Dietrich Bauer, MDR-Rundfunkratsvorsitzender: “Qualität ist das entscheidende Merkmal”

Der RBB-Skandal führt dazu, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion rückt. Dabei, so unser Eindruck, ist insgesamt immer noch recht wenig bekannt über die Strukturen und Arbeitsweisen vor allem der Gremien. Die variiert etwa von Rundfunkanstalt zu Rundfunkanstalt, ist jedes Haus doch unabhängig von den anderen.

Wir nehmen die Diskussion um den RBB zum Anlass, ausgewählte Mitglieder des Rundfunkrats des MDR (die nächste öffentliche Sitzung ist übrigens am 10.10.2022) zu befragen: Was bedeutet der Skandal beim RBB für den übrigen ÖRR? Und ist der MDR ausreichend kontrolliert und das Gremium ausreichend ausgestattet?

Dazu haben wir sechs Mitglieder des Gremiums angeschrieben und um schriftliche Antworten gebeten. Die Antworten veröffentlichen wir hier in den nächsten Tagen in loser Folge.

Dietrich Bauer: "Die ARD-GVK will Stärkung der Aufsicht und mehr Transparenz"

Dietrich Bauer; Foto: MDR/PUNCTUM Stefan Hoyer

Dietrich Bauer ist seit 14.3.2022 ehrenamtlicher Vorsitzender des MDR-Rundfunkrats (vgl. FLURFUNK vom 15.3.2022). Hauptberuflich arbeitet Bauer als Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen (Diakonisches Werk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens e.V.). Zu seiner Funktion als Vorsitzender des MDR-Rundfunkrat gehört, den Mitteldeutschen Rundfunk in der Konferenz der Gremienvorsitzenden der ARD (GVK) zu vertreten.

Hier seine Antworten auf unsere Fragen:

FLURFUNK: Was bedeutet der RBB-Skandal für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Arbeit der ÖRR-Gremien?
Dietrich Bauer: Die Konferenz der Gremienvorsitzenden der ARD verfolgt die Ausnahmesituation beim rbb sehr aufmerksam. Wir bieten den rbb-Aufsichtsorganen alle erdenkliche kollegiale Unterstützung bei der schwierigen Aufgabe an, die Situation im rbb ins Reine zu bringen. Wir werden in unmittelbarem Kontakt mit den rbb-Aufsichtsorganen ausloten, wie eine entsprechende solidarische Unterstützung und Hilfe praktisch aussehen kann.
Die GVK nimmt die jetzige Situation zum Anlass, auf ihre bereits Anfang des Jahres in einer Stellungnahme an die Länder dargelegte Position zu verweisen, die zu weitreichenden Konsequenzen in der gesamten ARD führen würde. Darin wurden mehrere Vorstöße in Richtung einer Absicherung der Arbeitsfähigkeit der Aufsichtsorgane, nicht nur angesichts neuer Aufgaben u.a. durch den Medienänderungsstaatsvertrag, unternommen: finanzielle und personelle Stärkung der Aufsicht, nachhaltige Professionalisierung und weitere Fortschritte in Sachen Transparenz. Die ARD-GVK will Stärkung der Aufsicht und mehr Transparenz.
Die Qualität der Angebote ist das entscheidende Merkmal, wenn es um die Akzeptanz, aber auch um das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht. Die konkrete Auseinandersetzung mit der Angebotsqualität ist daher eine wesentliche Daueraufgabe.

FLURFUNK: Ist der MDR Ihrer Meinung nach ausreichend kontrolliert?
Bauer: Die Zusammensetzung der Rundfunkräte ist gesetzlich bzw. staatsvertraglich vom Normgeber bewusst festgesetzt, sodass sich die Gremien aus Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen möglichst vielfältig und divers bilden und unabhängig agieren können. Die Verwaltungsräte werden vom Rundfunkrat gewählt, in der Regel wird einschlägige Expertise gefordert und vorausgesetzt. So ist der MDR-Verwaltungsrat mit fachlicher Expertise aus Wissenschaft, Bildung, dem Finanzsektor, Recht, Wirtschaftsprüfung und Unternehmen besetzt.
Der MDR-Rundfunkrat und der MDR-Verwaltungsrat sind nach dem zuletzt 2021 novellierten Staatsvertrag neben der Intendantin eigenständige Organe des MDR. Damit ist ihre Unabhängigkeit von der Intendantin gesetzlich geregelt. Die Zusammensetzung beider Gremien ist zudem staatsfern ausgestaltet, sodass auch eine Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet ist. Weitere Informationen finden Sie hier im Netz:

Außerdem übt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten mit ihren regelmäßigen Berichten und Empfehlungen an die Rundfunkanstalten eine Kontrollfunktion aus.
Daneben haben die Landesrechnungshöfe Prüfrechte beim MDR und seinen Tochterfirmen.
Regelmäßig befassen sich auch die zuständigen Ausschüsse der Landtage in Mitteldeutschland mit dem KEF-Bericht und Lageberichten von ARD und MDR. Der Jahresabschluss des MDR unterliegt der eingehenden Prüfung durch eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

FLURFUNK: Ist der MDR-Rundfunkrat ausreichend ausgestattet, um seine Aufgaben zu erfüllen?
Bauer: Nach den von den MDR-Gremien eigenständig beschlossenen Regelungen der MDR-Satzung üben die Vorsitzenden von Rundfunk- und Verwaltungsrat gegenüber den Mitarbeitenden des Gremienbüros das Weisungsrecht im Rahmen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen aus. Damit ist klar geregelt, dass die betreffenden Mitarbeitenden allein im Wirkungskreis der Gremien angesiedelt sind. Zudem ist festgehalten, dass die Mitarbeitenden des Gremienbüros von der Intendantin auf Vorschlag der Vorsitzenden einzustellen sind. Im MDR-Gremienbüro arbeiten vier Personen, davon drei (Leitung und 2x Referent/in) inhaltlich für Rundfunk- und Verwaltungsrat. Mit Blick auf die sich verändernden Aufgaben und die Größe der Gremien wird von diesen regelmäßig überprüft, inwiefern Veränderungen sinnvoll erscheinen. Die MDR-Gremien haben eigene Kostenstellen.

FLURFUNK: In der Diskussion um den RBB fiel in der Berichterstattung bezüglich des Rundfunkrats dort das Wort "Abnick-Gremium“: Wie groß ist der Einfluss der MDR-Intendanz auf die Arbeit des MDR-Rundfunkrats?
Bauer: Festzuhalten ist, dass sich die Kompetenzen, Aufgaben und das Zusammenwirken der MDR-Gremien mit der Intendantin oder dem Intendanten aus dem MDR-Staatsvertrag sowie der MDR-Satzung ergeben. Wie bereits beschrieben, sind die Gremien eigenständige Organe des MDR. Für die Mitglieder des Rundfunkrates gilt die staatsvertragliche Regelung in Paragraf 15 Absatz 9, nach der sie in ihrer „Amtsführung an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden“ sind. Dies ist vergleichbar mit dem freien Mandat bei Abgeordneten und sichert die Unabhängigkeit.
Beim Blick in den MDR-Staatsvertrag, insbesondere bei den Aufgaben des Rundfunkrates wird deutlich, dass der Rundfunkrat bestimmte Entscheidungen zu treffen hat, die durch die Operative des MDR einzubringen sind/eingebracht werden. Das betrifft zum Beispiel Zustimmung zu Programmbeschaffungen (Rundfunkrat) oder Investitionen (Verwaltungsrat) im Wert von mehr als zwei Mio. Euro. Darüber hinaus gibt es Angelegenheiten und Sachverhalte, die regelmäßig, wie Berichte (u.a. Gleichstellungsbericht, Produzentenbericht, Statusbericht zum Entwicklungsplan), oder auch anlassbezogen eingebracht und auf die Tagesordnung gesetzt werden. Anträgen der Intendantin, aber auch des Verwaltungsrates, eine Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen, sind laut Satzung stattzugeben.
Über die Tagesordnung für die Sitzungen des Rundfunkrates bestimmt, so regelt es ebenfalls die Satzung, die oder der Vorsitzende des Rundfunkrates. Das heißt, der Rundfunkrat entscheidet selbst, unter Berücksichtigung des gerade Beschriebenen, mit welchen Themen er sich befasst.
Ein Aspekt ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert: Die Plenumssitzungen des Rundfunkrats werden in den Ausschüssen und Landesgruppen vorbereitet. Bereits dort gibt es Aussprachen und Debatten zu den Themen.
Flurfunk hat ja auch über zahlreiche Rundfunkratssitzungen berichtet. An den Verläufen lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie die Diskussionen stattfinden.
Das MDR-Gremienbüro ist eine eigenständige Abteilung mit eigener Leitung, deren fachliche Weisung wie geschildert bei den Vorsitzenden von Rundfunk- und Verwaltungsrat liegt. Die Mitarbeitenden des Gremienbüros werden auf Vorschlag der Gremienvorsitzenden eingestellt. Zu den Aufgaben des Gremienbüros gehört auch die Beantwortung von Presseanfragen, die Kommunikation von Gremienentscheidungen per Pressemitteilungen sowie die Betreuung der eigenständigen Gremienhomepages, die von den Vorsitzenden verantwortet wird.

FLURFUNK: Gibt es etwas, was sich Ihrer Meinung nach beim MDR-Rundfunkrat ändern sollte?

Bauer: Die Antwort auf diese Frage berührt im Wesentlichen zwei Aspekte: einen strukturellen und einen zeitlichen. Strukturell setzt der im Juni 2021 in Kraft getretene novellierte MDR-Staatsvertrag die Leitplanken für den MDR-Rundfunkrat und seine Arbeitsweise. Durch den novellierten MDR-Staatsvertrag wird auch eine Überarbeitung der Satzung des MDR erforderlich. Hier wird der Rundfunkrat, gemeinsam mit dem Verwaltungsrat, der bei einer Änderung zu hören ist, tätig werden und dabei auch die Operative hören.
Der Prozess für die Überarbeitung wird es ermöglichen, dass die vielfaltigen Erfahrungen der Mitglieder sowohl in der bisherigen gemeinsamen Arbeit im Rundfunkrat als auch deren „Blick von außen“ Berücksichtigung finden. Aus zeitlicher Perspektive ist zu bedenken, dass auch der Medienstaatsvertrag, insbesondere für den Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, gerade überarbeitet wird. Auch das würde mit Inkrafttreten neue Kompetenzen bzw. Aufgabenfelder für den Rundfunkrat bedeuten.
Hierzu werden sich die Gremien der ARD koordiniert über die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) abstimmen. Grundsätzlich werden wir unsere Arbeit im Rundfunkrat stetig mit Entwicklungen und neuen Erfahrungen abgleichen.

FLURFUNK: Vielen Dank für die Antworten. 

Foto: MDR/PUNCTUM Stefan Hoyer

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