkte der Bauer Media Group, die Springer-Medien „Bild“ und „Die Welt“, den „Focus“, die „Berliner Zeitung“ und auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Zu seiner Schlussfolgerung gelangt Rezo zum einen durch Fallbeispiele, die ganz klar gegen den Pressekodex verstoßen – etwa Verstöße gegen den Opferschutz, die Menschenwürde, Verbreitung von Desinformationen oder die jüngst gescheiterte Hetzkampagne der Bild-Zeitung gegen Chefvirologen Christian Drosten.

Zum anderen legte er mit Hilfe einer Bekannten namens Lisa eine umfangreiche Fehleranalyse an. Dazu haben die beiden circa 1.700 Artikel durchsucht, in denen das Wort „Rezo“ vorkam. In über 400 davon ging es tatsächlich um den YouTuber selbst.

In 34 Prozent dieser Artikel haben die beiden Falschmeldungen über Rezo gefunden. An oberster Stelle dieser Auswertung steht dabei tatsächlich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

In sage und schreibe 67 Prozent ihrer Artikel, die sich inhaltlich mit Rezo befasst haben, waren Falschbehauptungen zu finden, so der YouTuber. Was Rezo zu der Schlussfolgerung führt, die FAZ würde unseriös arbeiten.

Qualitätsprüfung

Allerdings räumt er auch ein, dass er lediglich eine quantitative und keine qualitative Analyse vorgenommen hat. In der Auswertung wurde dementsprechend nicht zwischen ungenauen Aussagen, Falschbehauptungen oder Unterstellungen unterschieden.

Zudem muss man beachten, dass Rezo mit seinen Video: „Die Zerstörung der CDU“ deutlich gegen die Überzeugungen der konservativen FAZ geschossen hat. Dementsprechend heftig fielen auch Kommentare und Glossen in dem Blatt aus.

Dennoch: Die zuständigen Autor*innen dürfen sich nicht dazu hinreißen lassen, falsche Informationen zu verbreiten. Da hat Rezo recht: Genau das führt dazu, dass das Vertrauen in die seriöse Presse mitleidet.

In der Schweiz führt übrigens das „Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft“ (fög) eine jährliche Qualitätsprüfung der Medien durch. Ein ähnliches Modell könnte auch in Deutschland Ansporn für seriöses Arbeiten sein.

Stärkere Abgrenzung zur Boulevard- und Regenbogenpresse

Gegen Ende des Rezo-Videos steht eine „Message an die etablierte, seriöse Presse“, die sich grob in drei Punkte unterteilen lässt: „Stärkere Abgrenzung zur Boulevard- und Regenbogenpresse“, „Transparenz und Belege“ und „deutliche Trennung von Bericht und Kommentar“.

In der Abgrenzung zu den Boulevardmedien sieht Rezo ein starkes Statement, um das Vertrauen in die seriöse Presse wiederherzustellen. Dabei müsse nicht nur Kritik gegen unseriöse Berichterstattung von anderen Medienhäuser kommen, sondern auch aus dem eigenen Haus.

Zudem sorge es nicht gerade für einen Vertrauensbonus bei der Leserschaft, wenn seriöse Medien aus Boulevardblättern zitierten.

Mit diesem Sharepic kündigte Rezo das Video auf seinem Twitter-Kanal an.

Als Beispiel führt er einen Twitter-Post von FAZ-Innenpolitik-Chef Jasper von Altenbockum an, in dem er eine Verschwörungstheorie über Rezo verbreitet hatte. Dazu noch geteilt von einem zwielichtigen Kanal, der unter anderem auch homophobe Inhalte produzierte.

Rezo: Journalist*innen sollten darauf achten, was sie in den sozialen Netzwerken öffentlich posten. Fehltritte wie der genannte, so Rezo, färben nicht nur auf das eigene Haus, sondern letztlich auch auf die gesamte Branche ab.

Transparenz und Belege

Beim Thema „Transparenz und Belege“ geht Rezo mit gutem Vorbild voran und zeigt, welche Möglichkeit Online-Journalismus heute bietet. Seinem Video legt er eine 25-seitige Quellenangabe bei, die bei anderen Videos von ihm übrigens ähnlich ausführlich ausfällt.

Auch bei den Texten, die er für „Die Zeit“ schreibt, sind solche Quellenangaben oftmals vorhanden. Wenn die Texte nicht ohnehin schon ausreichend externe Verlinkungen beinhalten. Zudem legt der auch die Grenzen seiner Recherche offen.

Da sich die Presselandschaft in einem Transformationsprozess befindet, die mitunter auch einen Qualitätsverlust mit sich zieht, ist das ein wichtiger Hinweis an die klassischen Medien, nicht den Anschluss zu verlieren.

Bereits mit „Die Zerstörung der CDU“ hat Rezo gezeigt, dass auch YouTuber durchaus in der Lage dazu sind, Qualitätsstandards einzuhalten, die denen der etablierten Presse nahekommen oder sogar in nichts nachstehen. Diese Qualität zeichnet sich aus. Das schlägt sich nicht nur in den Klickzahlen nieder, sondern schafft auch Vertrauen.

Rezo ist daher völlig zu recht mit dem Henri-Nannen-Preis gewürdigt wurden.

Deutliche Trennung von Bericht und Kommentar

Rezo fordert zudem einen „fairen und ehrlichen Umgang mit dem Leser“, indem Meinungen von Autor*innen nicht hinter fadenscheinigen Quellen oder Begründungen, rhetorischen Fragen oder Konjunktiven verborgen werden. Man könne den Medien wieder viel Vertrauen zurückgeben, indem die Kommentare auch als solche gekennzeichnet werden.

Ausgewogenheit sei ein wichtiger Bestandteil der Berichterstattung. Wenn diese nicht eingehalten werde, solle man sich als Journalist*in auch nicht dazu hinreißen lassen, diese Grenzen zu verwischen und tendenziös zu berichten. Eine fehlende Trennung spiele stattdessen allen Verschwörungstheoretikern und Lügenpresse-Rufern in die Hände.

Trotz aller Kritik ist „Die Zerstörung der Presse“ am Ende auch eine Lobeshymne - auf den seriösen Journalismus. Auch deshalb endet das Video mit einem Aufruf an alle, sich Medienkompetenz anzueignen, um Quellen und Arbeitsweisen selbst hinterfragen zu können. Und den „guten“ vom „schlechten“ Journalismus unterscheiden zu können. Stephan Zwerenz

Weiterführende Lesehinweise:

Der Leitartikel von FUNKTURM Nr. 12 (ET Dezember 2019) befasst sich – wie die gesamte Ausgabe – mit dem Thema Medienqualität (Steady-Zugang notwendig). Er ist hier in voller Länge zu lesen: "Höher. Schneller. Weiter – über die Qualität der Medien".

Im Leitartikel von FUNKTURM Nr. 11 (ET Oktober 2019) befassen wir uns mit dem Transformationsprozess, dem die Medienbranche derzeit unterliegt. Hier - mit Steady-Zugang - nachzulesen: "Man erträgt es kaum noch"

Schließlich noch der Hinweis: Wolfgang Michel hat sich für FUNKTURM Nr. 12 über die Möglichkeiten und die Zahnlosigkeit des des deutschen Medienjournalismus ausgelassen - der Text ist auch in seinem Blog erschienen und hier im FLURFUNK (1.4.2020) verlinkt: "Die Hofnarren des Medienbetriebs".

Hier kann man die FUNKTURM-Hefte bestellen.

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