Johannes Beermann: ARD und ZDF müssen Gebührengelder effizienter nutzen

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"Die Kerntugenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks laufen Gefahr, immer weiter in Vergessenheit zu geraten", kritisiert Dr. Johannes Beermann ARD und ZDF. Die Sendeanstalten müssten sorgfältiger mit den ihnen anvertrauten Gebührengeldern umgehen und sich wieder mehr auf ihre Kerntugenden konzentrieren, so der Chef der Sächsischen Staatskanzlei weiter.

Seine Kritik hat Beermann in einem Gastbeitrag formuliert, der erstmals am 12.3.2011 in der "Sächsischen Zeitung" in der Serie "Perspektiven" erschienen ist. Es ist nicht das erste Mal, dass Beermann das Gebahren der Öffentlich-Rechtlichen kritisiert.

Allerdings ist der Zeitungstext mit dem Titel: "Züruck zu den Kerntugenden von ARD und ZDF" auf der Seite von SZ-Online nur hinter der Bezahlschranke zugänglich. Mit Erlaubnis der Sächsischen Staatskanzlei dokumentiert Flurfunk Dresden deshalb hier den Text nochmal in voller Länge:

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Dr. Johannes Beermann: Warum wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen, der sich auf seine Aufgaben konzentriert

Staatsminister Dr. Johannes Beermann (Foto: Sächsische Staatskanzlei)

In vielen sächsischen Familien beginnt der Fernsehabend mit dem MDR SachsenSpiegel oder MDR aktuell. Die beliebten Nachrichtensendungen gewinnen durch ihren Mix aus ausführlichen Berichten über die Ereignisse im Freistaat, ergänzt um Nachrichten aus Mitteldeutschland sowie internationale und nationale Themen. Es sind die Korrespondenten vor Ort und die mit Regionalbezug aufbereiteten politischen Themen, die die Formate ausmachen. Mit Informationssendungen kurzweilig zu unterhalten, kann also gelingen.

Szenenwechsel: Mit „Wetten dass …?“ gelang es Thomas Gottschalk regelmäßig, Zuschauer aus den unterschiedlichsten Alters- und Bevölkerungsgruppen vor dem Bildschirm zu versammeln. „Wetten dass …?“ ist eines der letzten großen TV-Lagerfeuer für die ganze Familie. Aber auch außerhalb der Wohnzimmer war die Sendung stets Thema. Unter Nachbarn wie in den Betrieben vom Chef bis zum Pförtner gab es nur ein Gesprächsthema: das Gottschalk-Quiz. Das stärkte vor allem auch den Zusammenhalt.

Nächster Szenenwechsel: Der ZDF-Zweiteiler „Schicksalsjahre“ mit Maria Furtwängler erreichte mit einem anspruchsvollen Stoff aus der jüngeren deutschen Geschichte Traumquoten – der Film zog im ersten Teil sogar am sonntäglichen „Tatort“ vorbei, um dann mit seinem zweiten Teil den RTL-Quotenbringer „Wer wird Millionär“ hinter sich zu lassen. „Schicksalsjahre“ zeigt, dass das Publikum sich nach anspruchsvollen Inhalten sehnt. Dieses Bedürfnis zu erfüllen, fordert hohes künstlerisches und gestalterisches Niveau.

Große Zufriedenheit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk also? Das scheint nur so, denn die drei angeführten Beispiele stehen für drei Kerntugenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die in der immer mehr ins Hintertreffen geraten sind.

Zuerst soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk informieren. Die Voraussetzungen sind einzigartig, unter anderem durch eines der besten internationalen Korrespondentennetze in der ganzen Welt. Mit seinen Dritten Programmen sind die regionalen Informationen gesichert. Dies kommt nicht von ungefähr. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind vom Gesetzgeber verpflichtet worden, das internationale, nationale und regionale Geschehen umfassend darzustellen, um den Bürgern eine Meinungsbildung zu ermöglichen. Dafür zahlen die Zuschauer ihre Gebühren. Und genau diese Informationsvielfalt dürfen sie dann auch erwarten.

In der Vergangenheit wurde das internationale Korrespondentennetz von ARD und ZDF auch dazu genutzt, Dokumentationen zu produzieren. Sie boten den Zuschauern einen Blick über den Tellerrand und ermöglichten die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen „aus erster Hand“. Dokumentationen sind deshalb von besonderem Wert für die Meinungsbildung. Umso schwerer wiegt, dass die Sendeplätze der Dokumentationen bei ARD und ZDF zunehmend von sogenannten „Polit-Talkshows“ übernommen werden. Die dort aufeinandertreffenden Persönlichkeiten des politischen und sonstigen öffentlichen Lebens haben in der begrenzten Sendezeit kaum die Gelegenheit, die häufig sehr komplexen Themen vernünftig zu behandeln und auch gegebenenfalls neue Positionen zu entwickeln. Nur allzu häufig geht es dann weniger um eine sachliche Diskussion als vielmehr um Selbstdarstellung und das Abspulen von Allgemeinplätzen, um vordergründig zu beeindrucken. Mit dem eigentlichen Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat das wenig zu tun. Im Ergebnis schalten immer mehr Zuschauer ab.

Das Fernsehverhalten ändert sich rasant. Das hat seine Ursachen auch im Programm. Die großen medialen Lagerfeuer werden immer weniger. Neben „Wetten dass…?“ fällt einem spontan nur noch die Tatort-Reihe ein. Dies ist eindeutig zu wenig.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in der deutschen Rundfunkordnung nicht nur einen Informations- sondern auch einen Integrationsauftrag. Er muss mit seinen Programmen alle Bevölkerungsschichten ansprechen und hat dabei die Aufgabe, den gesellschaftlichen Dialog und den Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Alters- und Bevölkerungsschichten zu fördern. Dies gelingt dann am besten, wenn eine Sendung all diese Bedürfnisse erfüllen würde. Leider passiert im Augenblick genau das Gegenteil: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verspartet sich. Ob es sich um Dokumentationen, Theateraufführungen, Kindersendungen, Kulturbeiträge oder um Programme für junge Erwachsene handelt – für jede dieser Gruppen gibt es mittlerweise ein eigenes öffentlich-rechtliches Spartenprogramm, das immer weiter aufgefächert werden kann. Jüngst war sogar noch von einem eigenen Jugendprogramm der ARD die Rede, dass zwischen dem Kinderkanal und „ZDFneo“ positioniert werden sollte.

Die Vielfalt, die die Hauptprogramme von ARD und ZDF ausmachen sollten, gerät ins Hintertreffen. Das Ziel, möglichst umfassend die Zuschauerwünsche zu erfüllen, wird nicht durch möglichst viele besondere Sender erreicht. Um einen gesellschaftlichen Dialog zwischen den Alters- und Interessengruppen wieder zu fördern, brauchen wir wieder mehr Mut zu Programmen für „Minderheiten“ in den Hauptprogrammen – aber natürlich auch wieder mehr „Lagerfeuer“.

Dass Unterhaltung und Kultur keinen Gegensatz darstellen müssen, zeigt der bereits erwähnte ZDF-Zweiteiler mit Maria Furtwängler auf eindrucksvolle Weise. Aber auch Produktionen wie die Neuverfilmung von „Der Seewolf“, „Die Bertinis“ oder „Der große Bellheim“ belegen die Fähigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender, qualitativ hochwertige und spannende Unterhaltung zu produzieren, die sehr gut mit den Zuschauererfolgen der privaten Sender mithalten können. Wo liegt denn dann das Problem? Es gibt zu wenige dieser gut gemachten Filme bei ARD und ZDF. Zu oft ist Kopieren von den Privaten das vermeintliche Erfolgsmodell. Natürlich hat gute Unterhaltung, vor allem ein guter Film, seinen Preis. Aber ist es nicht sinnvoller, bestimmte Sportarten den kommerziellen Veranstaltern zu überlassen und die so eingesparten Summen in die Optimierung von Programmarten zu investieren, die nicht von der privaten Konkurrenz produziert werden können? Es braucht wieder Mut zur Konzentration, aber auch die Bereitschaft zur Kooperation zwischen ARD und ZDF.

Die Kerntugenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks laufen Gefahr, immer weiter in Vergessenheit zu geraten. Die Hauptprogramme von ARD und ZDF sind nicht selten kaum noch von den Programmen der großen kommerziellen Veranstalter zu unterscheiden. Setzt sich dieser Prozess in Zukunft weiter fort, wird es immer schwieriger, eine Finanzierung durch die Öffentlichkeit zu rechtfertigen.

Was also ist zu tun? Zunächst muss beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Bewusstsein zurückkehren, welchen Auftrag er hat. Das heißt konkret, seine Stärken im Informationsbereich zu schärfen.

Das sind die ihm treuhänderisch anvertrauten Gebührenmittel effizienter zu nutzen. Dopplungen von Programminhalten bei ARD und ZDF darf es nicht geben. Für die öffentliche Meinungsbildung sind weder parallel Berichterstattungen über Königshochzeiten noch zeitgleich ausgestrahlte Silvesterkonzerte erforderlich.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss insgesamt sparsamer werden. Doch darunter darf die Qualität nicht leiden. Qualität und Quote sind kein Gegenpart, wie die Beispiele beweisen.

In der Praxis erleben wir immer mehr Boulevard-Magazine, Spiel- und Casting-Shows sowie eine Talkshowinflation. Die von den Privaten kopierten Angebote sind mit Zuckerguss überzogene Sargnägel für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nur mit dem Mut, wieder „kantiger“ zu werden, verteidigt er seine Rolle und rechtfertigt eine Finanzierung durch die Allgemeinheit.

Dazu gehört auch, dass ARD und ZDF mehr miteinander kooperieren. Sie sind Geschwister und keine Wettbewerber. Das „Gegeneinanderprogrammieren“ vergleichbarer Formate ist eine Verschwendung von Ressourcen, da sich der Zuschauer nun einmal nicht zweiteilen kann.

Es ist daher an der Zeit, sich mit der Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags auseinanderzusetzen. Es besteht derzeit ein breiter Konsens, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern. Das geht nicht ohne Veränderung. Mit der Rückbesinnung auf den erteilten Auftrag und mehr Mut zur Qualität werden die Zuschauer honorieren.

2 Kommentare
  • Dieter H. Müller
    September 14, 2011

    Sehr geehrter Herr Beermann,
    ich beziehe mich auf einen Bericht in der Kölnischen Rundschau vom 14.09.11. Sie sprechen mir da geradezu aus der
    Seele. ARD und ZDF haben zwar einen öffentl./rechtl. Auftrag nehmen diesen aber in zunehmenden Maße nicht mehr war.
    Man kann oft nicht mehr unterscheiden, ob man ARD/ZDF oder aber RTl. eingeschaltet hat.Was mir besonders auf den Keks geht:
    Die vielen Sportsendungen, es wäre ein extra Kanal angebracht. Das Wetter möchte ich von einem/r Moderator/in nicht nur angesagt sondern auch präsentiert bekommen und nicht von einer Versicherung etc. Die vielen Anglizismen, die verwendet werden besonders beim ZDF: Nachrichten im Wochenjournal sind jetzt "news", sowie "History, die Story, Highlights, comediens, talk, talk und talk. Gespräche gibt es nicht mehr. Anrufen muss man eine "hotline".
    Beschwerden bei den betr. Anstalten werden freundlich beantwortet. Ändern tut sich nichts. Die Leute vergessen,
    dass sie vom Zuschauer bezahlt werden.
    Ich bitte Sie eindringlichst, sich diesen Themen einmal anzunehmen. Der normale Bürger erreicht leider garnichts. Das ist Arroganz hoch 3.
    Mit freundlichem Gruß
    Dieter H. Müller

  • mrmeckpom
    September 21, 2011

    Qualität und Unterscheidbarkeit,

    FAZ vom 13.09.2011
    Sächsische Zeitung vom 12.03.2011
    u.a.

    Sehr geehrte Damen und Herren!

    Der zurzeit aktivste Kämpfer gegen die vermeintliche Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Dr. Johannes Beermann, hinterfragt in seinen Beiträgen Qualität und Unterscheidbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von den privaten Sendern. Dies lässt mich meinerseits nach dem medienpolitischen Mehrwert einer Kommunikationsstrategie von Dr. Beermann über die Printmedien FAZ und Sächsiche Zeitung u.a. fragen! Als Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei (CDU - F.D.P Koalition) und Mitglied des ZDF-Fernsehrates ist er schließlich ein politischer Macher der vordersten exekutiven Front im Kampf um Nachrichtenhoheit und Wirtschaftsmacht der Medien und Insider ihrer aktuellen Probleme.

    Aufhänger sind u.a. das Scheitern des 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrages durch Nichtzustimmung der Landtage in Nordrhein-Westfalen (Minderheitsregierung SPD – Bündnis 90/Die Grünen) und folgend in Schleswig-Holstein (CDU - F.D.P. Koalition) und die aktuellen Schwierigkeiten bei der Ratifizierung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Das einzelne Bundesländer dem Föderalismusgedanken mit ihrer offenkundigen Unfähigkeit, sich weiterhin an ein auf Konsens angelegtes, bewährtes Verfahren zur Erreichung von Staatsverträgen zu halten, immensen Schaden zufügen, liegt auf der Hand! Droht doch der Föderalismus zwischen Zuständigkeiten des Bundes und Einmischungen der EU in Regionskompetenzen durch den Verfahrensdissens der sechzehn Bundesländer verloren zu gehen!

    Sorgfältig herausgearbeitet hat den medienverfassungsrechtlichen Konflikt Ministerialrat Dr. Matthias Knothe - seines Zeichens Leiter der Stabsstelle Medienpolitik der Staatskanzlei Schleswig-Holstein - in seinen Grundlagenbeiträgen „Störfall im Föderalismus; Zum Scheitern des Jugendmedienschutzstaatsvertrages“ (Zeitschrift für Rechtspolitik 2011, 78) und „(Rundfunk-) Staatsverträge – Faktische Gesetzgebung der Regierung unter Ausschluss der Parlamente?“ (ZRP 2010, 181). Schön, dass Dr. Beermann diesen wegweisenden, juristisch bestens fundiert und mit umfangreichem Quellennachweis versehen Aufsätzen, in seiner Argumentation stringent gefolgt ist. Weniger schön, aber fast schon politisches Gewohnheitsrecht mag man darin sehen, dass Dr. Beermann die eigentliche Quelle seiner Erkenntnis unterschlägt. Das mag politisch opportun erscheinen und profiliert, fördert aber sicher nicht die erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern in der Arbeitsebene!

    Im zweiten Teil des FAZ Beitrags von Dr. Beermann finden sich die altbekannten, eher von wirtschaftlichen Interessen geprägten Argumentationslinien zum Programm von ARD und ZDF. Es verwundert, dass ihm von Seiten seiner Fachleute in der Staatskanzlei und im Fernsehrat bis heute keiner nachhaltig nahe bringen konnte, dass die von ihm aufgeworfenen Fragen der Programminhalte (amerikanische Serien, Fußballübertragung etc.) die Programmautonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffen. Aus der inhaltlichen Gestaltung der Programme jedoch hat sich der Staat zwingend raus zu halten – und das aus sehr guten Gründen! Dr. Beermann liefert eine wahre Steilvorlage für das Argument, dass Politiker und politische Beamte nichts in Fernseh- und Rundfunkräten zu suchen haben, um die Unabhängigkeit der Fernseh- und Rundfunkanstalten vor staatlicher Bevormundung zu schützen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk heißt eben nicht „Staatsfunk!“ - das ist Vergangenheit und auch gut so!

    Wer derart konkret in die Programmgestaltung hinein regieren möchte, wäre besser Intendant geworden. Doch obwohl beim MDR Intendanten-Vakanz droht, hat Dr. Beermann diesen Schritt bisher offensichtlich nicht erwogen. Er ist wohl auch nicht von Nöten, denn zumindest der Verwaltungsrat hat bereits den politisch gewünschten Kandidaten – wenn auch nach schmerzhaften Geburtswehen – abgesegnet. Schade nur, dass sich das Gremium bei dieser so wichtigen Führungsposition eines in schwerster See dümpelnden MDR weder auf den juristisch beschlagenen Hausinsider des MDR, noch auf einen exzellenten Fernsehmacher und Verwaltungsfachmann von außerhalb verständigen konnte und stattdessen einem politisch genehmen Kandidaten aus den Printmedien den Vorzug gibt! Es bleibt zu hoffen, dass der neue Intendant sich nicht am politischen Nasenring durch Sachsen ziehen lässt, auch nicht, wenn Dr. Beermann am anderen Ende der Kette hängt!

    Und doch, welch treffender Titel „Qualität und Unterscheidbarkeit“! Zum Glück kann zumindest der medienpolitisch interessierte, fachkundige Leser da noch die Spreu vom Weizen trennen…

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