Das Präsidium des Sächsischen Landtags hat die Wahl der Mitglieder des SLM-Medienrats auf die Tagesordnung der kommenden Sitzung gesetzt.
An Top 2 der Tagesordnung für den 31.5.2023 steht nun die "Wahl von fünf Sachverständigen des 6. Medienrates der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien".
2/3-Mehrheit erforderlich
Eine Verständigung, das Gremium endlich neu zu besetzen, scheint es im Landtag schon länger zu geben. Mindestens einmal, im April, hatte die Regierungskoalition überlegt, die Wahl auf die Tagesordnung zu setzen, die Sache dann aber wieder kurzfristig abgeblasen. Grund: Gemeinsam bringen Regierungskoalition und Linke 81 Stimmen im Landtag zusammen.
Für die je Wahlgang erforderlichen 2/3-Mehrheiten sind mindestens 80 Stimmen erforderlich.
Man wollte wohl schlicht sichergehen, dass zum Wahlzeitpunkt wirklich ausreichend Landtagsabgeordnete anwesend sind, um den künftigen SLM-Medienrats-Mitgliedern einen peinlichen Gesichtsverlust zu ersparen. Das scheint für die kommende Sitzung der Fall zu sein.
Spekulationen über Zusammensetzung
Zur Wahl stehen offiziell 15 Kandidatinnen und Kandidaten (hier in der PDF-Drucksache des Landtags aufgelistet – Nachtrag 28.5.: Ich habe die Liste unten als JPG angehangen, owy). Allerdings ist es üblich, dass sich die Regierungsseite mit der beteiligten Opposition im Vorfeld auf eine Verteilung verständigt.
Sprich: Bei CDU, Grünen, SPD und Linken dürfte bekannt sein, welche der 15 Kandidaten als gemeinsamer Medienrat gedacht sind.
Nur: Wie genau die Aufteilung der Plätze erfolgt, lässt sich für uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ermitteln. Alle Beteiligten halten sich zu dem Vorgang ziemlich bedeckt, sind nicht erreichbar oder verweisen darauf, für andere Fraktionen keine Aussagen treffen zu können.
Bleibt uns nur, etwas zu spekulieren.
Muss eine Fraktion zurückstecken?
Zunächst die Fakten:
Es gibt fünf Plätze, drei Koalitions-Parteien und eine Oppositionspartei, die Ansprüche haben.
Mindestens zwei Medienräte müssen neu in das Gremium entsandt werden. Grund: Es sind nur zwei Amtszeiten erlaubt. Der Leipziger Professor Rüdiger Steinmetz scheidet genauso wie Michael Sagurna aus dem Gremium aus.
Um Kontinuität zu wahren, erscheint es wahrscheinlich, dass die übrigen bisherigen Mitglieder Markus Heinker (Präsident), Fabian Magerl und Eva Brackelmann (Vizepräsidentin) gute bis sehr gute Chancen darauf haben, erneut entsandt zu werden.
CDU will drei Sitze
Heinker und Magerl sind auf CDU-Kandidaten, Brackelmann ist bei der Wahl im November 2016 auf SPD-Ticket in das Gremium eingefahren (vgl. FLURFUNK vom 9.11.2016: "Neuer SLM-Medienrat: Sagurna, Steinmetz, Wißkirchen, Heinker, Brackelmann").
Wie zu hören ist, beansprucht die CDU-Fraktion aber drei der fünf Sitze – allein um zu verhindern, dass es eine linke Mehrheit in dem Gremium gibt.
Wenn also - was zu erwarten ist - die Linke einen Sitz für ihre Stimmen einfordert, müssten sich SPD und Grüne auf eine gemeinsame Kandidatin bzw. Kandidaten verständigen.
Oder SPD, Grüne und CDU müssten sich auf eine gemeinsame Besetzung des dritten CDU-Platzes verständigen.
Kleeberg, Neie und Röckel neu?
Der Leipziger Rechtsanwalt Thomas Neie ist vom Bund der Freien Radios und vom Deutschen Gewerkschaftsbund Sachsen (DGB) vorgeschlagen worden. Aktuell ist Neie noch Mitglied in der SLM-Versammlung; diese Funktion müsste er im Falle seiner Wahl aufgeben.
Nach FLURFUNK-Informationen ist er der Kandidat der Linken für das Gremium.
Ebenfalls Mitglied im SLM-Medienrat könnte künftig die Journalistin Katrin Kleeberg sein. Sie ist vom Sächsischen Landesbauernverband e.V. und vom Landessportbund vorgeschlagen worden (wobei der Vorschlag vom Landessportbund zu spät eingegangen und damit ungültig ist, was aber unerheblich ist). Das lässt vermuten, dass sie von der CDU unterstützt werden könnte.
Im Internet ist sie als Chefredakteurin und Herausgeberin des Hintergrund Magazin Sachsen (HMS) zu finden, das wobei die aktuellste Ausgabe des Magazins von 2018 ist, in der das Magazin sein 15-jähriges Bestehen feiert (hier als PDF zu finden).
Ebenfalls recht häufig fällt im weiteren Landtagsumfeld außerdem der Name der Medienpädagogin Katja Röckel aus Leipzig, die ebenfalls vom Bundesverband Freier Radios vorgeschlagen worden ist. Sie könnte von den Grünen unterstützt werden, wie vermutet wird.
Es stehen allerdings auch noch weitere Namen auf der Liste, von denen wir nicht ausschließen können, dass sie die Empfehlung einer Fraktion bekommen. Was man aber sagen kann: Die Betroffenen dürften wohl informiert sein, dass sie in der engeren Auswahl sind.
Unser Prinzip jedenfalls, für jede Aussage mindestens zwei Quellen zu haben, klappt im Falle der möglichen Zusammensetzung des kommenden Medienrats nicht.
Sprich: Alle Namen sind Spekulation.
Wahlverfahren und Absprachen
Vom Verfahren her werden die Landtagsabgeordneten einen Zettel mit allen vorgeschlagenen Namen erhalten und dann einen ersten Wahlgang absolvieren. Alle Kandidatinnen und Kandidaten, die dann die erforderliche 2/3-Mehrheit erhalten, sind in dem Moment gewählt.
Das genaue Wahlverfahren ist im Privatrundfunkgesetz geregelt.
Dort heißt es in §31, Abs. 2:
"Erhalten im ersten Wahlgang nicht genügend Kandidaten die erforderliche Mehrheit, wird ein weiterer Wahlgang durchgeführt. Erhalten auch im weiteren Wahlgang nicht genügend Kandidaten die erforderliche Mehrheit, werden weitere Wahlgänge nach den Vorgaben des Absatzes 3 durchgeführt."
Und in Abs. 3:
"Sind nach Absatz 2 Satz 3 weitere Wahlgänge erforderlich, stehen zu diesen jeweils höchstens so viele der nicht gewählten Kandidaten mit den nächst niedrigeren Stimmenzahlen zur Wahl, wie sie dem Dreifachen der Zahl der noch nicht besetzten Sitze von Sachverständigen des Medienrates entsprechen."
Spannend ist die Frage, ob sich alle Fraktionsmitglieder der beteiligten Fraktionen an die vorher getroffenen Absprachen halten werden.
Es würde uns so oder so nicht überraschen, wenn mehr als ein Wahlgang erforderlich ist.
Wir werden uns am Mittwoch mal die Landtagssitzung anschauen und das Ergebnis hier und über unseren Telegram-Kanal bekannt geben. Hier kann man uns folgen: t.me/flurfunkdd!
Wahl seit November überfällig
Turnusgemäß ist die Wahl übrigens längst überfällig. Seit November 2022 ist der aktuell amtierende Medienrat geschäftsführend im Amt (vgl. FLURFUNK vom 7.11.2023: "SLM-Medienrat: Keine Wahl im November").
Zwischenzeitlich hat das Gremium auch schon durchaus relevante Entscheidungen getroffen (vgl. FLURFUNK vom 4.5.2023: "Inhalte-Förderung: SLM veröffentlicht Aufruf, Frist endet 19.5.2023").
Bei dem Streit innerhalb der Koalition, der die Wahl verzögert hat, war es aber nicht nur um die Kandidaten-Riege gegangen. Streitpunkt damals war auch, ob die SLM-Struktur grundsätzlich umgebaut werden sollte – etwa durch mehr Einfluss für die SLM-Versammlung oder eine Erweiterung des Expertengremiums Medienrat.
Diese Themen scheint aber wohl erst einmal auf die lange Bank geschoben.
Genauso wie die dringend notwendige Veränderung des Privatrundfunkgesetzes, um endlich die UKW-Abschaltung zurückzunehmen. Dass das über kurz oder lang passieren wird, ist aber immerhin wohl Konsens unter den Koalitionspartnern (vgl. FLURFUNK vom 11.10.2022: "Koalition verständigt sich zu UKW-Abschaltung und Inhalte-Förderung").
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Mai 27, 2023
Leider enthält die Drucksache des Landtages nicht die genannte Liste, und auch beim Drucksachen-Service des Landtages kann man diese nicht aufrufen. Ist sie geheim?
Mai 28, 2023
Doch, die Liste ist öffentlich. Ich habe gerade Screenshots davon unten an den Beitrag angefügt.