Reformen des ÖRR: Was bei Bürgerbeteiligung zu beachten ist

Von Dr. Christopher Brinkmann

Tom Buhrow hat in einer viel diskutierten Rede vor dem Übersee-Club die umfassende Reform von ARD, ZDF, dritten Programmen und des Deutschlandradios angeregt. Sein Ziel: Ein moderner und gemeinnütziger Rundfunk, der große Akzeptanz und breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat (vgl. FAZ vom 2.11.2022: "Tom Buhrow ruft die Revolution aus" Beitrag hinter Bezahlschranke).

Vertrauen der Gesellschaft erwünscht

Rundfunk ist Ländersache – und Buhrows Impuls hat hier für Bewegung gesorgt. Wie Sachsens Medienminister Oliver Schenk (CDU) gegenüber sächsische.de sagt, will er bereits Anfang 2023 bei der Klausur der Rundfunkkommission über eine Neustrukturierung des ÖRR sprechen. (sächsische.de vom 2.12.2022: "Sachsen will eine Reform für ARD und ZDF"). Die Rundfunkkommission ist das Gesprächsforum für gemeinsame Medienpolitik der Bundesländer.

"Wenn jetzt nichts passiert, wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Jahr 2030 erheblich an Akzeptanz verloren haben", betont Schenk in der SZ.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll mit der Reform also neues Vertrauen in der Gesellschaft erhalten. Doch dafür kann jetzt auch schon viel getan werden. Die Public Relation spricht hier von Akzeptanzkommunikation. Über Bürgerbeteiligung – auch als Partizipation bezeichnet - sorgt sie für Legitimation von Veränderungen und schafft tragfähige Lösungen.

Zu beachten ist allerdings, dass sie mit Voraussetzungen einhergeht.

Was ist jetzt zu tun?

Der Deutsche Rat für Public Relations verweist in seiner neuen Kommunikationsrichtlinie darauf, dass der Wille zur Partizipation nicht mehr nur das politische System betrifft (vgl. dprg.de: "DRPR Richtlinie Bürgerbeteiligung und Kommunikation"). Auch gegenüber Organisationen – dazu gehören Medien – wollen Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen vertreten.

Wichtig dabei ist Transparenz. Übersetzt heißt das: Klar kommunizierte Informationen sowie stetige Erklärung über die genauen Abläufe und die Entscheidungen.

Transparenz ergibt sich jedoch nicht einfach so. Zuvor sind gewissen Anforderungen zu erfüllen. Für den Reformprozess des ÖRR sind diese:

#1: Wer darf mitentscheiden?

Geklärt werden muss als erstes, wer am Reformprozess beteiligt ist. Gibt es eine öffentliche Debatte, an der auch Medien-Laien und Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks teilnehmen? Oder werden Entscheidungen von Experten und gewählten Abgeordneten in Gremien getroffen?

In seiner Rede sprach Tom Buhrow davon, dass bei der Reform nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen und die Medienpolitik zu Wort kommen sollen, sondern die Gesellschaft. Auch Medienminister Schenk regt eine öffentliche Debatte an. Damit scheint der Reformprozess für die breite Masse geöffnet zu sein.

Als Format schlägt Tom Buhrow allerdings einen Runden Tisch für Grundfragen vor. In seiner Zusammensetzung soll dieser dem Parlamentarischen Rat von 1949 ähneln. Das war damals die gesetzgebende Versammlung für die Bundesrepublik Deutschland, also die Mütter und Väter des Grundgesetzes.

Oliver Schenk spricht von einer Arbeitsgruppe oder eine Kommission, die Vorschläge zur Struktur von ARD, ZDF und Deutschlandradio erarbeiten soll.

Das hört sich dann doch wieder nach Entscheidung durch Abgeordnete oder Experten an. Wo da die Gesellschaft bleibt, ist offen. Für Transparenz muss hier nachgearbeitet werden. Die zentrale Frage: Wer ist denn nun für die Entscheidung über die Zukunft des ÖRR verantwortlich?

#2: Worüber wird gesprochen?

Tom Buhrow nennt das Ziel, einen „gemeinnützigen Rundfunk“ zu schaffen. Offen ist dabei allerdings, was er genau meint, wenn er von gemeinnützig spricht. Hier wäre zunächst dringend eine genaue Begriffsklärung anzuraten: Denn nicht jede und jeder hat die gleiche Vorstellung davon, was gemeinnützig nun genau bedeutet.

Schenk sagt gegenüber der SZ: "Ich bin auch für Unterhaltung, aber für solche, die zum Format der öffentlich-rechtlichen Sender passt". Für ihn geht es um Sendeinhalte. Die Verfilmung von zeitgeschichtlichen Stoffen oder von Literatur sind okay - Schlager- oder andere Musikshows aber wohl eher nicht. Wie sieht das bei Ihnen aus, liebe Leserinnen und Leser?

Die Herausforderung auf den Punkt gebracht: Wer mitreden will, dem muss klar sein, worüber gesprochen wird. Aktuell wirkt das Vorhaben in seiner Gesamtheit regelrecht erschlagend. Und damit unrealistisch. So eine Gemengelage führt schnell zu Resignation bei den Beteiligten. Damit die Diskussion konstruktiv verläuft, sind verlässliche Themen nötig.

#3: Themen setzen und Zusagen einhalten

In seiner Rede sprach Tom Buhrow über einen umfassenden Reformprozess. Auch die Zusammenlegung von ARD und ZDF brachte er in die Debatte ein. Soll es weiterhin zwei bundesweite, lineare Fernsehprogramme geben? Was wird aus den regionalen Programmen? Wohin entwickelt sich die Mediathek? Es dürfe keine Denkverbote geben, so Buhrow.

Tom Buhrow stößt mit seinen Aussagen eine Generaldebatte an. Das ist zunächst in Ordnung. Im Reformprozess müssen allerdings konkrete Punkte festgelegt werden, die auch umgesetzt werden.

Die Erfahrung lehrt: Für Beteiligte an Diskussionen ist es wichtig zu wissen, worüber genau gesprochen wird. Das macht den gesamten Prozess konkret und für die Teilnahme interessant. Ist das Diskussionsthema zu groß und offen, droht das Scheitern in zwei Richtungen: Ein Teil der Beteiligten wird sich gelangweilt abwenden, da ihnen der Prozess zu lange dauert.

Der andere Teil wird gefrustet sein, weil Hoffnungen und Wünsche nicht erfüllt wurden.

Die beiden Leitgedanken für den Reformprozess sollte daher sein: Zügig realistische Arbeitspakete festgelegen. Nicht so viel Zeit auf Diskussionen über Themen verwenden, die nicht angegangen werden.

#4: Evaluation

Die Reform des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ist ein Prozess. Anders als Projekte, die für eine Zeit aufgesetzt und wieder abschlossen werden, wird es nach der Umsetzung einen weiteren Wandel geben. Bei der jetzigen Reform sollten daher Mechanismen geschaffen werden, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk modern halten.

Das bedeutet konkret: Eine stetige Evaluation, ob im ÖRR verschiedene Interessen angemessen berücksichtigt werden. In Kommunen hat sich dafür das Zusammenwirken zwischen gewählten Räten sowie sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohnern etabliert. Im ÖRR wäre die verstärkte Zusammenarbeit mit Publikumsräten, die sich für den Dialog zwischen Rundfunkanstalten und Publikum einsetzen, zu empfehlen.

Übrigens: Die Kooperation zwischen Rundfunkanstalten und Publikumsrat stärkt die Zugänglichkeit und Repräsentativität von Entscheidungen. Neben Transparenz ein weiterer wichtiger Punkt für Partizipation.

Dr. Christopher Brinkmann lehrt an der HAWK in Holzminden zu Medienwissenschaft und Partizipation. Seine Promotion schrieb er 2021 über Beteiligungsprozesse in Kommunen.

Foto by Frederic Köberl on Unsplash

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