Oberbürgermeisterin untersagt Radio-Mitschnitte der Stadtrats-Sitzungen

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Ausriß aus dem Brief der OB an die Piraten-Partei. Das Bild ist verlinkt, das PDF zum vollständigen Brief hinterlegt.

Braut sich da etwa ein kleiner Presseskandal zusammen? Wie transparent möchte der Stadtrat sein? Und hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf die Twitterei aus dem Dresdner Stadtrat?

Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz hat einem Piraten-Coloradio-Mitarbeiter untersagt, Live-Radio-Mitschnitte aus dem Dresdner Stadtrat zu verbreiten. Hintergrund ist eine kleine Anfrage eines fraktionslosen Stadtrats (das Antwortschreiben der OB ist auf der Seite der NPD zu finden), wie die OB die "offensichtlich unautorisierte Audio-Übertragung der Stadtratssitzung mit Blick auf § 6 (2) der Geschäftsordnung des Stadtrates" bewerte.

Die Antwort der Oberbürgermeisterin lautete:

"Eine Überprüfung während der Stadtratssitzung am 21722. Juni 2012 hat ergeben, dass Vertreter der Piratenpartei in Dresden einen Audiostream der Dresdner Stadtratssitzung anfertigen. Dies widerspricht § 6, Abs. 2 der Geschäftsordnung der Stadtrates, da dafür keine Genehmigung beantragt oder erteilt wurde und auch die aufgenommenen Personen ihr Einverständnis nicht erklärt haben. Den Vertretern der Piratenpartei ist unverzüglich schriftlich die weitere Herstellung eines Audiostreams und dessen Verbreitung im Netz untersagt worden."

Die DNN hat das Thema zuerst aufgegriffen. Sie schreibt über die Hintergründe:

"Gregor Schäfer ist in der Internet-Gemeinde besser als Fidel Karsto bekannt. Unter diesem Namen berichtet der ausgebildete Großhandelskaufmann seit März vergangenen Jahres für den Dresdner Sender ColoRadio, via Twitter und auf Facebook regelmäßig aus dem Dresdner Stadtrat. Die vergangenen beiden Sitzungen des Rates hat der fidele Twitterer sogar live ins Internet eingespielt - ganz im Sinne der Bürgerbeteiligung und der Transparenz von Stadtratsentscheidungen. Doch die Audio-Übertragungen stießen dem rechten Spektrum im Rat auf."

Der "DNN"-Bericht, der alles gut zusammenfasst, ist unter dem Titel: "OB Orosz verbietet ColoRadio Live-Übertragungen aus dem Dresdner Stadtrat" zu finden.

Tatsächlich ist schon sehr bemerkenswert, dass die Radio-Mitschnitte vorher nicht bemerkt worden sind - wer nur ein wenig bei Twitter oder Facebook mitliest, kommt um die Kommentare von Fidel Kastro nicht umhin. Exemplarisch hier mal der Link zur Coloradio-Seite mit den Mitschnitten vom 22.6.2012.

Dabei hat die Geschichte aus unserer Sicht zwei Ebenen: Die eine ist die rechtliche. Demnach hat der Mitschneider tatsächlich gegen die Geschäftsordnung des Stadtrats verstoßen - Dresden Fernsehen, dass die Stadtratssitzungen regelmäßig aufzeichnet und zeitverzögert ausstrahlt, hat von allen Stadträten eine schriftliche Einverständniserklärung, dass sie zu sehen seien dürfen. Denn, auch darauf macht der "DNN"-Artikel aufmerksam, Stadträte gelten nicht als "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" - ihr Einverständnis für so eine Übertragung muss also vorher eingeholt werden.

Die andere Ebene ist die politische: Wo ist eigentlich das Problem? Wünscht der Stadtrat keinen Kontakt zur Bevölkerung? Immerhin kann die Aufzeichnung ja auch nur stattfinden, wenn Besucher zugelassen sind. Betrachtet man zusätzlich noch, dass allein die Twitterei verschiedener Stadträte (unter dem Hashtag #Staddrat gut zu verfolgen) ebenfalls eine Öffentlichkeit außerhalb des Sitzungssaals herstellt, ist es eigentlich verwunderlich, dass die Radio-Mitschnitte untersagt werden.

Und noch ein politischer Aspekt: Wer ist eigentlich Adressat der Untersagung? Ist Coloradio nicht ein Medium? Warum schreibt die Oberbürgermeisterin der Piraten-Partei?

In ihrem Schreiben an die Piraten-Partei (hier als PDF zu finden) macht die Oberbürgermeisterin deutlich, dass es zwar einen Stadtrats-Beschluss zur Prüfung eines Live-Streams gebe, dieses Verfahren aber seitens der Verwaltung noch nicht abgeschlossen sei. Immerhin müsse auch der sächsische Datenschutzbeauftragte dazu noch gehört werden.

Da treffen sie also aufeinander, die alte und die neue Welt. Längst sind im Netz alle möglichen Informationen über die einzelnen Stadträte zu finden - bis hin zur Adresse und Telefonnummer. Via Twitter, Facebook und Blog-Einträgen und später Pressemitteilungen verbreiten sie ihre Ansichten ins Netz - teilweise live aus der Sitzung.

Aber die einfache technische Möglichkeit, den Verlauf der Sitzung allen Bürgern zugänglich zu machen, bedarf erst einer aufwändigen Prüfung.

Nachtrag und Lesehinweis, 22:20 Uhr: Frank hat seine Sicht der Dinge in seinem Blog aufgeschrieben - sehr lesenswert. Titel: "Frau Orosz hat Angst vor Transparenz!"

Nachtrag und Hinweis, 6.7.2012: Folgende zwei Kommentare von der Grünen-Stadträtin Gerit Thomas bei Facebook und in ihrem Blog zum Thema sind sehr lesenswert. Danke an die Hinweise in den Kommentaren!

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