Ich habe hier im Blog ja schon häufiger über Fakenews geschrieben und was die Ziele dahinter sind. Es geht nämlich gar nicht immer nur darum, Menschen davon zu überzeugen, dass eine bestimmte Information wahr ist.
Ein Ziel von Desinformation kann auch sein, Verwirrung zu stiften. Um etwa gesellschaftliche Gegensätze zu verstärken.
Dieses Ziel wird autokratischen Systemen nachgesagt, die Demokratien nicht mögen (weil sie Angst haben, dass es in ihrem eigenen Land dann auch demokratische Bestrebungen gibt, vgl. dazu z.B. FLURFUNK vom 10.5.2022: "Wie Desinformation die Demokratie bedroht").
Das dahinterliegende Ziel ist dann, die angegriffene Gesellschaft (in dem Falle die Demokratie) zu destabilisieren.
Techniken der Desinformation
Es gibt verschiedene Techniken, die mit Fakenews arbeiten, um diese Destabilisierung zu erreichen. Zum Beispiel so lange mit Dreck zu werfen, bis etwas bei den Betroffenen hängen bleibt.
Oder so unglaublich dreiste Lügen in die Welt zu setzen, dass einige der Medienkonsumenten denken: Das ist so unwahrscheinlich, dass kann sich doch keiner ausgedacht haben! Eine Methode, die häufig mit dem Namen Donald Trump in Verbindung gebracht wird.
Nicht mehr so gut funktioniert inzwischen die Technik des Tabubruchs. Vor einigen Jahren ging das noch ganz gut: Da haute dann ein AfD-Politiker irgendwelche Provokationen raus und die mediale Aufregungskurve ging steil nach oben.
Heute springen die Medien nicht mehr so leicht über jedes Stöckchen.
Soll man Fake-Nachrichten korrigieren?
Zum Umgang mit Falschnachrichten gilt die Regel, dass die Korrektur von Fakenews wohl überlegt sein will - verschafft sie der ursprünglichen Falsch-Meldung doch im Zweifel nur mehr Aufmerksamkeit.
Denn: Viele Menschen erinnern sich später nur an den ersten Teil der Information, also die eigentliche Falschinformation.
Die Korrektur einer Falschinformation verschafft der Nachricht manchmal aber erst so richtig Reichweite. Weil die Information dann auch Menschen erreicht, die vorher noch nicht davon gehört hatten.
SLUB wehrt sich gegen Kampagne
So ging es mir mit dieser Geschichte: Gestern hat die SLUB Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden eine Pressemitteilung herausgegeben.
Darin ist zu lesen:
"Seit 01.09.2022 kursiert in sozialen Netzwerken bewusste Falschinformation, die im Namen der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) und der SLUB-Generaldirektorin Katrin Stump dazu aufruft, der Bibliothek russische Bücher zu Heizzwecken zu spenden. Die SLUB Dresden geht entschieden gegen diese Desinformationskampagne vor, hat bereits Strafanzeige erstattet und online eine Klarstellung veröffentlicht."
Laut der Mitteilung wird die Falschinformation u.a. bei Telegram, TikTok, Facebook und Twitter verbreitet - Kern ist ein "Foto eines gefälschten Schreibens mit Logo der SLUB, Absender der Bibliotheksverwaltung und Kontakt der SLUB-Generaldirektorin".
Die PM erwähnt auch, dass die Bücherhallen Hamburg in den vergangenen Tagen von ähnlichen Angriffen betroffen waren.
Das gezielte Vorgehen gegen eine Kampagne ist eine Nachricht
Zahlreiche Medien griffen die Geschichte auf und berichteten.
Einige ausgewählte Beispiele:
- "Russische Bücher verheizen: Landesbibliothek wehrt sich gegen Fake-News" (MDR vom 3.9.2022)
- "Sächsische Landesbibliothek wehrt sich gegen gezielte Desinformation" (Sächsische.de vom 3.9.)
- "Russische Bücher zum Heizen? Dresdner Uni-Bibliothek wehrt sich gegen Fake-News" (DNN.de vom 3.9.)
- "SLUB erstattet Strafanzeige: Fake-Schreiben über russische Bücher verbreitet" (Tag24 vom 3.9.)
Ganz ehrlich: Hätten die Medien nicht berichtet, ich hätte von der Kampagne nichts mitbekommen.
Und auch meine Google- und Twitter-Suche zur Stunde (4.9.) bringt nicht die originale Falsch-Information (mit dem Foto von dem Schreiben) hervor, sondern ausschließlich das Dementi bzw. die Medienberichte darüber.
Kleine Ausnahme: Bei Twitter sind nach offensiver Suche Tweets zu finden, in der die Bibliotheks-Chefin direkt angegangen und die Falsch-Info wiederholt wird.
Die Pressemitteilung hat die Geschichte gepusht
Das Beispiel zeigt, wie heikel das Krisenmanagement in so einem Fall ist:
Für die betroffene Institution, die SLUB, stellt sich die Frage, ob die Pressemitteilung wirklich notwendig war. Immerhin hat die SLUB auf ihre Webseite im eigenen Blog eine Erklärung in drei Sprachen veröffentlicht (hier nachzulesen) - hätte das nicht gereicht?
Die Betroffenheit und der Wunsch, gegen die Information vorzugehen, ist nachvollziehbar. Die Mitteilung hat der originalen Meldung dennoch noch mehr Reichweite verschafft.
Im vorliegenden Falle hätte es m.E. gereicht, die Meldung "im Netz" zu lassen. Eben mit der Veröffentlichung der Stellungnahme (auch über Twitter) und im Blog Mimikama ("SLUB: Keine Aufforderung, russische Bücher für Heizzwecken zu spenden"), die ja recht schnell berichtet haben und bekannt dafür sind, dass man dort Meldungen überprüfen kann.
Medien sollten Falsch-Info nicht verstärken
Hätten Medien die Mitteilung der SLUB ignorieren sollen? Nein, auf keinem Fall. Aus dem klassischen Nachrichtenverständnis her wäre das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen: Medien sollen berichten, was ist.
Die Institution SLUB ist gewichtig und hat eine Stellungnahme veröffentlicht - daran kommen die Medien folglich nicht vorbei.
Allerdings stellt sich die Frage, ob und wie die ursprüngliche Falsch-Information aufgegriffen werden sollte. Um die Geschichte vollständig zu erzählen, ist das natürlich notwendig.
Aber gerade was die Überschrift betrifft, ist dann m.E. sehr große Vorsicht geboten. Denn viele Menschen lesen ausschließlich Überschriften und - wie oben benannt - erinnern sich später nur an die originale Falsch-Information.
Da machen bei den Beispielen oben Sächsische.de ("Sächsische Landesbibliothek wehrt sich gegen gezielte Desinformation") und Tag24 ("SLUB erstattet Strafanzeige: Fake-Schreiben über russische Bücher verbreitet") einen deutlich besseren Job als MDR ("Russische Bücher verheizen: Landesbibliothek wehrt sich gegen Fake-News") und DNN ("Russische Bücher zum Heizen? Dresdner Uni-Bibliothek wehrt sich gegen Fake-News"), indem sie die originale Falsch-Nachricht nicht vollständig wiedergeben.
Immerhin: Wie hatten hier mal wieder Gelegenheit, über die Techniken und Ziele der Desinformation zu schreiben.
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