Semperopernball-Orden: Steht die Journalistin neben dem Diktator

Tweet von Julian Roepcke, BILD-Redakteur

Okay, werte Leserinnen und Leser, jetzt kommt eine kniffelige Frage: Wie weit würden Sie für eine exklusive Story gehen?

Katrin Koch, die Society-Reporterin der Dresdner Morgenpost, hat mit internationaler Politik sonst wohl nicht so viel am Hut.

Außer, es dreht sich um prominente Politiker*innen - dann ist Frau Koch weit vorn dabei.

Auf dem Foto neben dem Diktator

So auch im Falle des ägyptischen Staatspräsidenten und Diktators Abdel Fatah Al-Sisi. In Kairo posiert sie auf einem Foto neben dem Diktator, der soeben von der anderen Seite von dem künstlerischen Leiter des Semperopernballs, Hans-Joachim Frey, den Semperopernball-Orden übergeben bekommt.

Das Foto kursiert seit Sonntag auf Twitter - uns zuerst in die Timeline geteilt von Julian Röpcke, BILD-Politik-Redakteur (vgl. seinen Tweet vom 26.1.2020).

Screenshot von der ägyptischen News-Seite Youm7.

Die Bilder-Rückwärtssuche bringt diverse Treffer, die überwiegende Zahl führt auf Seiten mit arabischer Schrift (zum Beispiel auf die ägyptische News-Seite Youm7).

Als Öffentlichkeits-Beraterin exklusiv dabei!

Wie kommt man als Journalistin auf so ein Foto? Man begleitet den Semperopernball-Vertreter "exklusiv". Koch beschreibt es selbst in ihrem Bericht für ihren Auftraggeber, die Dresdner Morgenpost/Tag24:

"Übrigens: In Freys Ballteam war ich sicherheitshalber offiziell als 'Ball-Berater für Öffentlichkeitsarbeit' avisiert - nicht als Journalistin. Auch kein Team des ARD-Studios durfte vor Ort die Übergabe filmen."

Titel der Geschichte vom 27.1.2020: "St. Georgs Orden für umstrittenen Präsidenten: Verbeugung vor dem Machthaber".

Schadensbegrenzung im Blatt

Immerhin: Der Mopo-/Tag24-Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Mopo-Politikredakteurin Juliane Morgenroth entstanden.

Kochs Erlebnisbericht ("Alle Handy werden im Palast eingezogen", "Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen", "dann müssen die heimisch zugelassenen Medien den Saal verlassen") und dem kurzen Absatz darüber, wie die Society-Reporterin auf das Foto gekommen ist, folgt gleich dieser Hinweis:

"Laut 'Reporter ohne Grenzen' ist Ägypten unter El-Sisis Herrschaft eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalisten geworden. Im Ranking für Pressefreiheit nimmt das Land heute Platz 163 von 180 ein."

Im weiteren Verlauf geht der Text dann ausführlich auf die Kritik an der Verleihung des Preises ein (Zwischenüberschrift: "Tatsächlich Ablehnung und Entsetzen über die Preisvergabe").

Medienpartner distanzieren sich

Inzwischen hat sich die DDV-Mediengruppe, Mutterhaus von Tag24/Morgenpost und Sächsische.de/Sächsischer Zeitung, von der Verleihung des Ordens an Al Sisi distanziert.

Unter einem Interview zur Rolle Al Sisis in Ägypten (sächsische.de vom 28.1.2020: "'Al-Sisi hat Ägypten in eine Militärdiktatur verwandelt'") ist zu lesen:

"Die DDV-Mediengruppe ist seit vielen Jahren offizieller Medienpartner des Dresdner Semperopernballs. Ziel dieses Engagements war und ist es, ein Dresdner Event mit nationaler Ausstrahlung für Sachsen aufzubauen und zu befördern. Umfang und Art dieses Engagements werden regelmäßig neu bewertet.

Die DDV-Mediengruppe hat keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des Balls."

Das ist auch insofern spannend, als dass DDV-Geschäftsführer Carsten Dietmann im Vorstand des Vereins Semperopernball e.V. ist.

Haltung gefordert

Heute (28.1.2020) schreibt Tag24 unter der Überschrift ("Kommentar: Blast den Dresdner Semperopernball ab!"):

"Jeder Dresdner, Politiker, Verantwortliche und Promi muss entscheiden, ob er Kulisse für El-Sisi spielen möchte."

Das gilt wohl auch für Society-Reporterinnen.

Mit Dank an den Hinweisgeber!

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